Ist also beispielsweise bei einem betrieblichen Fahrzeug-Park überhaupt nicht geklärt, ob und welchem der zugriffsberechtigten Mitarbeiter welches Fahrzeug als Dienstwagen zuzurechnen ist, kann der Anscheinsbeweis dem Finanzamt nicht aus der Beweisnot helfen. Dies hat der BFH mit Urteil vom 21.4.2010 in folgendem Fall klargestellt:
Ein Unternehmen verfügte über einen Fahrzeug-Park von sechs Pkws. Den teuersten der Fahrzeuge wollte das Finanzamt dem Sohn des Unternehmers als Dienstwagen steuerlich zurechnen. Nach dem Motto: Nach der Lebenserfahrung liegt es nahe, dass der Sohn des Chefs den kostspieligsten Betriebs-Pkw nutzt – mit der weiteren Konsequenz der 1-Prozent-Besteuerung wegen nicht erfolgter Fahrtenbuchführung. Hier – so der BFH – überstrapaziert das Finanzamt den Anscheinsbeweis. Schließlich greift nicht nur der Junior-Chef, sondern auch einige andere Mitarbeiter auf den Fahrzeug-Pool für betriebliche Zwecke zurück. Es ist also völlig offen, ob der teuerste Pkw der Dienstwagen des Juniors ist. Damit kann ihm gegenüber die 1-Prozent-Besteuerung dieses Pkw erst gar nicht in Betracht kommen.
Der BFH stellte in diesem Zusammenhang klar: Die 1-Prozent-Pkw-Privatnutzungsbesteuerung kommt erst gar nicht zur Anwendung, wenn Betriebsfahrzeuge mehreren Personen lediglich als Pool-Fahrzeuge zur Verfügung stehen und diese Pkw weder einem noch mehreren Mitarbeitern konkret als Dienstwagen zugewiesen sind. Dann können sie ihnen auch nicht (anteilig) zum steuerpflichtigen Privatgebrauch überlassen sein.
(!) Die obersten Finanzrichter haben nur die „vereinfachte“ Zuordnung eines Betriebs-Pkw per Anscheinsbeweis als Dienstwagen abschlägig beschieden, hier die Zuweisung des teuersten Pool-Fahrzeugs gegenüber einem bestimmten Mitarbeiter. Die obersten Finanzrichter haben die Sache an das FG zurückverwiesen, damit es nähere Feststellungen dazu trifft, ob und welches Pool-Fahrzeug dem Junior-Chef – entweder arbeitsvertraglich oder aufgrund einer stillschweigenden Nutzungsvereinbarung – tatsächlich als Dienstwagen und damit auch für den Privatgebrauch überlassen worden ist.
(Tipp) Aber selbst dann, wenn eine stillschweigende Nutzungsüberlassung als Dienstwagen festgestellt würde, lässt sich der Anscheinsbeweis der Privatnutzung gegebenenfalls widerlegen – so etwa mit einem vom Arbeitgeber kontrollierten Privatnutzungsverbot und mit einem beim Nutzungsberechtigten vorhandenen gleichwertigen Privatfahrzeug. Darauf wies der BFH vorsorglich das Finanzgericht hin. Auch hier hätte der Unternehmersohn gute Chancen, der 1-Prozent-Besteuerung zu entgehen. Denn er verfügte über zwei Privatfahrzeuge, darunter einen hochpreisigen Pkw desselben Typs.
BFH, Urteil vom 21.4.2010, Az. VI R 46/08; GmbH-Stpr. 2011, S. 10 – Bestell-Nr. GT 1/11-
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