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Führung ist nicht nur Chefsache, Führung ist auch Gehirnsache

Effizient führen heißt, zielorientiert und sozial kompetent sich selbst, Menschen und Teams ergebnisorientiert zu leiten. Das erfordert, dass sich Führungsverantwortliche bewusst und verantwortlich, den individuellen Gehirnen der am Arbeitsprozess Beteiligten, dem eigenen und denen der Mitarbeiter, entsprechend verhalten. Gehirngerecht führen heißt dann auch, persönliche Kompetenzen und Leistungen der Mitarbeiter gehirngerecht zu fördern.

Foto: Friederike Luise Matheis

Effizient führen heißt, zielorientiert und sozial kompetent sich selbst, Menschen und Teams ergebnisorientiert zu leiten. Das erfordert, dass sich Führungsverantwortliche bewusst und verantwortlich, den individuellen Gehirnen der am Arbeitsprozess Beteiligten, dem eigenen und denen der Mitarbeiter, entsprechend verhalten. Gehirngerecht führen heißt dann auch, persönliche Kompetenzen und Leistungen der Mitarbeiter gehirngerecht zu fördern.

Was ist Führungskompetenz?

Bei Worten wie „Führung”, „Führer” und „Macht” zucken viele Deutsche innerlich immer noch ein bisschen zusammen, Frauen noch mehr als Männer. Die gleichen Worte im Englischen erscheinen da weniger verdächtig: „Leadership”, „leader” und „power” fühlen sich irgendwie besser, sportlicher, an. In der englischen Sprache sind wir leichter bereit, auf die Frage: „What does it take to be a leader?”  ins Ersinnen einer brauchbare Antwort zu kommen, in der deutschen Sprache formulieren wir lieber: „Was beinhaltet heute Führungskompetenz?“ Nun kommt durch die junge Disziplin des neurowissenschaftlichen Bildungsmanagements frischer Wind mit neuen Antworten in die Führungsetagen.

Historisch betrachtet ist diese Frage danach, was Führungskompetenz eigentlich ist, noch gar nicht so alt. Noch vor zirka siebzig Jahren war die allgemein vorherrschende Meinung die, dass Führung ein unerklärbares Phänomen, eine Naturbegabung von besonders charismatischen Persönlichkeiten sei – und natürlich eine männliche. Die beliebteste Antwort von Männern auf die Frage: Welche Eigenschaften braucht eine Führungskraft? ist nach meiner Erfahrung als Soft-skill-Trainerin: die „Durchsetzungskraft”. Und es gibt in vielen männlichen Köpfen immer noch die Idee, dass es gerade diese Fähigkeit sei, an denen es den Frauen mangele und es sei deshalb eben leider so, dass es immer noch so viel mehr männliche als weibliche Führungskräfte gebe. Zwar gebe es „tollen weiblichen Führungsnachswuchs“, sagte beispielsweise noch im Mai 2012 der Ex-BASF-Chef Jürgen Hambrecht (in einem gemeinsamen Interview des „manager magazin online“ mit dem bekannten Gehirnforscher Professor Gerald Hüter), aber diese in Führungsetagen zu bringen, funktioniere „leider nicht wie das Licht anknipsen, und schon gar nicht so, dass man sagt, in nur wenigen Jahren muss der Anteil der Frauen in Toppositionen auf 30 Prozent steigen“.

Ego-Art von „Durchsetzungskraft” einiger Manager bringt wirtschaftliche Krisen und Zusammenbrüche hervor

Aber wonach wird eine Führungskraft letzten Endes beurteilt? Eine pragmatische Antwort ist: nach ihren Ergebnissen für das Unternehmen oder das Projekt, das sie führt. Also ist die vielleicht hilfreichere Frage die: Welche Eigenschaften machen eine Führungskraft erfolgreich? Das hängt davon ab, welche Strategie und welche Ziele das Unternehmen verfolgt. Unternehmen wollen Umsätze und Gewinne machen, sich am Markt positionieren, wachsen… In unseren schnelllebigen, global verwickelten, gnadenlos wetteifernden Märkten brauchen Unternehmen und Unternehmer besondere Qualitäten – was sie nicht brauchen, ist ego-zentrierte Mittelmäßigkeit von verantwortungslosen Managern mit hoch ambitionierten finanziellen Eigeninteressen. Dass solche Ego-Art von „Durchsetzungskraft” einiger Manager wirtschaftliche Krisen und Zusammenbrüche hervorbringt, hat uns die jüngste, noch keineswegs überwundene Wirtschaftskrise zum wiederholten Male gezeigt.

Der Umgang mit Menschen

Machtpositionen sind Vertrauenspositionen. Führungskräften wird von Menschen Vertrauen entgegengebracht, in der Erwartung, dass sie das Unternehmen nachhaltig führen, die ihnen anvertrauten Unternehmensressourcen richtig behandeln und die Unternehmensprodukte oder die Unternehmensdienstleistung optimal verkaufen. Und verkauft wird das Produkt an Menschen. Und gemacht wird das Produkt von Menschen für Menschen.

