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Handeln im Basar – Orient-Prüfung beim Teppichkauf

Wenn wir in Düsseldorf einen Teppich kaufen, können wir höchstens mit einem kleinen Rabatt rechnen. Unser Kolumnist halbierte den Preis für zwei Kelims in einem Teppichgeschäft beim echt orientalischen Handel im marokkanischen Marrakech.

jamin

Es ist ja bekannt, dass es zu den schwierigsten Vergnügungen überhaupt gehört, einen Teppich in einem Basar zu kaufen. Der Orient erfordert ohnehin schon von uns Westeuropäern eine gehörige Portion Mut und Gelassenheit, wenn wir uns dem wuseligen, oft auch aufdringlich-lauten Leben in einer Stadt wie Istanbul, Bagdad oder Teheran stellen.

Ich habe also beschlossen, im Basar von Marrakech einen Kelim zu kaufen. Das ist ein Teppich, der von den Berberinnen Marokkos in Handarbeit hergestellt wird. Schon seit Jahrhunderten fertigen Nomaden an kleinen Webstühlen meist aus Schafswolle diesen Wandschmuck, Türbehang oder Bodenbelag. Die Muster sind meist sehr schlicht, gefärbt wird die Wolle mit Pflanzen oder Mineralien, die in der Umgebung gefunden werden.

In meinem Reiseführer „City-Trip Marrakesch“ wurde mir nun ein Geschäft empfohlen, dass als fair im Umgang mit Touristen gelten sollte. Zitat: „Keine Touristenanmache, sehr freundlich, faire Preise.“

Im Angebot: Tee. Kaffee. Wasser. Humor.

Was dort nicht stand: Handeln ist auch hier unumgänglich! Kaum hatte ich den Laden betreten, wurde ich gebeten, auf einer Bank Platz zu nehmen und es mir gemütlich zu machen. Ich wurde begrüßt wie ein alter Bekannter. Tee? Kaffee? Wasser?

Ahmed, so stellte sich der Händler vor, zeigte auf die hoch bis zur Decke gestapelten Teppiche und fragte augenzwinkernd, welchen davon ich mir denn ansehen möchte. Keine Frage, Ahmed hatte Humor.

Ich erzählte ihm, dass ich auf der Suche nach einem Kelim sei, der im Sommer meinen Balkon ein wenig verschönern und einer kleinen Sitzgruppe zu mehr Gemütlichkeit verhelfen sollte. Christel, meine persönliche Stilberaterin und Dekorateurin von Beruf, fand diese Idee auch prima, und so suchte ich jetzt also einen Kelim in passender Große von 1×3 Metern.

Der Händler belehrte mich, dass es nur Kelims von etwa 1×2 oder 2×3 Metern gebe und ich entschied ich mich für den kleineren.

Wie sich später herausstellen sollte, hatte ich dem schlauen Händler aber nun verraten, welchen Raum ich auszufüllen gedachte. Er präsentierte mir Teppich über Teppich auf dem Boden vor mir. Er überschüttete mich geradezu mit Teppichen, einer farbenfroher und an Mustern prächtiger als der zuletzt gezeigte.

Meine Wahl fiel schon bald auf einen Teppich mit einem extravaganten, konstruktivistischen Muster, der meiner Leidenschaft für den Konstruktivismus in der Malerei nahekam.

Jertzt geht’s erst richtig los: Das große Feilschen kann beginnen…

Nun ging es in die schwierigste Runde. Wie viel forderte der Händler für das gute Stück? Ich hatte mir überlegt, dass ich für den Teppich etwa 100 Euro, also rund 1000 marokkanische Dirham, bezahlen wollte. So würde ich hoffentlich noch einen guten Handel machen gegenüber einem Kauf in einem Düsseldorfer Teppichgeschäft.

3900 Dirham, also etwa 390 Euro war das erste Angebot von Ahmet. Ich hatte gelesen, dass man mit etwa einem Drittel des vorgeschlagenes Preises beim Handel in einem Basar beginnen sollte. Ich stapelte zur Sicherheit noch etwas tiefer und bot 1000 Dirham.

Ahmed zeigte mir nun sein traurigstes Gesicht: Bei diesem Preis hätte er nicht einmal den Einkauf der Ware heraus.

Er lobte nun die Qualität des Kelims, die ich ihm gerne bestätigte. Ich musste die dichte Webart der Fäden zwischen den Fingern fühlen. Er wies daraufhin, dass man diesen Teppich von beiden Seiten benutzen könne, weil Kelims entsprechend angefertigt werden. Auch erzählte er mir von der Berberfamilie, die im hohen Atlasgebirge in der Einsamkeit lebe und nur sehr wenige solcher schönen Kelims herstelle.

Er senkte den Preis schließlich auf 3000 Dirham, doch ich blieb hart und nannte 1200 Dirham als Gegenangebot.

Nun müsse er den Chef holen, sagte Ahmed, ich sei ja so verhandlungsstark wie ein Einheimischer.

Ahmed empfahl mir, ich solle mich doch in der Zwischenzeit im Haus umsehen. Fühlen Sie sich wie in Ihrem eigenen Zuhause.

Ich hatte es also nun mit zwei Gegnern zu tun, dachte ich. Das war nicht gerade fair. Man fühlt sich ein wenig wie in die Zange genommen. Wenn man den ersten Gegner ausgeschaltet oder zumindest ermüdet hat, kommt eine frische Kraft – nun auch noch der Anführer.

