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Gerät die Welt aus den Fugen? – Teil 2: Ursache-Wirkungs-Analyse im Ukraine-Krieg

Die Wirtschaft befindet sich im Bann der Politik, der Ukraine-Russland-Konflikt spitzt sich zu. Auf beiden Seiten gibt es fragwürdige einseitige Berichterstattung. Die Weltbörsen hoffen auf politische Lösungen und eine Friedensdividende. Der Börsen- und Osteuropa-Experte Andreas Männicke gibt Hintergrundinformationen.

Eisenhans / Fotolia.com

Die Wirtschaft befindet sich im Bann der Politik, der Ukraine-Russland-Konflikt spitzt sich zu. Auf beiden Seiten gibt es fragwürdige einseitige Berichterstattung. Die Weltbörsen hoffen auf politische Lösungen und eine Friedensdividende. Der Börsen- und Osteuropa-Experte Andreas Männicke gibt Hintergrundinformationen.

Am 23. August 2014 flog Angela Merkel erstmals nach Kiew, um mit Poroschenko die neue Lage zu besprechen. Am 26. August kam es endlich zu dem viel wichtigeren ersten Gespräch zwischen Poroschenko und Putin auf neutralem Boden in Minsk. Die Gespräche in Minsk trugen leider wie auch zuvor die Gespräche in Genf nicht wesentlich zur Konfliktlösung bei. Die gegenseitigen Vorwürfe werden weiterhin in Medien dann in gewohnter Form recht einseitig wiedergeben – was zum Propaganda-Krieg wohl auch so leider gehört.

Was ich schon lange sowohl bei den verantwortlichen Politikern als auch den Medienvertretern vermisse, ist eine ausgewogene und eingehende, möglichst objektive Ursachen-Wirkungs-Analyse, wobei auch objektive (und nicht bestellte) Historiker eine wichtige Rolle zur Beurteilung der Faktenlage- und -Entstehung beitragen. Ich frage mich schon lange, ob die verantwortlichen Politiker – seien es Obama, Merkel, Poroschenko oder Putin – auch die richtigen Berater haben, von denen im politischen Entscheidungsprozess viel abhängt.

Eine ausgewogene Konfliktbetrachtung fehlt

Auch viele Politiker und Medienvertreter betreiben leider keine eingehende ausgewogene, sondern oft nur eine einseitige Ursachen-Wirkungs-Analyse. Putin und Russland wurde zum Paria der westlichen Welt. Jede neue politische Entscheidung schafft neue Fakten, was wiederum eine neue Ursache für eine neue Wirkung in der Zukunft haben wird. Gegenseitige Schuldzuweisungen führen nicht weiter, aber eine ausgewogene Ursachen-Wirkungs-Analyse und ein objektiver Fakten-Check, der auch in der Öffentlichkeit präsentiert wird. Die Meldungen und Ergebnisse von Geheimdiensten sind oft absichtlich irreführend. So schlage ich schon lange vor, dass gerade deutsche, ukrainische und russische Journalisten, die objektiv sind oder sich dafür halten, sich jetzt regelmäßig monatlich treffen (zum Beispiel in Berlin), um sich die Ursache-Wirkungs-Mechanismen und Fakten von jeder Seite beleuchten zu lassen.

Beachtenswert war der Artikel von Gabor Steingart am 8. August 2014 im Handelsblatt mit dem Titel: „Der Irrweg des Westens“ und das Interview mit dem deutschen Landwirt Dürr, der in Russland tätig ist, in der „Zeit“. Beachtenswert waren aber auch die Stellungnahmen von Chefvolkswirt der Bremer Landesbank Volker Hellmeyer im „Deutschen Anleger Fernsehen“ über die falschen Sanktionen gegen Russland. Über 70 Prozent der Deutschen sind nach Meinungsumfragen gegen Wirtschaftsanktionen gegen Russland und übrigens auch gegen Waffenlieferungen nach Kurdistan. Das scheint aber unsere „Volksvertreter“ (?) nicht zu interessieren. Auch meine Meinung ist: Der Westen befindet sich auf einem fatalen Irrweg unter der Führung der USA. In westlichen Medien wird viel zu oft die „Copy and pace“-Taste gedrückt, das heißt einer schreibt vom anderen ab, ohne selbst „vor Ort“ zu recherchieren und dabei beide Seiten zu befragen und zu beleuchten. Dieser Meinungsaustausch geschieht aber oft nicht, was wiederum dann zu einer neuen irrtümlichen Faktenlage führt, die neue Wirkungen mittelbar oder unmittelbar zu Folge hat.