Worauf bezieht sich also die Kernkompetenz einer Führungsperson? In erster Linie auf den Umgang mit Menschen.

Heute ist man sich jedenfalls in der wissenschaftlichen – auch der neurowissenschaftlichen – Theorie darüber einig, dass eine erfolgreiche Führungskraft in erster Linie gut mit Menschen umgehen können soll. Es wird postuliert, dass Führungskräfte selbst Vorbild sind, dass sie anspruchsvolle und sinnvolle Ziele im Unternehmensinteresse vorgeben, ihre Mitarbeiter zu entsprechender Leistungsbereitschaft und Loyalität motivieren und – selbst innovativ-flexibel – die Kreativität und die Stärken der Mitarbeiter fördern und entwickeln.

Der „Faktor Mensch” bleibt oftmals auf der Strecke

Die Notwendigkeit, sich immer schneller wirkenden Veränderungsprozessen anzupassen, beantworten viele Unternehmen mit starren Organisationsstrukturen von Zielvorgaben, Arbeitsanweisungen, Mitarbeitergesprächen, Richtlinien und Ablaufplänen, um möglichst von vornherein Fehlerquellen auszuschalten. Diese Rechnung mit der totalen Kontrolle geht aber nicht auf, wie mehrere Studien und Sachverständigengutachten zum Thema Mitarbeiterzufriedenheit und -Loyalität gezeigt haben. Mehr als 60 Prozent der Mitarbeiter der untersuchten Unternehmen bezeichneten sich als unzufrieden und unmotiviert. Führungskräfte halten dem Druck nicht mehr stand, Stress, Burnout und Depression nehmen kontinuierlich zu. Weil der „Faktor Mensch” bei all diesen strategischen Maßnahmen auf der Strecke bleibt. Funktionierende Führung, erfolgreiche Führung, bedeutet in erster Linie: die Anwendung von Fähigkeiten im Umgang mit Menschen.

Gehirnforschung für Unternehmen – das soziale Gehirn

Motivation von Mitarbeitern

Wie man das am besten macht, damit hat sich jetzt auch die Gehirnforschung beschäftigt und aktuelle Antworten gefunden. Wenn man Mitarbeiter motivieren will, dann ist es nützlich zu wissen, dass unser menschliches Gehirn unter vielen anderen Aspekten über vier wichtige Systeme verfügt: das Belohnungssystem, das Emotionssystem, das Erinnerungssystem und schließlich das Entscheidungssystem. Diese vier Systeme sind maßgeblich dafür verantwortlich, ob und in welchem Umfang Führung und Motivation von Mitarbeiterngelingt. Und übrigens auch, wie die jüngsten Erkenntnisse im Bereich des Neuromarketings zeigen, sind sie maßgeblich dafür, wie man potentielle Kunden motiviert, das Unternehmensangebot zu erwerben. Es sind diese vier Systeme im menschlichen Gehirn, die Menschen dazu bewegen, „mitzuspielen” oder eben auch nicht.

Die Vorbildfunktion ist für die menschliche Lernbereitschaft das stärkste Instrument

Daher stellt sich also für Führungskräfte die Frage, wie, mit welchem Verhalten und mit welchen Maßnahmen, man die vier Systeme von Mitarbeitern so aktiviert, dass das gewünschte Ergebnis herauskommt. Unstreitige Voraussetzung ist, dass die Führungsperson selbst Vorbild sein muss, damit sie für den Mitarbeiter glaubwürdig ist und dass die Führungskraft die Einzigartigkeit jeden Gehirns – seines eigenen und das der Mitarbeiter – anerkennt. DieVorbildfunktionist für die menschliche Lernbereitschaft das stärkste Instrument. Lernen am Vorbild hat uns unsere ersten grundsätzlichen Fähigkeiten wie Sprache, soziales Verhalten und persönliche Werte schon in frühester Kindheit gelehrt und das bleibt auch bei Erwachsenen so.

Das Belohnungssystem

Das Belohnungssystem wird, sehr vereinfacht auf den Punkt gebracht, durch eine erhöhte Ausschüttung des Neurotransmitters Dopamin bewegt. Dopamin ist ein „Glückserwartungshormon”, das dafür sorgt, dass sich eine Bemühung als lohnenswert erfahren lässt. Solange das angestrebte Ziel noch verfolgt wird, also auf dem Weg zum Ziel, wird Dopamin, eine Art körpereigene Wohlfühldroge, ausgeschüttet. Ist das Ziel erst erreicht, verringert sich die Dopaminausschüttung. Dann wird statt dessen Serotonin, ein Neurotransmitter, der Gefühle von Beruhigung und Zufriedenheit erzeugt, wirksam. Herkömmlicherweise werden in Unternehmen zur Belohnung von Mitarbeitern Geschenke, Incentives, Prämien oder Zusatzeinkünfte am Jahresende eingesetzt. Diese Maßnahmen aktivieren aber das Belohnungssystem, die Dopaminausschüttung, der Mitarbeiter nicht kontinuierlich. Sie erzeugen stattdessen einen Gewöhnungseffekt, eine „Sucht nach mehr”. Nach mehr absehbarer Gratifikation als Selbstverständlichkeit. Erfolgen Anerkennung, Wertschätzung und Belohnung dagegen unerwartet und situativ, so tritt der Gewöhnungs- und Abnutzungseffekt im Gehirn nicht ein. Eine freundliche, echte Anerkennung, ein sympathisches Lächeln, aufrichtig gegebene Aufmerksamkeit aktivieren das Belohnungssystem im Gehirn ebenso wie kleine, angenehme und zeitnahe Überraschungen als Dankeschön für besondere Leistungen.