Ich wanderte durch das Haus. Über dem Verkaufsraum befanden sich noch zwei weitere Etagen gefüllt mit Teppichen jeder Größe, Machart und Farbe. Hunderte, wenn nicht sogar tausende Teppiche lagerten hier.

Zurück im Verkaufsraum kündigte mir Ahmed das Kommen seines Chefs an und präsentierte mir zur Überbrückung gegen die Langeweile noch weitere wirklich schöne Kelims.

Doch ich hatte mich auf den Kelim mit dem konstruktivistischen Muster in vielerlei gedeckten Rot- und Braun-Tönen festgelegt. Er war nicht so farbenfroh wie andere Teppiche, doch dafür auch nicht so empfindlich.

Ahmed bestätigte meine Wahl und fabulierte: „Ein Teppich wie von Picasso.“

Die neue Strategie: Aus eins mach zwei

Der Juniorchef, Ali, begrüßte mich auch, als würde er mich schon lange kennen. Ich zeigte ihm den Bericht über sein Geschäft in meinem Reiseführer. Das freute ihn zwar, sorgte jedoch nicht für einen Preisnachlass.

Er hatte nun noch eine ganz neue Strategie und ließ einen weiteren Teppich ausrollen, der nicht nur in der gleichen Größe wie mein Traumstück vor mir lag, sondern auch noch ähnliche Muster und Farben aufwies. Wie viel ich denn für beide Teppiche geben würde, fragte er.

Ali hatte erkannt, dass jemand, der einen 3 Meter langen Teppich suchte, vermutlich auch Interesse an zwei Teppichen haben würde, die jeweils nur zwei Meter lang waren.

Ich fand mich auch sehr schnell damit ab, zwei Teppiche zu kaufen, wollte aber diesen Doppelkauf erst später als Vorteil in den Handel einbringen.

Ali kam mir nun zuvor: 7500 Dirham für beide Teppiche. 2300 Dirham bot ich ihm nun wiederum an. Und nun verzog auch Ali schmerzhaft das Gesicht. Doch statt nun noch einmal Qualität und Seltenheit seiner Ware anzupreisen, setzte er zum harten Handelsmarathon an. Er holte einen etwa zwei Handflächen großen Taschenrechner von seinem Schreibtisch und tippt einige Zahlen ein: 7000.

Letzter Preis. Allerletzter Preis. Allerallerletzter Preis. Wirklich Allerallerletzter Preis!

Dann reichte er mir das Gerät. Ich tippte 2500. Er tippte 6200. Ich tippe 3000. Er tippe 5500.

„Dein letzter Preis“, fragte er, „wie viel?“

Ich tippte 3500. Er schüttelte den Kopf und tippte 5000.

Ich hatte ja schon öfter von den schwierigen Verhandlungen mit orientalischen Teppichhändlern gelesen und es immer vermieden, mich auf so ein Geschäft einzulassen. Jetzt befand ich mich mitten im Gefecht und lief Gefahr zu verlieren. Meine Grenze, maximal ein Drittel des vorgeschlagenen Preises zu bezahlen, hatte ich bereits überschritten. Darüber hinaus bot ich gerade für zwei Teppiche statt für einen.

„Dein letzter, letzter Preis“, fragte Ali. „Dein letzter Preis? Wieviel?“

4000 tippte ich und bestätige ihm dann: „Mein letzter, letzter Preis.“

Ich machte eine Bewegung meinen Rucksack von der Bank zu nehmen. Ich spürte, dass ich nun an einer Zahlgrenze angelangt war.

4500 tippen Ali: „Okay? Okay?“

Jetzt geht es ans Eingemachte, dachte ich. Das letzte Gefecht.

„Last Preis?“

Ich tippte 4200 in den Großtaschenrechner in Alis Hand.

Ali zögerte. Sein Gesichtsausdruck entsprach nun dem eines Bedenkenträgers ähnlich wie wir ihn aus vielen TV-Nachrichten von Politikern kennen, die dem Volk eine schwerwiegende Entscheidung bekanntgeben müssen.

Zwei zufriedene Menschen verabschieden sich…

Dann reichte mir Ali seine Hand. Handschlag. Geschäft gemacht. Zwei Kelims für 4200 Dirham, also für umgerechnet – wie ich später feststellte – exakt 383,14 Euro nach aktuellem Tageskurs.

Ich war zufrieden, zumal das Geschäft im Basar für mich einen großen Vorteil hatte: Ich besaß nun zwei Kelims ganz genau nach meinem Geschmack, und ich hatte darüber hinaus meine Meisterprüfung beim orientalischen Handel bestanden.

Um eine wichtige Erfahrung reicher, lehnte ich das Angebot, einen weiteren Teppich von 3×4 Metern in ähnlicher Picasso-Machart zu kaufen, ab, versprach aber, im nächsten Jahr wieder zu kommen.

Nun wusste ich ja, dass man den großen Taschenrechner von Ali noch zurückhaltender bedienen sollte, als ich es gemacht hatte.

Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…
                                        Ihr Peter Jamin

Unser Autor arbeitet als Schriftsteller und Publizist sowie als Berater für Kommunikation seit Jahrzehnten immer wieder auch für ausgewählte Projekte. Sein soziales Engagement gilt der Situation von Angehörigen vermisster Menschen, auf deren Situation er in Büchern, TV-Dokumentationen und Artikeln seit mehr 20 Jahren aufmerksam macht. Mehr unter www.jamin.de

 

Peter Jamin

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