Profitieren können Steuerzahler von einer positiven Entscheidung aus Karlsruhe aber in der Regel nur, wenn sie sich zuvor rechtzeitig gegen die umstrittenen Punkte gewehrt und ihre Steuerbescheide offengehalten hatten. Denn sofern das BVerfG eine Norm für nichtig erklärt, bleiben nicht mehr anfechtbare Steuerbescheide hiervon unberührt. Der Bescheid kann nur noch dann aufgehoben oder geändert werden, wenn
- der entsprechende Steuerbescheid – etwa bei vielen Unternehmern – unter Vorbehalt der Nachprüfung steht und noch nicht verjährt ist,
- das Finanzamt noch gar keine Festsetzung vorgenommen hat,
- der Steuerzahler noch gar keine Erklärung eingereicht hat,
- das Finanzamt den Streitpunkt – wie etwa beim häuslichen Arbeitszimmer – vorläufig festsetzt oder
- der Bescheid rechtzeitig mit einem Rechtsbehelf angefochten worden ist.
Der BFH hatte mit Urteil vom 12.5.2009 entschieden, dass die Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer Steuernorm weder eine neue Tatsache noch ein rückwirkendes Ereignis darstellt und somit nicht die Durchbrechung der Bestandskraft eröffnet (Az. IX R 45/08). Dies hat das BMF mit Schreiben vom 28.7.2010 ebenfalls klargestellt (Az. IV A 3 – S 0062/08/10007-08). Alle Rechtsnormen sind bis zu ihrer Aufhebung oder einer gerichtlichen Entscheidung als gültig zu behandeln und ein Steuergesetz verliert seine Bindungswirkung erst dann, wenn seine Nichtigkeit durch das BVerfG festgestellt wurde. Nur wenn Bürger oder Unternehmer die verfassungswidrige Steuer noch nicht bezahlt haben, darf der Fiskus keine Vollstreckungsmaßnahmen mehr durchführen.
Es ist daher ratsam, den eigenen Fall mittels Einspruch und Verweis auf ein anhängiges Verfahren offenzuhalten, sofern die beanstandeten Punkte nicht vorläufig festsetzt werden. Eine besondere Begründung ist dabei nicht erforderlich, die Angabe des Aktenzeichens reicht völlig aus, wenn der Streitpunkt mit dem persönlichen Steuerfall vergleichbar ist. Dann ruht der Einspruch so lange, bis BVerfG, BFH oder EuGH endgültig entschieden haben. Ein weiterer Vorteil ist, dass der Fall nicht verjährt, solange über den Einspruch noch nicht entschieden worden ist. So hat es z.B. von der Gesetzesänderung bei der Spekulationsfrist Anfang 1999 bis zur Entscheidung des BVerfG Mitte 2010 mehr als elf Jahre gedauert, die reguläre Verjährungsfrist beträgt aber nur vier Jahre.
VSRW-Verlag
