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Verschwörungstheorien

Nicht erst seitdem das Wort „Lügenpresse“ die Runde macht, gibt es Verschwörungstheorien. Vermutlich hat es sie schon immer gegeben. Doch auch Dank des Internets verbreiten sie sich derzeit zunehmend und finden immer mehr Anhänger. Unser Autor Andreas Ballnus schildert eine Möglichkeit, wie man mit diesem Trend umgehen könnte.

kalhh / Pixabay.com

Ich persönlich kann mit Verschwörungstheorien nichts anfangen. Sie wissen schon, es geht um Behauptungen, wie zum Beispiel, dass die erste Mondlandung fingiert gewesen sei. Tatsächlich hätte man alles auf der Erde in einem Filmstudio oder einer Wüste gedreht. Eine andere sagt, dass Elvis immer noch leben würde. Wahrscheinlich hält man ihn im Weißen Haus gefangen, wo er seit Jahrzehnten „Jailhouse Rock“ spielen muss. Und dann gibt es diejenigen, die wissen, dass bereits seit langer Zeit Aliens unter uns leben.

Letzterer Theorie könnte ich mit Blick auf manche meiner Mitmenschen tatsächlich etwas abgewinnen. Aber so bescheuert, wie diese Leute sind, kann kein Alien sein. Sonst hätten sie nie den Weg zur Erde gefunden. Andererseits besteht natürlich die Möglichkeit, dass unser blauer Planet von irgendwelchen fremden Wesen zu einer Art Strafkolonie oder Quarantäne-Lager für durchgeknallte Außerirdische gemacht wurde. Doch das ist ein anderes Thema und wäre dann auch schon wieder eine neue Verschwörungstheorie.

Lange Zeit habe ich mich über diesen Verschwörungsquatsch aufgeregt. Ich konnte es kaum ertragen, wenn wieder mal irgendein Blödsinn dieser Art durch die Medienlandschaft waberte, in Internetforen verbreitet oder auf irgendwelchen Veranstaltungen im allgemeinen Smalltalk kundgetan wurde. Doch diese Haltung hat sich geändert, seit ich eine Gegenstrategie entwickelt habe: Ich erfinde nun selber Verschwörungstheorien. Und das macht richtig Spaß! Auf Partys laufe ich regelrecht zur Höchstform auf, wenn wieder einmal ein Gast den unglaublichsten Schwachsinn als wissenschaftlich erwiesen anpreist. Anstatt mich, wie früher, genervt wegzudrehen und das Buffet leerzufressen, diskutiere ich nun eifrig mit, frage intensiv nach und lenke irgendwann das Gespräch auf eine meiner erfunden Theorien. Seitdem haben solche Abende einen großen Unterhaltungswert für mich.

Ich möchte Ihnen im Folgenden nun einige dieser von mir frei erfundenen Wahrheiten vorstellen:

1. Das Fluchthelferlied

Es geht um den größten Hit der Rock-Gruppe „Karat“ aus der ehemaligen DDR „Über sieben Brücken musst du gehen“.
Nur Eingeweihte wissen nämlich, dass die wichtigste Untergrundgruppe der ostdeutschen Fluchthelfer ihren Hauptsitz in der brandenburgischen Klein- und Kurstadt Bad Liebenwerda in der Straße „An den Siebenbrücken“ hatte. Hier fanden sogenannte „Republikflüchtlinge“ für ihr Anliegen Rat und auch manch tatkräftige Unterstützung. Das Lied „Über sieben Brücken musst du gehen“ war also vor allem eine versteckte Aufforderung, die DDR zu verlassen und sich in jener Straße die notwendigen Hilfen hierfür zu holen.

