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Giacometti. Die Spielfelder

Das Spiel des Lebens treibt Alberto Giacometti Zeit seines künstlerischen Schaffens um. „Es geht um die Anordnung der Dinge und die Beziehung der Menschen untereinander“, so beschreibt Hubertus Gaßner, Direktor der Hamburger Kunsthalle, anlässlich der Ausstellungseröffnung Giacomettis Motivation. Es sei von Giacometti überliefert, dass es ihn schlaflose Nächte gekostet und blockiert habe, wenn er nicht die richtige Anordnung für Schuhe und Socken vor dem seinem Bett fand.

E.W.K./ Bern/ � Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti/ Paris + ADAGP/ Paris) 2012

Das Spiel des Lebens treibt Alberto Giacometti Zeit seines künstlerischen Schaffens um. „Es geht um die Anordnung der Dinge und die Beziehung der Menschen untereinander“, so beschreibt Hubertus Gaßner, Direktor der Hamburger Kunsthalle, anlässlich der Ausstellungseröffnung Giacomettis Motivation. Es sei von Giacometti überliefert, dass es ihn schlaflose Nächte gekostet und blockiert habe, wenn er nicht die richtige Anordnung für Schuhe und Socken vor dem seinem Bett fand.


Giacometti und der Surrealismus

Die Kunsthalle präsentiert den eher unbekannten, jungen Giacometti mit seinem surrealistischen Frühwerk, das bisher in Deutschland kaum zu sehen war. Giacomettis bis heute prägendes Konzept der „Skulptur als Spielfeld“ ist in dieser Ausstellung der Ausgangspunkt für die schöpferische Weiterentwicklung des Bildhauers in der Nachkriegszeit.

Fast wie Teilnehmer auf einem Spielparcours begeben sich die Besucher auf Erkundungstour durch die Ausstellung, um Giacomettis Kunstwerke zu erfahren. Sie beginnen mit der eher „dunklen“ Phase des Surrealismus: Hier standen für Giacometti innere Strukturen und Konstellationen sowie deren Erfahrbarkeit im Fokus. Im weiteren Verlauf erhalten die Besucher Einblicke in das legendäre Atelier als Platz der künstlerischen Inszenierungen. Der Höhepunkt seines Schaffens findet sich am Ende der Ausstellung. In einem großen hellen Raum, der sich zur Außenwelt hin öffnet, erleben die Besucher Giacomettis berühmte Figurengruppe: die „Große Stehende II“, den „Schreitenden Mann II“ und den „Großen Kopf“, die Giacometti für die Gestaltung der New Yorker Chase Manhattan Plaza vorgesehen hatte.

Die Skulptur als Spielfeld

Mit Anfang 20 suchte der aus dem schweizerischen Graubünden stammende Künstler einen neuen Zugang zur Bildhauerei. Ihn faszinierten die Themen Leben, Liebe und Tod sowie das Verhältnis der Dinge und Menschen zueinander.

1930 entstand die Idee der „Skulptur als Platz“. Giacometti verlegte seine Skulpturen von der Vertikalen in die Horizontale. Er positionierte die einzelnen Elemente seiner Werke auf Spielfeld ähnlichen Grundplatten und ließ stetig neu definierbare Bewegungs- und Beziehungsmöglichkeiten der Elemente untereinander zu. Er thematisierte immer wieder „Aufsicht und Ansicht“: der Blick von auf das Ganze und das Eintauchen in Handlungs- und Spannungsfelder.

Die Besucher können dies in der Ausstellung selbst ausprobieren: Die Spielfelder laden dazu ein, zu beobachten und gedanklich die möglichen Varianten der Figuren und entstehende Konstellationen und Zwischenräume durchzuspielen.

Zeit wird zum Raum

Später verließ Giacometti das Objekthafte des Surrealismus. Er war auf der Suche nach einer Darstellungsmöglichkeit der Realität. Er behielt die Strukturen aus seiner surrealistischen Phase bei, entwickelte jedoch die Formensprache weiter. Durch Stilisierung versuchte er der Realität nahe zu kommen. Nicht mehr die Motive standen im Vordergrund, sondern die eigene Wahrnehmung des Gegenübers.

