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Jamin-Kolumne: Viel Streit mit „Offenen Briefen“

Auf einen Cappuccino: Die Jamin-Kolumne

Screenshot Frankfurter Allgemeine Zeitung

Einen Streit per „Offenen Briefen“ zu führen ist in Mode gekommen. Ob in der Schlagzeilen-starken Bundespolitik, auf kommunaler Ebene oder beim privaten Engagement – der Streit mit „Offenen Briefen“ hat Konjunktur. Wer hätte das gedacht in Zeiten von Social Media.

Twitter ist für den schnellen, kurzen Schlagabtausch. Facebook-Posts sind für breite, öffentliche Aufmerksamkeit gut. Doch „Offene Briefe“, in Printmedien gedruckt und auf Websites digitalisiert, sind die seriöse, elegante Variante eines öffentlich geführten Streits.

Streit: Philosoph Prechtl

Sie haben es bereits schon dreimal getan. Einen „Offenen Brief“ an Deutschland und Bundeskanzler @OlafScholz geschrieben. Zum dritten Mal veröffentlichten deutsche Intellektuelle jüngst einen „Offenen Brief „: Gegen Waffenlieferungen an die Ukraine. Für Verhandlungen mit dem Aggressor Russland.

Diesmal schrieben Philosoph @RichardDavidPrecht & Schriftstellerin @JudithZeh & andere deutsche, prominente Geistesgrößen in der Wochenzeitung „Die Zeit“. Sie forderten, den Frieden auf dem Kontinent wiederherzustellen und ihn langfristig zu sichern. Medienredakteur @MichaelHanfeld kommentierte in der FAZ den Aufruf in der „Zeit“ kurz darauf so: „Frieden schaffen ohne Ahnung.“

Streit: Feministin Schwarzer

Auch ich selbst habe vor wenigen Wochen erst einen „Offenen Brief“ an @AliceSchwarzer geschrieben. Ich habe das Gefühl, dass sie sich nicht mehr sonderlich stark für die Interessen der Frauen engagiert. Dabei ging es um mein jahrzehntelang bearbeitetes, journalistisches Spezialgebiet – dem spurlosen Verschwinden von jährlich mehr als 100.000 Bundesbürger*innen.

Ich hatte Schwarzer – vergeblich und wiederholt – gebeten, sich einmal in ihrem Magazin Emma um die Situation der Frauen unter den Angehörigen von Vermissten zu kümmern. Unter den jährlich mehr als 500.000 Angehörigen von Vermissten allein in Deutschland sind es überwiegend Frauen und Mädchen, die von einer Stunde zur anderen von organisatorischem und psychischem Chaos in ihrem familiären Leben betroffen sind.

Streit: Ukrainer*innen

Darüber hinaus hatte sich Alice Schwarzer in einem eigenen „Offenen Brief“ in ihrem Magazin Emma gegen Waffenlieferungen an die Ukraine einsetzt. Unter den 28 Unterzeichner*innen waren nur deutsche Intellektuelle. Nicht eine Ukrainerin.

Ich frage Alice Schwarzer: Was halten denn wohl die Ukrainerinnen von Verhandlungen mit Russland? Von Kapitulation? Von einem Stopp der Waffenlieferungen? Es gibt doch Stimmen von ukrainischen Intellektuellen. Beispielsweise in der TAZ vom 16. Juni 2022. Da schreiben Ukrainer*innen einen „offenen Brief“ an die „deutsche Zivilgesellschaft“: „Das, worum wir kämpfen, ist die Zukunft eines freien Europas. Seid euch selbst treu, entscheidet euch für die richtige Seite und handelt – jetzt.“

Streit: DUS-OB Geisel

Und auch in meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf findet in dieser Woche ein „Offener Brief“-Streit statt. Da beklagt sich der ehemalige Oberbürgermeister @ThomasGeisel nicht ohne Grund über den amtierenden Oberbürgermeister @StephanKeller.

In einem „Offenen Brief“ an das aktuelle Stadtoberhaupt beschwert er sich, dass er nicht zu „der Veranstaltung zum Auftakt der Düsseldorfer Aktivitäten für die Fußball-Europameisterschaft 2024, die heute Abend im Innenhof des Rathauses stattfinden wird“, eingeladen wurde. Geisel gehörte zu den Initiatoren der Düsseldorfer Beteiligung.

Streit: DUS-OB Keller

Medien wie die Rheinische Post, Matador unter den lokal-regionalen Medien, haben sich des Streits der Düsseldorfer Oberbürgermeister angenommen. DUS-Oberbürgermeister Kellers Konter: Grundsätzlich kommentiere die Stadt nicht die Gästelisten zu ihren Veranstaltungen. Einladungen würden nach Relevanz entschieden. Es wäre nicht um ein Dankeschön für vergangene Leistungen, sondern um Zukunftsfragen gegangen.

Für Geisel offensichtlich kein Grund ihn zu schneiden: „Großzügigkeit – „jönne könne“ – gehört zu den vorzüglichsten Charaktereigenschaften hier im Rheinland. Ich bedaure sehr, dass Dir dieses Talent offenbar nicht gegeben ist. Da ich nicht möchte, dass der Eindruck entsteht, ich hätte eine Einladung des Oberbürgermeisters missachtet und die heutige Veranstaltung ‚geschwänzt‘, erlaube ich mir, dieses Schreiben öffentlich zu machen.“

Streit: Kolumnist Markwort

Einen „Offenen Brief“ schrieb auch der ehemalige Geo-Chefredakteur @PeterMatthiasGaede an den ehemaligen Focus-Chefredakteur @HelmutMarkwort. Der hat in seiner Focus-Kolumne „Tagebuch“ damit geprotzt, die Energie-Spartipps vom grünen Energie-Minister @RobertHabeck zu ignorieren.

Der Kolumnist mit dem „Alte, weiße Mann“-Image wolle weder an Duschwasser noch an Lufthansa-Flügen sparen. Gaede fand die richtige Antwort: „Soll aussehen wie ein Widerstandsakt gegen den vermeintlichen Obrigkeitsstaat. Ist aber nichts anderes als der „ist-mir-doch-egal“-Egoist, der da aus Ihnen spricht (…) Es ist dumpf. Es ist dumm.“

Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…

Ihr Peter Jamin

 

Peter Jamin (© Michael Seelbach)

Peter Jamin arbeitet als Schriftsteller und Journalist. Er veröffentlichte – neben Kolumnen und Artikeln – mehr als 30 Bücher zu gesellschaftlich relevanten wie unterhaltsamen Themen. Darüber hinaus arbeitete er als Autor und Regisseur von Fernsehdokumentationen und -serien. Etliche Bücher schrieb er als Ghostwriter prominenter Zeitgenossen. Mit seinem Schwerpunktthema „Vermisst“ befasst er sich seit rund 30 Jahren; unterhält auch ein „Vermisstentelefon“ zur Beratung von Angehörigen Verschwundener. Ausgezeichnet wurde Jamins Arbeit u.a. mit dem „GdP-Stern“ der Gewerkschaft der Polizei „in besonderer Würdigung seiner herausragenden journalistischen Leistungen“. Infos zum Autor unter jamin.de.

Bildquellen

  • Peter Jamin: Michael Seelbach
  • Screenshot Frankfurter Allgemeine Zeitung Precht: Screenshot Frankfurter Allgemeine Zeitung by Jamin
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