Der immer noch ungeklärte Flugzeugabsturz der MH17, wofür die Separatisten und im Gleichklang damit auch Russland politisch verantwortlich gemacht werden, war der Auslöser der ersten Wirtschaftsanktionen gegen Russland, womit sich Russland mit Importverboten für Obst, Gemüse und Lebensmittel „wehrte“. Darunter leiden nun vor allem polnische und ukrainische Bauern, aber auch vereinzelt deutsche. Dies ist offensichtlich der Start eines offenen Handels- und Finanzkrieges, vor dem ich immer gewarnt hatte und der hätte vermieden werden können, wenn sich Politiker und Medienvertreter rechtzeitig „vor Ort“ und auch von der „Gegenseite“ informiert hätten und vor allem einen intensiviere und objektivere Ursachen-Forschung betrieben hätten. Auch die Rolle der USA bei dem Konflikt muss dabei beleuchtet und klar gestellt werden.

Russland als Prügelknabe

Ich habe mehr und mehr den Eindruck, dass das gezielte Putin- und Russland-Bashing schon systematischer Bestandteil der US-Außenpolitik ist und dies möglichweise sogar von langer Hand geplant war. Russland soll als Hauptschuldiger des Ukraine-Desasters in die Isolation getrieben werden. Auch ich bin der Meinung, dass sich Putin aktiv bemühen sollte, dass von russischer Seite keine Waffen an die illegalen Separatisten geliefert werden. Auch sollte er ihnen klar machen und dies öffentlich verkünden, dass eine Annexion wie im Fall der Krim nicht in Frage kommt.

Russland fordert schon lange eine Föderation, die aber Kiew nicht will. Aber auch Poroschenko hat hier schon sehr entgegenkommende Vorschläge unterbreitet, die mit den Separatisten besprochen werden müssen. Wie stark diese Föderation ausgeprägt ist, muss politisch verhandelt werden. Wichtig sind dann solche Fragen, wer den Oberbefehl für die Polizei, die geflohen ist, und das Militär in der Ost-Ukraine hat. Auch Steuerfragen müssen geklärt werden. Auch beim Militär gab es Überläufer, die lieber Janukovic als Poroschenko dienen wollten, insbesondere die 3.000 Geheimpolizisten unter Janukovic, die entlassen wurden und dann übergelaufen sind. Es gibt sehr unterschiedliche Ausprägungen von Autonomie. Der wirtschaftliche Einfluss Russlands wird in der Region ohnehin dominant bleiben. Darüber muss sich die Ukraine klar sein und da kann auch kein EU-Assoziierungsabkommen, das ich in diesem Stadium ohnehin für sehr fragwürdig halte, helfen. Das EU-Assoziierungsabkommen beinhaltet übrigens in einem Abschnitt auch die militärische Zusammenarbeit, was ich gegenwärtig für sehr problemtisch halte.

Politischer Lösungsprozess vonnöten

Dann sollten alle Beteiligten aber auch an einem politischen Lösungsprozess mitarbeiten und versuchen, Frieden zu stiften. Warum treffen sich eigentlich die Hauptkontrahenten Putin und Obama einmal „face to face“ und bringen auf sachlicher Basis ihre Argumente und Beweise vor? Geschickt werden immer nur einige Außenminister, die bisher nichts bewirken konnten. Von russischer Seite wird immer wieder dementiert, dass die „grünen Männchen“ nicht aus Russland kommen, was zum großen Teil von den Separatisten selbst schon wiederlegt wurde. Es wäre daher ein Gespräch mit den Separatisten-Führern und den Mitläufern dringend geboten mit dem Ziel, dass diese sich zu erkennen geben und nicht als anonyme Schutzgruppe ohne verfassungsmäßige Legitimation aktiv sind.

Putin nennt sie „Miliz von Neurussland“ und vielleicht ist es auch das, was er will, nämlich ein „Neu-Russland“ mit einer starken Autonomie der Ost-Ukraine und einen für Russen unproblematischen Landweg zur Krim. Aus der Sicht Kiews sind das alles Terroristen, aber mit dem Begriff habe ich bei objektiver Ursachen-Forschung einige Schwierigkeiten. Aus der Sicht von Janukovic waren es Terroristen, die ihn vertrieben haben und nun den Sturm auf Donezk vorbereiten.