Anfang der 1940er-Jahren fertigte Giacometti sehr kleine Figuren und Köpfe, die eine Distanz zum Betrachter aufbauen und doch durch große Sockel in der Realität verankert zu sein scheinen.

Das Verhältnis von Distanz und Dimension wurde zentraler Punkt seines Agierens. Zeit wird zum Raum, das Empfinden findet nicht chronologisch statt. Die horizontale, begehbare Skulptur macht eine Verortung von Zeit möglich, bei der persönliche Erlebnisse und die Beziehung von Personen auf neutralen, leeren Plätzen vernetzt sind.

Einige Jahre später gewannen seine Plastiken an Größe. Giacometti entwickelte seinen markanten Stil der überlangen, dünnen Figuren und legte den Fokus auf die Vertikale.Die Elemente seiner Werke verloren an äußerer Beweglichkeit. Stattdessen kam Bewegung in die Figuren hinein. Er sei weiterhin auf der Suche nach der Verortung in Zeit und Raum, beschreibt Annabelle Görgen-Lammers, Kuratorin der Ausstellung, diese Phase und fügt hinzu, dass es unter diesem Aspekt wenige Brüche in Giacomettis Werken gebe.

Es entstanden die bewegungslose und frontal aufragende Frau und später als Gegenentwurf der schreitende Mann. In Kombination mit dem Männerkopf entwickelte Giacometti kontinuierlich diese drei Figurationen weiter. Sie bildeten 1958 die Grundlage für eine Auftragsarbeit zur Gestaltung des Vorplatzes der Chase Manhattan Bank in New York, die nie umgesetzt wurde.

Das Atelier als Spielfeld des Künstlers

In seinem „Loch“, wie Giacometti sein 18 Quadratmeter großes Atelier genannt haben soll, inszenierte er die Beziehungen von Kunst und Leben. Er lebte und arbeitete dort 40 Jahre. Der Atelierraum war seine Spielfläche. Die Ausstellung zeigt Atelierzeichnungen des Künstlers und die Besucher erleben in einem der Ateliergröße entsprechenden Raum Ansichten verschiedener dort entstandener Werke.

Die Chase Manhattan Plaza

Die überlebensgroßen Originale der „Chase Manhattan“-Figurengruppe sind als Höhepunkt in der Ausstellung zu sehen. Die „Große Stehende II“, der „Schreitende Mann II“, und der „Große Kopf“ finden sich einander zugewandt in der lebendigen Realität des nachgeahmten großen Platzes.

Die Besonderheiten abseits Giacomettis künstlerischer Leistung: Die Große Stehende II“ wird nach Auskunft der Kuratorin nicht mehr häufig auf Reisen gehen und der „Schreitende Mann II“ gilt als eines der weltweit teuersten Kunstwerke. Vor wenigen Jahren wechselte er für über 70 Millionen Euro den Besitzer.

Thematisch zeigen die variabel aufstellbaren Figuren das Spannungsfeld und Beziehungspiel zwischen Menschen. Der Schreitende als Inbegriff des strebenden Lebens, der Große Kopf als beobachtendes Bewusstsein und die Stehende als Kultbild des Menschen symbolisieren Leben, Liebe und Tod.

„Giacometti. Die Spielfelder“
Hamburger Kunsthalle (Galerie der Gegenwart)
bis 19. Mai 2013, Öffnungszeiten: dienstags bis sonntags 10 bis 18 Uhr, donnerstags 10 bis 20 Uhr. Weitere Informationen: www.hamburger-kunsthalle.de

Ergänzende Ausstellung:

„Alberto Giacometti. Begegnungen“
Bucerius Kunst Forum
bis 20. Mai 2013, Öffnungszeiten: täglich 11 bis 19 Uhr, donnerstags 11 bis 20 Uhr. Weitere Informationen: www.buceriuskunstform.de

Lesen Sie mehr über beide Ausstellungen:
Doppelt bereichernd: Zwei Hamburger Giacometti-Ausstellungen und
Bucerius Kunst Forum: „Alberto Giacometti. Begegnungen“

 

Tanja Königshagen

Bildquellen

  • giacometti_2: E.W.K., Bern, © Succession Alberto Giacometti (Fondation Alberto et Annette Giacometti, Paris + ADAGP, Paris) 2012
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