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Recht & Steuern

Mediation ist nichts für „Weicheier“

Was genau ist Mediation? In einem der Seminare „Schlüsselkompetenzen für Jura-Studierende“ von Friederike Matheis an der Leibnitz Universität Hannover berichtete einer der Studenten, der einen studienbegleitenden Job in einer Anwaltskanzlei hat, dass er die Behauptung eines seiner Arbeitgeber-Rechtsanwälte überprüfen wolle, dass „Mediation doch nur etwas für Weicheier“ sei.

Foto: rawpixel / Pixabay.com

Was also ist MEDIATION?

Ein Wort, dass viele inzwischen schon gehört haben, manche mit „Meditation“ verwechseln, aber oft nicht wirklich wissen, was sich genau dahinter versteckt. Dieses Geheimnis möchte ich hier lüften.

Mediation ist ein professionelles Konflikt-Lösungsverfahren, das einer Struktur und Regeln folgt. Das Mediationsverfahren ist seit 2012 gesetzlich geregelt; darüber hinaus die Rolle, Pflichten und Ausbildung des „Zertifiztierten Mediators“ seit 2017.

Das Mediationsverfahren besteht aus fünf Arbeitsphasen, Gesprächs- bzw. Verhandlungseinheiten, die als letzte Phase die Formulierung einer einverständlichen Abschlussvereinbarung der Konfliktparteien zum Ziel hat.

Das Mediationsverfahren wird geleitet und geführt von einem/r professionellen ausgebildeten MediatorIn. Die Berufsbezeichnung „MediatorIn“ ist nicht geschützt. Mediator kann sich jeder nennen, ebenso wie „Coach“. Aber: Aufgrund einer Rechtsverordnung zum Mediationsgesetz von 2012 gibt es seit September 2017 im Interesse des Verbraucherschutzes die rechtliche Regelung der Voraussetzungen für den „Zertifizierten Mediator“. Dieser muss eine entsprechende intensive Ausbildung (von mindestens 120 Ausbildungsstunden) und darüber hinaus supervidierte Praxisfallbearbeitungen nachweisen können. Der/die zertifizierte MediatorIn muss sich, ähnlich wie Fachanwälte, durch Teilnahme an entsprechenden Fortbildungs-Seminaren regelmäßig weiterbilden.

Die Mediation soll zwischen (mindestens zwei) Streitparteien eine Lösung herbeiführen, die für beide Streitparteien aus dem Konflikt heraus gewinnbringend ist: Win-win-Prinzip, anstatt das vor Gerichten geltende Gewinner-Verlierer-Prinzip. Die Mediation soll die Konfliktparteien entlastet und befriedet in die Zukunft blicken lassen.

Mediation macht immer dann Sinn, wenn die Konfliktparteien ein über den Streit und Trennungen hinausgehendes, in die Zukunft gerichtetes gemeinsames Interesse haben.

Das kann im Geschäftsleben zum Beispiel der Erhalt der Geschäftsbeziehung über den gegenwärtigen Streit hinaus sein, oder der Erhalt von Kunden, wichtigen Mitarbeitern oder Zulieferern. Oder die Wahrung des guten Rufes der beteiligten streitenden Unternehmen. Auch für Trennungskonflikte in Gesellschaftsauflösungen oder in Nachfolgekonflikten ist Mediation sehr sinnvoll.

Im Privatbereich ist besonders bei Trennungen und Scheidungen eine Mediation hilfreich, vor allem dann, wenn die Parteien gemeinsame Kinder und gemeinsames Vermögen haben. Oder wenn familiäre Beziehungen wie in familiären Erbstreitigkeiten betroffen sind.

Auch aus vernünftigen Gesichtspunkten der Kosten- und Zeitersparnis gegenüber einem Prozessverfahren macht Mediation sehr häufig Sinn. Oder wenn die Wahrung von Geschäftsgeheimnissen, die in einem öffentlichen Gerichtsprozess bekannt werden könnten, auf dem Spiel stehen.

Die Mediation ist kein Schiedsverfahren. In der Mediation ist der/die MediatorIn als Verhandlungsführer dritte/r Verfahrensbeteiligte/r – allerdings überparteilich und neutral – und steht den Konfliktparteien auf Augenhöhe gegenüber. Er führt lediglich mit der Gesprächsführungsautorität die Verhandlungen, aber er entscheidet nicht über die (Rechts-)Standpunkte der Parteien, die selbstverantwortlich und freiwillig an der Mediation teilnehmen. Demgegenüber entscheidet der Prozessrichter bzw. der Schiedsrichter als Verfahrensautorität über die Parteien, auch wenn sie nicht einverstanden sind. Die Mediationsparteien können das auf dem Prinzip der Freiwilligkeit basierende Mediationsverfahren jederzeit beenden.

