Wann liegt nun ein solcher gravierender Pflichtverstoß vor? Nach dem Gesetz liegt der für die fristlose Kündigung erforderliche sogenannte wichtige Grund vor, wenn der Arbeitnehmer in so schwerwiegender Weise gegen seine arbeitsvertraglichen Pflichten verstoßen hat, dass dem Arbeitgeber die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses nicht zugemutet werden kann. Das Vorliegen eines solchen wichtigen Grundes muss der Arbeitgeber beweisen.
Neben der Möglichkeit der Tatkündigung, bei der der Arbeitgeber davon überzeugt ist, dass der Arbeitnehmer eine strafbare Handlung oder schwerwiegende Pflichtverletzung tatsächlich begangen hat und ihm die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses deshalb unzumutbar ist, kann der Arbeitgeber auch eine Verdachtskündigung aussprechen. Denn das Risiko des Tatnachweises trägt allein der Arbeitgeber. Bei der Verdachtskündigung reicht es bereits, dass der dringende Verdacht einer strafbaren beziehungsweise einer erheblichen Pflichtverletzung des Arbeitnehmers besteht. Hierbei kann der Arbeitgeber die Kündigung jedoch nur innerhalb von zwei Wochen, nachdem er von den für die Kündigung maßgeblichen Umständen Kenntnis erlangt hat, erklären. Die Verdachtskündigung kann also nur Erfolg haben, wenn der Arbeitgeber unverzüglich alles Zumutbare unternimmt, um den Sachverhalt aufzuklären und sich der Verdacht einer schwerwiegenden Vertragsverletzung danach weiterhin aufdrängt.
Anhörung des Arbeitnehmers kann schriftlich oder mündlich erfolgen
Zur Aufklärung des Sachverhalts gehört insbesondere die Anhörung des Arbeitnehmers. Diese kann schriftlich oder mündlich erfolgen. Dabei sollte der Arbeitnehmer bereits im Anhörungsbogen beziehungsweise Einladungsschreiben zur mündlichen Anhörung darauf hingewiesen werden, was ihm vorgeworfen wird. Der Vorwurf sollte hierbei so konkret und detailliert wie möglich dargestellt werden. Dem Mitarbeiter ist sodann angemessene Zeit für die Antwort einzuräumen.
Setzt der Arbeitgeber eine zu kurze Frist und kündigt dem Arbeitnehmer nach deren Ablauf, ohne dass die Stellungnahme des Betroffenen vorliegt, so ist die Kündigung als Verdachtskündigung rechtsunwirksam. Dies hat nun das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein entschieden. In dem zu entscheidenden Fall hatte der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Stellungnahmefrist von weniger als zwei Arbeitstagen eingeräumt. Das Gericht hat entschieden, dass eine solche Frist zur Abgabe einer Stellungnahme im Rahmen einer Anhörung vor Ausspruch einer Verdachtskündigung in der Regel in jeder Hinsicht unangemessen kurz ist. Das gilt umso mehr, wenn dem Arbeitgeber bekannt ist, dass sich der Arbeitnehmer regelmäßig anwaltlich vertreten lässt und der Arbeitnehmer zudem arbeitsunfähig krank ist. Das Landesarbeitsgericht hielt eine Stellungnahmefrist von einer Woche für angemessen.
Fazit: Der Ausspruch einer Verdachtskündigung bedarf also zügiger, aber sorgfältiger Vorbereitung. Insbesondere sollte der Arbeitgeber vorsorglich dem betreffenden Arbeitnehmer eine großzügige Frist zur Stellungnahme einräumen.
— Rechtsanwältin Janine Fazelly —
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Rechtsanwältin Janine Fazelly LL. M.
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