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Gehören Querdenker in die Acht?

QUERGEDACHT: DIE TUCHEL-KOLUMNE

Wird „Querdenken“ zum Unwort?

Sich neu zu erfinden, das wird sowohl im privaten als auch im beruflichen Bereich durch die Bank weg positiv gesehen. Um sich privat neu zu erfinden, reicht manchem ein neuer Kleidungsstil, ein neues Hobby oder ein Austausch des Lebensabschnittsgehilfen. Wer sich beruflich neu erfindet, tut dies, um seine Marktposition zu halten oder zu verbessern. Letzteres hat auch die Wirtschaftsplattform business-on mit ihrem Relaunch gerade getan. Anlässlich dieses technischen Umsturzes und neuen Designs habe ich mir ernsthaft Gedanken gemacht, meine seit sechs Jahren erscheinende Quergedacht-Kolumne in einem Abwasch umzubenennen. Denn Querdenker haben sich aktuell die Coronaleugner getauft, die Aluhütchenträger und die ewig gestrigen Anhänger der rechten Szene. Und gegen diese Gruppen gehen Parteien, Gewerkschaften und Kirche gemeinsam in Stellung oder noch besser mit Maske und AHA-Regeln auf die Straße wie gestern bei „Düsseldorf stellt sich quer“.

Vor Corona war das Querdenken etwas Beliebtes. Aber Sprache ändert sich nun einmal. Ich bin Sprachwissenschaftlerin genug, um solche Veränderungen zu verstehen.  Da das Volk der Dichter und Denker sich natürlich nicht gegen Wort „denken“ quer stellen will, muss sich der gesammelte Unmut folgerichtig an der Vorsilbe „quer“ entzünden.

Vieles läuft nur quer

Ein Blick in den Duden zeigt, welche Begriffe im Umfeld von Querdenken ebenfalls auf die No-Go-Wording-Liste gehören, z. B. „querkommen, querlegen, querschreiben, querschießen, quergehen“ sowie die Redewendung „kreuz und quer“. Nach diesem Befund könnte man fast auf die Seite der Querdenker-Gegner wechseln, denn wer einem quer kommt, dem sollte man sich auf jeden Fall in die Quere stellen. Deutsche haben zudem seit jeher die Neigung, ihre Gesinnung über gründliche Sprachsäuberungen kundzutun. Konsequent betrachtet würde dies auch die Querachsen betreffen. Laut Wikipedia-Definition ist eine Querachse „die Körperachse, die quer zur längsten Ausdehnung eines Körpers oder zur normalen Bewegungsrichtung eines Fahrzeuges steht“. Dass diese Achse quer zur normalen Bewegungsrichtung steht, sollte keinesfalls dazu führen, dass sie aus Fahrzeugen und Flugzeugen entfernt wird.

Und was ist mit den Quereinsteigern? Vor Kurzem waren sie doch noch die Guten. Da ging es darum, für weniger Geld bei gleicher Arbeit den Lehrermangel in Deutschland aufzufangen. Aktuell sind die Quereinsteiger in der Intensivpflege besonders hoch angesehen. Spätestens an dieser Stelle ist klar, dass für das in Misskredit geratene Wörtchen „quer“ ein neues, ein besseres her muss. Mein Vorschlag: Wir ersetzen – mit Ausnahme der Coronaleugner  und ähnlich Gesinnter –  in allen anderen Zusammenhängen „quer“ einfach durch „cross“. Auf Englisch klingt alles sowieso gleich besser, eleganter und smarter. Aber was wird dann aus meiner Kolumne „Quergedacht“? Ihr neuer Titel wäre dann „Thinking outside the box“. Aber das gefällt mir überhaupt nicht und darum denke ich nicht nur in dieser Kolumne weiterhin quer.

Susan Tuchel

 

 

Susan Tuchel

Susan Tuchel, Journalistin, Autorin und PR-Beraterin in Düsseldorf, nimmt gesellschaftliche Trends, politische und wirtschaftliche Entwicklungen ins Visier. Ihre Kolumne, mal sachlich und nüchtern, mal emotional oder scharfzüngig, erscheint exklusiv jeden ersten Montag im Monat bei business-on.

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