Der Sinn der Mediation ist, dass der Konflikt in der Weise genutzt wird, um neue Ideen und Lösungen zu finden, die den Interessen und Bedürfnissen beider Parteien gerecht werden. Es geht nicht darum wer Recht hat, sondern darum, was geht. Was funktioniert.

Wer so verbittert ist, dass er seinem Konfliktpartner auf gar keinen Fall einen Mit-Gewinn gönnen kann, für den ist die Mediation nichts. Der wird lieber vor Gericht „Win-Lose“ spielen. Natürlich mit dem Risiko, dass er/sie selbst der „Loser“ ist.

Je höher der Streitwert eines (Rechts-)Streites ist, umso kostengünstiger stellt sich die erfolgreiche Mediation dar. Die Mediation wird in Stundenhonoraren bezahlt, deren Höhe sich je nach der (wirtschaftlichen) Bedeutung der Sache, um die es geht, nach den Vermögensverhältnissen der Parteien usw. richtet. So ein Stundensatz beläuft sich auf mindestens 120 Euro bis etwa 500 Euro. Bei hohen Gegenstandswerten, stringenter Verhandlung und lösungsorientierter Haltung der Parteien betragen die Kosten des Mediationsverfahrens nur einen Bruchteil von Gebühren, die im Prozessfall zu entrichten sind.

MEDIATION IST ARBEIT

Sowohl für die verhandelnden Konfliktparteien und noch mehr für den/die professionelle/n MediatorIn ist die Mediation harte Arbeit. Der/die MediatorIn muss gründliche Kommunikationskenntnisse und geübte Verhandlungsführungskompetenz besitzen. Er/sie muss viel emotionale Ladung der Parteien aushalten und nachvollziehen – das nennen wir Empathie. Er/sie muss die widerstreitenden Positionen immer wieder „übersetzen“ in eine Formulierung, die die andere Partei nachvollziehen kann. Der/die MediatorIn muss für ausgewogene Beitragseinheiten und Balance sorgen. Tricks, Beleidigungen und Erpressungsversuchen muss sofort entgegengewirkt werden. Manchmal ist die Leitung von zwei oder mehreren Streitparteien so anstrengend wie das Lenken einer Kutsche mit großem Gespann.

Konfliktscheue Menschen sind dieser Aufgabe nicht gewachsen. Deshalb ist MediatorInnen-Arbeit nichts für „Weicheier“. Oft brauchen sie gute Nerven, viel Geduld und Beharrlichkeit, wenn die Emotionen der Parteien hochgehen. MediatorInnen können eben nicht wie der Schiedsrichter sagen: Schluss jetzt, ich entscheide! Sein und ihr Job ist es, die Konfliktparteien immer wieder an die Lösung, an das höhere gemeinsame Interesse, an das Ziel des Mediationsverfahrens zu erinnern, um diesem schrittweise näher zu kommen.

Eine erfolgreiche Mediation, sei es nun eine Wirtschaftsmediation oder eine private Mediation, ist ein Ergebnis, auf das alle Beteiligten stolz sein können, MediatorIn und die Konfliktparteien, die es gemeinsam geschafft haben, eine trag- und zukunftsfähige Lösung herbeizuführen.

 

— Friederike Matheis  —

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MEHR ZUR AUTORIN

Friederike Matheis, Rechtsanwältin seit 1980, Mediatorin, Rechts-Coach und Seminarunternehmerin unter ihrer Marke beyourself! Sie gibt beruflich Selbständigen, Freiberuflern und leitenden Angestellten – wie RechtsanwältInnen, BeraterInnen, JournalistInnen, MedizinerInnen, PädagogInnen, MediatorInnen – sowie GeschäftsführerInnen von kleineren und mittleren Unternehmen Workshops, Trainings, Coachings und Seminare zu Themen wie: erfolgreiche Kommunikation für Dienstleister, erfolgreiches Teambuildung, Soft Skills im Berufsleben, Work-Life-Balance zur Burnout-Prävention, Persönlichkeitsentwicklung und Führungs-Coaching. Zur Entwicklung und Optimierung von Schlüsselkompetenzen arbeitet sie auch als Dozentin an mehreren deutschen Universitäten. …

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