In einem Fitness-Center lernt man die unterschiedlichsten Menschen kennen. Unser Kolumnist hat das Glück einem Menschen zu begegnen, der eine kleine Sportler-Typologie entwickelt hat.
Der Philosoph redet gern über andere Menschen und gibt Weisheiten zum Besten. Jedenfalls der aus dem Fitness-Center.
Während andere ihre Muskeln aufpumpen, steht Jean-Pierre neben den Geräten und beurteilt die Mitmenschen. „Wer Körper und Geist fit hält, lebt länger“, verspricht er.
Der Philosoph, der so gerne Franzose in Paris wäre und sich deswegen auch einen entsprechenden Namen zugelegt hat, entwickelte ein flapsiges System, um die Mitglieder des Sportclubs zu klassifizieren:
Da ist die „Quasselstrippe“, die wenig Sport treibt, aber gerne von einem Gewichtstemmer zum nächsten promeniert und Geschichten erzählt. Das „Helfersyndrom“ erklärt gerne ungefragt, wie man Übungen am Gerät richtig macht und bietet sich spätestens beim zweiten Tipp gegen einen kleine Aufwandsentschädigung als Trainer an.
Interessant sind auch die „Stöhner“, jene Besucher, die meist erst vor kurzer Zeit mit dem Training begonnen und vermutlich in YouTube-Videos gesehen haben, das man beim Gewichte-Stemmen möglichst laut atmen sollte und das Gesicht vor Schmerzen verzerren muss.
Die „Streberin“ dagegen leidet still vor sich hin, während sie eine Stunde lang am Stepper einen steilen Berg hoch und wieder herunterklettert.
Der Philosoph mag diesen Typ Menschen ganz besonders – vielleicht, weil er ihm so ähnlich ist: „Da baut sich in den Leuten ein enormes Glücksgefühl auf, weil sie ihr ganzes Leid in jeder Faser ihres Körper speichern. Im Bett sind diese Typen Granaten, die von einem Orgasmus zum nächsten explodieren.“
Bei solcherart sexualphilosophischen Exkursionen wird Jean-Pierre gerne ein wenig belächelt. Vor allem von den Schweigern, die leise vor sich hinlächeln und jedes Kilo an Gewicht, das sie mehr als beim letzten Training bewegen mit einem Schmunzeln bejubeln.
„Schweiger sind gefährlich, weil sie sich ihrer Stärke bewusst sind, aber diese nur in einer Gefahrensituation einsetzen. Der Gegner wird immer überrascht“, sagt der Philosoph, während er einem solchem von Weitem zuwinkt.
Der „Kraftprotz“ ist – so der Philosoph – offensichtlich der einzige, der keine Makel hat: „Er trinkt seine Fitnessmolke, pumpt seine Muskeln auf, schwitzt ordentlich, duscht nach der Trainingseinheit und geht dann ins Bett, um am Abend wieder total fit als Türsteher vor der Disko seinen Job zu machen.“
Manche im Fitness-Center finden ja, dass der Philosoph zu Klischees neigt. Kein Wunder, es gibt eben wenige Bücher, in denen Philosophen sich darüber schlau machen können, wie Besucher von Fitness-Centern wirklich ticken.
Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…
Ihr Peter Jamin
Unser Autor arbeitet als Schriftsteller und Publizist sowie als Berater für Kommunikation seit Jahrzehnten immer wieder auch für ausgewählte Projekte. Sein soziales Engagement gilt der Situation von Angehörigen vermisster Menschen, auf deren Situation er in Büchern, TV-Dokumentationen und Artikeln seit mehr 20 Jahren aufmerksam macht. Mehr unter www.jamin.de
Peter Jamin