2. Die geringe Aufklärungsquote bei der Polizei

Die Aufklärungsquote von manchen Straftaten ist katastrophal. Zu nennen sind hier unter anderem der Wohnungseinbruch, Diebstahl und Handtaschenraub. Kaum einer weiß, dass dies System hat. Der Grund hierfür ist nicht die Unfähigkeit der Polizei. Die Wahrheit wird durch einen Wust an Statistiken und fadenscheinigen Erklärungen verschleiert. Im Grunde geht es, wie so oft, ums liebe Geld!

Würde man nämlich genau diese Täter intensiv verfolgen, käme es zu einem Zusammenbruch des Justizapparates, und die Gefängnisse wären hoffnungslos überfüllt. Man müsste eine riesige Anzahl von Richtern und Staatsanwälten neu einstellen sowie größere und viel mehr Gefängnisse bauen. Dies würde aber unser Land in kürzester Zeit wirtschaftlich ruinieren.

Um das zu verhindern, gibt es geheime Anweisungen der Bundesregierung. Darin wird genau festgelegt, welche Delikte intensiv und welche weniger intensiv zu verfolgen sind. Durch Haushaltspläne, Sparmaßnahmen und ähnlichen Instrumentarien werden dann diese Anordnungen auf geniale Art und Weise verschleiert.

3. Kirschkerne

Jeder hat es schon einmal erlebt: Da kauft man ein Glas mit eingemachten Kirschen, die angeblich entkernt worden sind, macht daraus einen leckeren Kuchen oder Nachtisch und beißt dann unversehens doch auf einen Kern. Bei vielen Menschen hat dies bereits zu kaputten Zähnen, abgebrochenen Kronen, gesplitterten Plomben und anderen Zahnverletzungen geführt.

Das sind natürlich keine versehentlichen Produktionsfehler. In einer Zeit, in der man per Satellit aus dem Weltall feststellen kann, wie viele Haare der russische Präsident in den letzten 24 Stunden verloren hat, ist es selbstverständlich möglich, Maschinen zu entwickeln, die dafür sorgen, dass wirklich alle Kirschen in solch einem Glas entkernt sind.

Doch den Einsatz dieser Technik verhindert seit Jahren erfolgreich die Lobby der Zahnärzte. Der Grund hierfür liegt offen auf der Hand: Man möchte sich weiterhin den kleinen Zuverdienst sichern, der durch das unvorhergesehen Beißen auf einen Kirschkern entsteht.

Alles recht plausibel, oder? Doch nichts davon ist wahr. Falls Sie aber wissenschaftliche Untersuchungen kennen, welche die eine oder alle soeben genannten Behauptungen stützen, dann stellen Sie diese gerne ins Netz ein. Informieren Sie mich bitte darüber – ich könnte diese Informationen für den nächsten Smalltalk gebrauchen.

Trotz all meines Spaßes mit den Verschwörungstheoretikern werde ich ihnen aber auch weiterhin mit Vorsicht begegnen. Diese Leute sind mir nicht geheuer. Im Grunde aber tun sie mir ein wenig leid, da sie sich so einfach manipulieren lassen. Denn hinter all diesen Verschwörungstheorien steckt der chinesische Geheimdienst, der auf diesem Weg die westliche Welt verunsichern will, um es China so zu ermöglichen, die Weltherrschaft an sich zu reißen.

Und diese Information ist nicht erfunden. Sie stammt aus einer mir persönlich gut bekannten und höchst zuverlässigen Quelle.

 

– Andreas Ballnus —

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ZUM AUTOR

Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor. Außerdem ist er Gründungs- und Redaktionsmitglied der Stadtteilzeitung „BACKSTEIN“. Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl

Bildquellen

  • Andreas Ballnus: Sebastian Lindau
  • secret_379428_1280: pixabay.com
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Andreas Ballnus erzählt in seiner Kolumne „Kann passieren“ reale Begebenheiten, fiktive Alltagsgeschichten und manchmal eine Mischung aus beidem. Diese sind wie das Leben: mal humorvoll, mal nachdenklich. Die Geschichten erscheinen jeweils am letzten Freitag eines Monats in business-on.de.

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