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Jamin-Kolumne: Fotograf Sohn & Model Jamin

Auf einen Cappuccino: Die Jamin-Kolumne

Peter Jamin und Wolfgang Sohn

In der vergangenen Woche berichtete ich in meiner Kolumne an dieser Stelle über die Präsentation des Bildbands „Distance“ des Fotografen Wolfgang Sohn in meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf. Und ich kündigte an, dass ich meine Betrachtung über die interessanten Beziehungen zwischen Fotograf und Model, die in dem Buch gedruckt ist, heute auf dieser Website veröffentlichen würde. Bitte sehr!

Mein Text „Fotograf & Model“

aus dem Bildband „Distance“

Es gibt Menschen, die fürchten, dass Fotografen ihnen mit einem Bild die Seele rauben. Wer in Wolfgang Sohns Studio im Düsseldorfer „stilwerk“ als Model vor die Kamera tritt, muss solche Angst nicht haben.

Vor meiner Fotosession überlegte ich, einige Requisiten mitzunehmen. Aber was hat ein Schriftsteller zu bieten?! Außer seinem Kopf. Und seine Bücher. MacBookAir. iPad. iPhone. iWatch. Notizbuch von Moleskine und Schreibgerät von Montblanc.

Viel bedrucktes Papier

Ich entschied mich für die Bücher. Rollte in meinem Reisekoffer 32 Bücher ins Fotostudio, die ich in den vergangenen Jahrzehnten solo oder mit Kolleg*innen gemeinsam geschrieben habe. Es kommt halt viel bedrucktes Papier zusammen, wenn ein Autor ein wenig fleißig ist und viele Ideen und ein breites Arbeits- und Interessenfeld hat. 11,7 Kilogramm Papier und Druckerschwärze.

Ein Autor als Model. Wolfgang Sohn hat viele Fotos von mir gemacht. Zwei Stunden Fotosession. Auch er hat sich für die Bücher entschieden. Und für meinen Kopf. Passt ja. Noch vor dem Schreiben hat Gott dem Dichter das Denken gegeben. Ohne Hirn geht gar nichts.

Jedes Klicken ein Befehl

Angenehm, wie Wolfgang arbeitet. Leise, knappe Anweisungen. Blick nach oben. Nach rechts. In die Kamera sehen. Position wechseln. Doch jedes Klicken der Kamera wirkt scharf wie ein Befehl.

Ein Befehl? Ja. Das Fotostudio ist ein kreatives Machtzentrum. Karge Dekoration, doch viele Instrumente, die manche Menschen einschüchtern können. Kameras. Objektive. Scheinwerfer. Stative. Jede Bewegung der Kamera, jeder Blitz der Studioleuchten fordert das Model heraus. Gesten und Mimik im Sekundentakt für die Ewigkeit.

Das Ringen um Haltung

Fotos sind mehr als Momentaufnahmen. Wenn Fotograf und Model miteinander arbeiten, ringen sie um die perfekte Haltung wie Schauspieler auf der Bühne. Da wird aus einer Fotosession manches Mal ein Spiel um Macht und Unterwerfung.

Dabei gilt zu bedenken: Nicht nur der Fotograf, auch ein Model hat eine große Kraft. Etwa einen Menschen zu einem kreativen Hoch zu beflügeln. Ich erinnere mich, dass sich Emil Schult einst unsterblich in ein Fotomodel verliebte. Gut, der Mann war kein Fotograf. Er war Musiker von „Kraftwerk“, der Düsseldorfer Band. Seine große Leidenschaft brachte er in drei Minuten und neununddreißig Sekunden zum Ausdruck. „The Model“, ein Lied, ein Welterfolg: „Ihr neues Titelbild ist einfach fabelhaft / Ich muss sie wieder seh’n, ja sie hat‘s geschafft …“

Kamera wie eine Lupe

Die Kamera des Fotografen ist eine Lupe. Sie legt Faszination offen, enthüllt Charaktere, leuchtet Schwächen wie Stärken aus. Die Bilder von heute verstärken das Ergebnis noch durch ein Zusammenspiel vieltausender Pixel. Je mehr Bildpunkte, desto feiner, desto enthüllender die Darstellung. Je weniger Pixel, desto verschleiernder, desto geheimnisvoller das Objekt.

Fotos sind Erinnerungen. Wenn der Fotograf sein Foto schon lange vergessen hat, bleibt es für ein Model oft noch viele Jahre von Bedeutung. Der große Schriftsteller Erich Kästner sagte über das Foto: „Dann ist doch jemand im Zimmer, mit dem man reden kann und der nicht stört.“ Selbstgespräche – warum nicht!?

Beweis vergänglicher Existenz

Für ein Model bleibt das Foto der ewige Beweis seiner – vergänglichen – Existenz. Ein Model, das nach zwei oder drei Stunden das Fotostudio wieder verlässt, ist sich ein wenig mehr seiner selbst bewusst geworden. Es besitzt nach der Fotosession über Körper und Geist hinaus nicht mehr nur eine Seele, sondern auch eine erweiterte Identität. Bei Wolfgang Sohn in schwarz-weiß.

Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…

Ihr Peter Jamin

 

Peter Jamin (© Michael Seelbach)

Peter Jamin arbeitet als Schriftsteller und Journalist. Er veröffentlichte – neben Kolumnen und Artikeln – mehr als 30 Bücher zu gesellschaftlich relevanten wie unterhaltsamen Themen. Darüber hinaus arbeitete er als Autor und Regisseur von Fernsehdokumentationen und -serien. Etliche Bücher schrieb er als Ghostwriter prominenter Zeitgenossen. Mit seinem Schwerpunktthema „Vermisst“ befasst er sich seit rund 30 Jahren; unterhält auch ein „Vermisstentelefon“ zur Beratung von Angehörigen Verschwundener. Ausgezeichnet wurde Jamins Arbeit u.a. mit dem „GdP-Stern“ der Gewerkschaft der Polizei „in besonderer Würdigung seiner herausragenden journalistischen Leistungen“. Infos zum Autor unter jamin.de.

Bildquellen

  • Peter Jamin: Michael Seelbach
  • Peter_Jamin Wolfgang_Sohn: Michael Seelbach
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