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Anne Wills Islam-Diskussion – und die Jauchegrube in Facebook

Das Internet ist ein Segen, aber oft auch eine Jauchegrube, findet unser Kolumnist. Früher blieben die Plattheiten im Wohnzimmer, heute wabern die üblen Gerüche unaufhaltsam durchs Internet. Die aktuelle Diskussion um den letzten Anne-Will-Islam-Talk zeigt wieder einmal die Auswüchse der Facebook-Stammtische.

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Das Internet ist ein Segen, aber oft auch eine Jauchegrube, findet unser Kolumnist. Früher blieben die Plattheiten im Wohnzimmer, heute wabern die üblen Gerüche unaufhaltsam durchs Internet. Die aktuelle Diskussion um den letzten Anne-Will-Islam-Talk zeigt wieder einmal die Auswüchse der Facebook-Stammtische.

In der Vor-Facebook-Zeit saßen die Menschen in ihren Wohnzimmern und Kneipen und diskutierten die gerade gesehene Fernsehsendung – und ihre oft schrägen Meinungen blieben ungehört in der kleinen Welt des kleinen Mannes.

Heute ist das anders. Heute hat jeder eine Stimme, fühlt sich wichtig und angehört – und Menschen wie ich landen dann in Facebook-Wohnzimmern, deren Gespräche man nicht lesen möchte. Zu vieles des Geschriebenen ist einfach zu flach.

Ein gutes Beispiel ist die in dieser Woche über die Schmerzgrenze wabernde Diskussion um den Anne-Will-Talk mit einer Muslimin im Niqap, also der Vollverschleierung einer Frau.

„Ich fordere eine öffentliche Entschuldigung von der Will und den Öffentlichen für diese katastrophale Sendung im Deutschen TV.!!!! Der Islam gehört so nicht zu Deutschland. Einer IS Befürworterin und gleichzeitig Frauenrechtlerin (?) mit radikalen mittelalterlichen Ansichten eine Bühne zu geben ist ein Verbrechen ohne Gleichen“, lamentierte eine Schreiberin.

Für einen anderen Zuschauer war die „größte Sauerei, dass so ein enormer Mist von den GEZ-Gebühren bezahlt wird. Das heißt, jeder deutsche Haushalt hat diese Sendung unterstützt…“

Auch mal andere Argumente zu Wort kommen lassen…

Nur selten kommt in den Beiträgen in den Sozialen Medien zum Ausdruck, dass in diesem journalistischen Talkshow-Format „Anne Will“ einer Muslim vier Kontrahenten gegenübersaßen, die den Argumenten der Niqap-Trägerin gewaltig ins Wort gefallen sind. Auch gehört es zu einem guten Journalismus, die Argumente aller zu Wort kommen zu lassen – auch wenn sie etwa einer Moderatorin wie Anne Will persönlich nicht passen.

Journalistinnen wie Anne Will gehören zur Kultur der freien Meinung in unserem Land. Randwertig als Journalist wird man erst, wenn man etwa wie Henryk M. Broder in der „Welt“ verkündet, er würde nach der Will-Diskussion keine GEZ-Gebühren mehr bezahlen. Das ist Agitation, mit der man Aufsehen erregen möchte – guter Journalismus geht anders.

Letztlich reiht sich der „Welt“-Schreiber Broder in die Reihe der Facebook-Nutzer ein, die Ihre Wohnzimmer-Plattitüden heutzutage übers Internet in die Welt hinausschreien – und leider zu oft auf Resonanz stoßen.

Einer dieser Wohnzimmer-Hysteriker schrieb mit Blick auf den Auftritt der ganz in Schwarz verhüllten Muslimin: „Man unser Land ist so was von tolerant…“

Das ist richtig. Die Mehrheit in Deutschland ist tolerant gegenüber vielen Meinungen. So geht eben Kommunikation in einer freien Welt.

Davon profitiert auch Gossenjargon wie dieser: „Wehe ein Deutscher hätte so was gesagt, dann hätte der Verfassungsschutz ermittelt, es wäre Anzeige gestellt worden, und Ferkel äh Merkel hätte die Deutschland Fahne wieder weggeworfen und gesagt wie Scheiße wir doch alle sind, außer ihr natürlich.“

Ja, das Internet ist ein Segen, aber oft eine Jauchegrube.

Was bleibt zu tun gegen diese Plattheiten-Walze? Das Facebook können wir nicht mehr zurückschrauben. Mit dem Gestank der Jauchegrube werden wir leben müssen – aber wir können uns abwenden.

Wer sich früher nicht an den Stammtischmännergesprächen in verräucherten Kneipen beteiligt hat, sollte es auch nicht in den stumpfsinnigen Diskussionsforen auf Internet & Co machen.

Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…
                                                                 Ihr Peter Jamin

Unser Autor arbeitet als Schriftsteller und Publizist sowie als Berater für Kommunikation seit Jahrzehnten immer wieder auch für ausgewählte Projekte. Sein soziales Engagement gilt der Situation von Angehörigen vermisster Menschen, auf deren Situation er in Büchern, TV-Dokumentationen und Artikeln seit mehr 20 Jahren aufmerksam macht. Mehr unter www.jamin.de

 

Peter Jamin

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