In einer aktuellen Entscheidung hat das Bundesarbeitsgericht (Az.: 5 AZR 178/23) am 23. April 2024 zu der Frage Stellung genommen, wie sich das dem Arbeitnehmer während des Entgeltfortzahlungszeitraums zu zahlende Entgelt berechnet.
Der Fall betraf einen Mitarbeiter eines Wach- und Sicherheitsdienstes, der aufgrund einer Erkrankung knapp zwei Wochen arbeitsunfähig war. Für den betreffenden Zeitraum war der Kläger bereits im Schichtplan eingeteilt. Dieser Plan sah unter anderem Nacht- und Sonntagsarbeit sowie einige Schichten als Schichtleiter vor. Laut dem zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsvertrag begründen diese Einteilungen für Nacht- und Sonntagsarbeit sowie die Schichtleiterdienste einen Anspruch auf Zulagen zum vereinbarten Grundlohn.
Zudem fand ein Tarifvertrag zur Entgeltfortzahlung auf das Arbeitsverhältnis Anwendung, in dem auf das Lohnausfallprinzip verwiesen wird, allerdings mit der Einschränkung, dass Urlaubs- und Weihnachtsgelder bei der Berechnung ausgenommen sind.
Während der Arbeitsunfähigkeit zahlte der Arbeitgeber lediglich den Grundlohn ohne weitere Zulagen. Der Mitarbeiter klagte daraufhin die Zahlung der Zulagen ein, für die er laut Schichtplan bereits eingeteilt war. Der Arbeitgeber vertrat die Ansicht, dass die Zulagen nur dann zu zahlen seien, wenn sie auch tatsächlich angefallen wären. Aus dem Tarifvertrag ergäbe sich nichts anderes, da dort die begehrten Zulagen nicht ausdrücklich erwähnt wurden.
In der ersten Instanz wurde der Klage stattgegeben, und in der zweiten Instanz wurde die Berufung des Arbeitgebers zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht bestätigte schließlich die Urteile der Vorinstanzen.
Das Bundesarbeitsgericht führte in seinen Urteilsgründen aus, dass das Entgeltfortzahlungsgesetz dem Entgeltausfallprinzip folgt und entsprechend der Betrag zu zahlen ist, der auch gezahlt worden wäre, wenn der Arbeitnehmer nicht erkrankt wäre. Dies schließt etwaige Zulagen für bereits geplante Sonntags- und Nachtarbeit sowie Schichtleitertätigkeiten ein. Ausgenommen sind lediglich das für Überstunden zusätzlich gezahlte Entgelt sowie Aufwendungsersatzzahlungen (z. B. Fahrtkosten).
Grundsätzlich kann zwar laut Bundesarbeitsgericht durch Tarifvertrag vom Entgeltfortzahlungsgesetz abgewichen werden, doch der in diesem Fall anzuwendende Tarifvertrag sieht nur die Einschränkung bezüglich Weihnachts- und Urlaubsgeld vor und nicht für Schichtzulagen.
Da Überstunden im Gegensatz zu bestimmten Schichten nicht im Voraus geplant sind, ist nicht sicher, ob sie tatsächlich geleistet worden wären, wenn der Arbeitnehmer nicht erkrankt wäre. Der Aufwendungsersatz erfolgt für tatsächlich aufgewendete Leistungen des Arbeitnehmers und fällt entsprechend bei Arbeitsunfähigkeit nicht an. Der Aufwendungsersatz stellt keinen Bestandteil der Vergütung des Arbeitnehmers dar.
Dieses Urteil stellt klar, dass entsprechend des Entgeltausfallprinzips während der Erkrankung des Arbeitnehmers das Arbeitsentgelt gezahlt werden muss, das auch sonst fällig geworden wäre. Im vorliegenden Fall war es recht einfach feststellbar, da für den Ausfallzeitraum bereits ein Schichtplan erstellt war. Wenn die Arbeitsunfähigkeit länger dauert und auch Zeiten umfasst, in denen noch kein Schichtplan feststeht, wird zur Ermittlung der Höhe des Entgelts das in den vergangenen Wochen gezahlte Entgelt herangezogen und ein Durchschnitt errechnet. Bei der Berechnung sind erneut Aufwendungsersatz und Überstundenvergütung herauszunehmen und bei der Durchschnittsbildung nicht zu berücksichtigen.
— Dan Schröer —
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ZUM AUTOR
Dan Schröer, Rechtsanwalt (Syndikusrechtsanwalt), Fachanwalt für Arbeitsrecht
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