Es gibt gute und schlechte Bräuche: Schuhe vor der Wohnungstür zu Nikolaus sind gut, Schuhe mit Schneematsch im Winter auf der Fußmatte sind schlecht. Unser Kolumnist befasst sich mit dem Leben der Nachbarn im Hausflur.
In diesen Tagen posteten etliche „Freunde“ auf Facebook die schönen Geschenke, die sie zu Nikolaus bekommen haben. Meist waren das Fotos mit bunt geschmückten Schuhen auf der Fußmatte vor der Wohnungstür.
Ein Foto amüsierte mich ganz besonders, denn auf einem Zettel, der ein Paar Schuhe bedeckte, war zu lesen: „Schuhe gehören nicht in den Flur! Mit freundlichen Grüßen, Ihr Nachbar“
Ich kann das gut nachvollziehen. Schuhe zu Nikolaus vor die Wohnungstür zu stellen, finde ich einen schönen Brauch – wenn man Kindern eine Freude machen möchte.
Doch es wird unangenehm, wenn versiffte Stiefel im Winter oder schweißverwöhnte Sportschuhe im Sommer vor den Wohnungstüren stehen, weil man sie dort schön auslüften und trocknen lassen möchte.
Den Trägern selbst ist der Anblick dieser Schuhe in der eigenen Wohnung offensichtlich ein Graus – da beschert man lieber den Nachbarn die unangenehmen Anblicke.
Solcherart Begebenheiten werden allerdings noch von Zeitgenossen getoppt, die gleich einen Schuhschrank in den Hausflur stellen und dort – neben dem täglichen Müllsack, dem Rollator der Oma und dem Kinderfahrrad – ganze Batterien von Schuhwerk zur allgemeinen Besichtigung durch Nachbarn oder Besucher feilbieten.
Apropos Besucher. Einige meiner Besucher amüsieren sich köstlich, wenn sie den Hausflur betreten. Ich habe zwei Nachbarinnen, die regelmäßig ihren Eingangsbereich dekorieren. In diesem Tagen geht es natürlich thematisch um Weihnachten. Zu anderen Zeiten dreht sich das Gehänge und Gebammel rund um die Wohnungstüren um Ostern, um Urlaub, Frühling oder auch um Herbst.
Diese saisonalen Kitsch-Orgien begleiten mich nun schon seit etlichen Jahren. Manchmal fotografiere ich die Arrangements für meine Kuriositätensammlung, gelegentlich ärgere ich mich darüber, weil sie meiner Meinung nach unseren schlichten, aber stilvollen Hausflur verschandeln.
Ich frage mich, was Menschen antreibt, die Geschmacklosigkeiten aus ihren Wohnung hinauswuchern zu lassen? Genügt es nicht schon, dass die vielen stillosen Gardinen hinter den Fensterscheiben in den Häusern unserer Städte und Dörfer ganz Deutschland zu einem hässlichen-komischen Puzzlespiel machen?!
Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…
Ihr Peter Jamin
Unser Autor arbeitet als Schriftsteller und Publizist sowie als Berater für Kommunikation seit Jahrzehnten immer wieder auch für ausgewählte Projekte. Sein soziales Engagement gilt der Situation von Angehörigen vermisster Menschen, auf deren Situation er in Büchern, TV-Dokumentationen und Artikeln seit mehr 20 Jahren aufmerksam macht. Mehr unter www.jamin.de
Peter Jamin