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Urlaub auf Djerba – einsames Leben wie Robinson?

Viele Menschen haben Bedenken, ihren Urlaub in Tunesien zu verbringen. Das Attentat auf ein Touristenhotel in Sousse / Port El Kantaoui im Juni 2015 hallt nach. Unser Kolumnist reist trotzdem – nach Djerba.

Robinson Club

Gerade habe ich eine Woche Urlaub auf Djerba gebucht. Im Robinson-Club. Immer wieder einmal habe ich in den vergangenen Jahren darüber nachgedacht, ob ich mal auf die tunesischen Halbinsel reisen sollte. Als das Attentat von Sousse geschah, stellte ich diesen Plan zunächst mal hintenan.

Doch heute las ich in der „Welt“ auf der – gerade frisch renovierten – App einen Reisebericht über den neuen Robinson-Club auf Djerba.

Tenor des Berichts: Blüht der Tourismus nicht wieder auf, befürchtet der Tourismusverantwortliche für die Region Djerba-Zarzis, Taoufik Gaied, größte soziale Probleme. Über eine Million unter den elf Millionen Tunesiern seien vom Tourismus abhängig. Hotelangestellte, Taxifahrer, Kunsthändler, Kamelführer, Souvenirverkäufer, Reiseleiter. Sie alle bangen um ihr kleines Einkommen. Ohne Touristen ist Djerba tot, 80 Prozent der Bevölkerung lebten davon. Man wolle keine Almosen, aber Unterstützung, zitiert „Welt“-Autor Chris Winteler einen Appell des tunesischen Tourismusexperten: „Kommt, zeigt Solidarität, lasst die Terroristen nicht gewinnen.“

Offenbar eine Insel der Toleranz

Im übrigen könne man sich auf Djerba ziemlich sicher fühlen. Es gebe nur drei Möglichkeiten, auf die kleine vorgelagerte Insel zu gelangen: über den 6,5 Kilometer langen Römerdamm, der Djerba mit dem Festland verbindet, mit der Fähre oder dem Flugzeug. Nach Gaieds Meinung ist Djerba der Inbegriff der Toleranz: Muslime, Juden und Christen würden friedlich miteinander leben – Moschee neben Synagoge neben Kirche.

Die positive Darstellung nahm mir ein wenig die Sorge, dass ich einsam wie Robinson durch die Räume des Robinson-Clubs schleichen würde – immer auf der Hut vor wilden Horden, die mir nach dem Leben trachten.

Ich rechne damit, dass nicht so viele Touristen wie früher auf Djerba Urlaub machen werden, was aber einen großen Vorteil hat: Man muss sich nicht um Buffet und Liegestühle schlagen – und der Reise-Preis ist heiß. Ich zahle für eine Woche all inclusive 625 Euro.

Ein weiterer Vorteil drängt sich mir gerade in diesen Tagen auf: Mein kleiner Beitrag zur Tourismusförderung auf Djerba wird vielleicht mit dazu beitragen, dass der Flüchtlingsstrom nach Europa nicht auch noch durch Armutsflüchtlinge aus Tunesien verstärkt wird.

Durchaus hilfreich: Die realistische Sicht der Kellnerin in Jamins Cappuccino-Café

Letztlich, so gestehe ich mir heimlich ein, hat aber eine Kellnerin in meinem Stammcafé „Schiff ahoi“ den Ausschlag gegeben. Mit ihr sprach ich vor einiger Zeit über Reisepläne und einen möglichen Djerba-Besuch und meine Bedenken nach dem Attentat. Und was sagte sie: „Ich habe gerade Ägypten gebucht. Ich fliege für eine Woche dahin. Kostet nicht viel, und wenn man in der Hotelanlage bleibt, kann einem nicht viel passieren.“

So eine Einstellung könnte man mit Gottvertrauen begründen, aber die junge Frau sieht wohl ihr Leben ziemlich realistisch. Schließlich kann uns auch morgen am Kölner Dom etwas passieren. Erinnern wir uns doch nur an Deutschlands Terror-Zeiten wie der Überfall auf Olympia in München oder die Entführung einer Lufthansa-Maschine nach Mogadischu. Über die Opfer habe ich später eine Fernsehdokumentation gemacht – ich weiß also, was dort passiert ist.