Das Emotionssystem

Das Emotionssystem im Gehirn ist die Bewertungszentrale für eingehende neuronale Reize. Aus der Sicht der Gehirnforschung sind Emotionen wie Freude, Trauer, Wut oder Angst ganz unromantisch „chemische Prozesse” im limbischen Gehirn. Der „Bewerter” eingehender Reize in diesem Hirnareal ist die „Amygdala”, der sogenannte Mandelkern, der entscheidet, ob ein Gefühl als angenehm oder unangenehm erlebt wird. Dies geschieht unbewusst und rasend schnell, viel schneller, als die erst später einsetzende bewusste Verstandesbewertung, die im Neokortex, im linken Stirnbereich des Großhirns, erfolgt.

Wir fühlen schon, ob etwas gut für uns ist, längst bevor unser Verstand zum Zuge kommt. Deshalb ist es wenig wirksam, von Mitarbeitern ein auf verstandesmäßigen Argumenten beruhendes Verhalten einzufordern, das emotional auf Widerstand stößt. Eine Weile lang kann das scheinbar gutgehen, auf Dauer aber verweigert der gefühlsmäßig übergangene Mitarbeiter die Kooperation und Loyalität. Diese „innere Kündigung” ist die konsequente Folge eines Gefühls von Hilflosigkeit gegenüber einer Führungspersönlichkeit, die als unsozial, mitgefühlsarm, unfair oder Werte-verachtend empfunden wird. Bei aller Durchsetzungsstärke – die Chemie stimmt dann eben nicht. Rachegefühle und Sabotage von Mitarbeitern sind nicht selten die Konsequenz. Herrscht in einem Unternehmen gar ein Klima von Misstrauen und dauerhaftem Druck vor, so wird im Mitarbeiter-Gehirn vermehrt das Stresshormon Cortisol ausgeschüttet, das Angstgefühle erzeugt. Dauerstress schließlich verursacht nach der „inneren Kündigung“ oft den krankhaften Zustand, den wir als Burnout bezeichnen. Wodurch bekanntermaßen hohe Betriebskosten und Verluste entstehen.

Wertschätzung sorgt für hochmotivierte Mitarbeitergehirne im Unternehmen

Umgekehrt aber, wenn die Führungsperson sich ehrlich interessiert, anerkennend und wertschätzend gegenüber dem Mitarbeiter verhält, wird der chemische Motivationsmix aus Dopamin, dem Bindungshormon Oxytocin und körpereigenen Opioiden für hochmotivierte Mitarbeitergehirne im Unternehmen sorgen. Nichts stimuliert Menschen so sehr wie das Bedürfnis, von anderen gesehen zu werden, die Erfahrung von positiver Zuwendung und Anerkennung. Oder weniger psychologisch ausgedrückt: Unser Gehirn, das in diesem Kontext primär für das Unternehmen ticken soll, ist ein soziales Organ.

Führen Führungsverantwortliche unter Berücksichtigung dieser urmenschlichen Grundbedürfnisse ihre Mitarbeiter, führen sie sozial kompetent, klar und aufrichtig, dann motivieren sie zu leistungsstarker, nicht selten innovativer und für das Unternehmen lukrativer Mitarbeit. So wird nachhaltig Kooperation erzeugt. Es lohnt sich also, neurowissenschaftliche Erkenntnisse in die Personal-Bildung und das Management einzubeziehen, um frühzeitig und elegant Talentscouting im eigenen Betrieb zu praktizieren, neue Führungskräfte (zum Beispiel weibliche) zu fördern und dem demografischen Wandel seinen Schrecken zu nehmen.

— Friederike Matheis / pro-viel-seminare.de —

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MEHR ZUR AUTORIN

Friederike Matheis ist Mit-Gesellschafterin des Seminarunternehmens Pro-Viel-Seminare GbR, das Seminare, Workshops und Coachings zur Steigerung der persönlichen und beruflichen Kompetenzen anbietet, sowie „Life in Balance“-Programme unter der eingetragenen Marke „beyourself!“. www.pro-viel-seminare.de

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Bildquellen

  • Friederike-Portrait_klein: Friederike Matheis
  • Geld: Friederike Luise Matheis
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