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Offener Brief an … Würger-Phone

Wer kennt sie nicht – die nervigen Anrufe, in denen man für irgendein Produkt geworben werden soll. Eigentlich ist Telefon-Werbung inzwischen weitgehend verboten. Doch immer wieder gibt es Unternehmen, die sich nicht daran halten. Unser Autor Andreas Ballnus hat einer solchen – natürlich rein fiktive – Firma einen offenen Brief geschrieben.

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Hallo Würger-Phone,

seit Monaten versuchen Sie, mich telefonisch zu erreichen. Ich weiß das, weil Ihre Nummer regelmäßig im Display meines Telefons zu sehen ist. Und dass die Nummer zu Ihnen gehört, weiß ich wiederum, weil ich einmal zurückgerufen habe. Da hat sich dann eine Bandansage mit Ihrem Namen gemeldet.

Ich bewundere Ihre Ausdauer, bzw. die Ihrer Mitarbeiter. Wirklich! Schon seit über einem halben Jahr bemühen Sie sich darum, mich zu erreichen. Unermüdlich versuchen Sie es an wechselnden Wochentagen und zu den unterschiedlichsten Tageszeiten. Respekt, Respekt!

Übrigens: Einige Male war ich zu Hause, als Sie anriefen. Aber dann sah ich Ihre Nummer und hab‘ mir gedacht: „Ach nö, dass muss jetzt nicht sein. Hab keinen Bock, mit denen zu reden.“ Etwas verärgert war ich allerdings immer dann, wenn Sie samstagmorgens anriefen und mich aus dem Schlaf rissen. Wer es nämlich gut mit mir und auch mit sich selber meint, ruft mich am Wochenende erst nach elf Uhr an. Vorher tun das nur potenzielle Feinde. Daher haben Sie sich mit diesen Anrufen nun wirklich keinen Gefallen getan. Sie können von Glück sagen, dass ich nicht in Kontakt zu irgendwelchen Schlägertrupps, der Mafia oder dem Finanzamt stehe.

Irgendwann habe ich mich dann dazu entschieden, meinen Anrufbeantworter so einzustellen, dass er nach dem fünften Klingeln anspringt. Und Sie haben das wohl mitbekommen, da Ihre Anrufversuche stets nach dem vierten Klingeln aufhören. Das kann ich wiederum gut aushalten – ich drehe mich ein- oder zweimal im Bett herum und schlafe weiter. Irgendwie eine gute Lösung, oder? Sie dürfen weiterhin Ihren Spaß beim Telefonieren haben und ich bleibe inzwischen tiefenentspannt, wenn es zu ungünstigen Zeiten klingelt.

Ich weiß, es ist undankbar von mir, Sie so zu ignorieren. Immerhin wollen Sie nur mein Bestes – also mein Geld. Das klingt jetzt sehr hart, und Sie werden das so auch nie sagen, aber letztendlich läuft es doch genau darauf hinaus. Oder wollen Sie mir wirklich weismachen, dass Sie nur aus reiner Nächstenliebe den Kontakt zu mir suchen? Sicher nicht. Es geht doch darum, dass Sie mir Ihren besonders guten Service anbieten wollen, mit dem ich zukünftig nicht nur telefonieren, sondern auch besser Fernsehen schauen könnte, mehr Kanäle und zusätzlich noch einen schnelleren Internetzugang hätte. Außerdem ist Ihr Angebot selbstverständlich deutlich günstiger als das der Konkurrenz. Stimmt’s? Habe ich Recht?

Einmal hatten wir vor ein paar Jahren so ein Gespräch. Erinnern Sie sich? Damals habe ich Ihnen gesagt, dass ich kein Interesse an einem Wechsel hätte – und zwar grundsätzlich nicht.

Natürlich können Sie sich nicht daran erinnern. Und der unterbezahlte Mitarbeiter des Callcenters von damals, der Ihnen das noch einmal bestätigen könnte, wird sicherlich – zumindest, wenn er ein bisschen Würde hat – schon längst gekündigt haben und jetzt etwas Anständiges machen. Das ist ja auch nicht sonderlich schwer, da schon das Putzen von vollgekackten Rastplatz-Toiletten eine ehrenvollere Aufgabe ist, als fremde Leute telefonisch zu belästigen, um ihnen irgendwelchen Mist andrehen zu wollen.

Damit möchte ich jetzt natürlich keinem Callcenter-Mitarbeiter zu nahe treten. Diese Arbeit ist immerhin noch ein wenig besser, als Omas die Handtaschen zu klauen. Und selbstverständlich ist sie auch löblicher als beim Amt die Hand aufzuhalten. Doch jeder, der dort tätig ist, sollte sich überlegen, wie er möglichst schnell eine sinnvollere Beschäftigung für sich findet.

Doch nun zurück zu Ihnen, liebe Würger-Phones. Da Sie der zentrale TV-Hoflieferant meines Vermieters sind, haben Sie wohl das Recht, mich über neuen Nepp … Entschuldigung, neue Angebote, zu informieren. Angebote, die mich, wie ich schon erwähnte, einen Dreck interessieren. Deshalb werde ich auch weiterhin nicht ans Telefon gehen, wenn ich Ihre Nummer im Display sehe. Außerdem plane ich, mir in Kürze ein neues Telefon anzuschaffen, eines, in dem man ungewünschte Nummern sperren lassen kann – welch tolle Erfindungen es doch gibt, finden Sie nicht auch?

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle vorschlagen, dass Sie mir künftig Ihre Informationen per Post zuschicken. Die Altpapiertonne liegt auf meinem Weg zur Arbeit. Doch andererseits wäre ich in diesem Falle für den unnötigen Tod vieler Bäume mitverantwortlich.

Daher schlage ich Ihnen Folgendes vor: Ich richte für Sie einen eigenen E-Mail-Account ein – Adresse: würger-phone@mülleimer.de. Dorthin können Sie mir dann gerne Ihre wichtigen Infos zuschicken. Ich werde diesen dann die Beachtung zukommen lassen, die sie verdient haben.

Hochachtungsvoll
Ihr
Ich-Will-Nicht-Kunde

 

– Andreas Ballnus —

_________________________

ZUM AUTOR

Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor. Außerdem ist er Gründungs- und Redaktionsmitglied der Stadtteilzeitung „BACKSTEIN“. Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl

Bildquellen

  • Andreas Ballnus: Sebastian Lindau
  • red_296733_640: Clker-Free-Vector-Images / pixabay.com
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