Angst vor einem Attentat habe ich keine. Die britische Regierung hat zwar eine Topwarnung herausgegeben, aber unser Auswärtiges Amt – in der Regel sehr sensibel bei Gefahrenmeldungen für Auslandsreisen – betrachtet Urlaubsreisen nach Tunesien als nicht so gefährlich. Originalton: „Es sind derzeit keine Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zu erwarten, aber die Lage sowie offizielle Ankündigungen sollten aufmerksam verfolgt werden.“

Die Verheißungen des Prospekts – die Vorfreude wächst

Also darf ich mir jetzt schon einmal etwas Vorfreude gönnen. Das Angebot ist schließlich top, die Clubanlage neu. Originalton des Reiseveranstalters: „Die Anlage, die all inclusive made by Robinson geführt wird und über 336 Zimmer in sechs Kategorien verfügt, ist über die vergangenen Monate umfassend renoviert worden. Sämtliche Zimmer der Anlage wurden vollständig saniert und mit neuen, größeren Bädern sowie eigenen Balkonen ausgestattet. Zusätzlich wurde ein Fitnessgebäude errichtet, das WellFit® Spa vollständig entkernt, durch zwei Saunen mit Panorama-Meeresblick sowie eine Terrasse ergänzt und auf 500 m² Fläche erweitert. Die im typischen Landesstil erbaute Anlage liegt auf 100.000 m² direkt am weißen Sandstrand und bietet vor allem Wassersportlern vielfältige Möglichkeiten, wie etwa Katamaran-Segeln sowie Wind- und Kitesurfen.“

Vier Bars, ein Golfplatz, sieben Tennisplätze – und nachher Hamam-Massage…

Auch kulinarisch stimmt die Richtung meiner Meinung nach: „Im Hauptrestaurant mit Außenterrasse, im Strandrestaurant sowie an einer der vier Bars werden die Gäste mit regionalen und internationalen Speisen und Getränken verwöhnt. Sportfreunde kommen auf dem nahen Golfplatz, auf sieben clubeigenen Asche-Tennis-Plätzen, beim Bogensport sowie in der Soccerarena auf ihre Kosten. Für ein intensives Workout können das Fitnessstudio oder einer der Groupfitnesskurse genutzt werden. Danach lässt es sich im WellFit®-Spa-Bereich wunderbar entspannen: Nach einer traditionellen tunesischen Hamam-Massage im Dampfbad fühlt man sich wie neugeboren.“

Reicht das, um auf den Geschmack zu kommen? Mir ja. Wenn ich ehrlich bin, haben mir die Beschreibung des Angebots, vor allem aber die aufmunternden Worte der Kellnerin im „Schiff ahoi“ meine Sorgen über mögliche Gefahren auf der Reise genommen.

Jetzt wäre es noch gut, wenn mir jemand beim Kofferpacken helfen würde. Ich möchte gern möglichst wenig mitnehmen, aber – wie es in so einem Club ja üblich ist – mal chic, mal leger gekleidet sein. Das wird nicht einfach.

Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…
                                             Ihr Peter Jamin

Unser Autor arbeitet als Schriftsteller und Publizist sowie als Berater für Kommunikation seit Jahrzehnten immer wieder auch für ausgewählte Projekte. Sein soziales Engagement gilt der Situation von Angehörigen vermisster Menschen, auf deren Situation er in Büchern, TV-Dokumentationen und Artikeln seit mehr 20 Jahren immer wieder aufmerksam macht.

 

Peter Jamin

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