Bei meiner sicherlich auch nicht objektiven Ursachen-Wirkungs-Analyse des Ukraine-Konfliktes halte ich viele Fragen von russischer Seite für berechtigt und möchte darauf Antworten haben, bevor eine Sanktionsspirale ohne Exit-Strategie in Gang gesetzt wird, die sogar den Weltfrieden bedrohen kann.

Vielleicht schreiben Sie mir gerne Ihre Sichtweise und wie Ihre Erkenntnisse sind. Für mich ist es Fakt, dass die Ukraine schon seit der Wende politisch zwischen West- und Ost-Ukraine gepalten war. Kein Politiker in der Ukraine hat es bisher geschafft, die Potenziale, die in einer wirtschaftlichen und politischen Zusammenarbeit sowohl mit der EU als auch mit Russland liegen, produktiv und konstruktiv für das Land zu nutzen. Erst schaffte die „orangene Revolution“ Hoffnung auf eine bessere Zukunft der Ukraine; die Hoffnungen verschwanden aber im Sumpf der Politik von Jewtuschenko und Timoschenko, die sich zum Schluss auch politisch auseinanderdividierten.

Profiteure sind die Oligarchen

Aber auch Janukovic schaffte es nicht, das Land voranzubringen, da viel in seinem Korruptionssumpf und auf seinem eigenen Konto verschwand. Profiteure waren nur einige wenige Oligarchen, die ihr Vermögen in die Schweiz brachten und von der Schweiz aus versuchten, das Land zu regieren. Hier sehe ich viele Parallelen zu Griechenland. Man bedenke nur, dass Polen und die Ukraine noch vor der Wende etwa das gleiche Bruttosozialprodukt (BSP) hatten. Das polnische BSP hat sich seitdem verdreifacht, während das BSP der Ukraine bis jetzt mit einigem Auf und Ab per Saldo fast stagnierte. Daran kann man schon erkennen, dass vor allem alle amtierenden Politiker in der Ukraine zuvor schwere Fehler gemacht hatten. Die Ukraine ist immer noch das Armenhaus Osteuropas und erst recht Europas. Das hätte in diesem Ausmaß nicht sein müssen, wenn man sowohl die wirtschaftlichen Potenziale in Verbindung mit der EU und mit Russland rechtzeitig besser genutzt und auch die Korruption besser bekämpft hätte. In der Landwirtschaft hat die Ukraine erhebliche Potenziale, die nun auch durch das Russland-Embargo gefährdet sind. Nun ist Poroschenko der neue Hoffnungsträger, der aber erst einmal den Krieg beenden muss, um wirtschaftlich hernach Erfolg haben zu können.

Die Ukraine könnte eine weitere finanzielle Belastung für Europa werden

Europa muss auch klar sein, dass es sich jetzt mit der Ukraine nach Griechenland einen zweiten Klotz ans Bein bindet, was auch den deutschen Steuerzahler noch sehr teuer kommen wird, wenn nämlich in einigen Jahren (oder sogar im nächsten Jahr?) die Zahlungsunfähigkeit der Ukraine droht. In diesem Jahr wird das BSP der Ukraine auch aufgrund der Kriegsfolgen um 6 Prozent einbrechen. Die ukrainische Währung hat seit Jahresbeginn um 40 Prozent an Wert verloren. Die versprochenen 17 Milliarden US-Dollar vom Internationalen Währungsfonds ( IWF ) sind an Auflagen gebunden, die jetzt schwer einzuhalten sind, wenn man dauerhaft Krieg führt. Russland blieb dabei die ganze Zeit der wirtschaftlich bedeutsame Partner und dies ist bis heute so, wobei die Ost-Ukraine noch mehr von Russland abhängt als die West-Ukraine. Im Osten ist zudem die Schwerindustrie stark mit Russland verflochten.

Hohe Arbeitslosenzahlen führten zu Gewaltbereitschaft in der Ukraine

Bei der Ursache-Wirkung-Analyse muss ich also feststellen, dass alle Politiker, aber auch die ukrainischen Wirtschaftskapitäne nicht in der Lage waren, die Ukraine wesentlich wirtschaftlich voranzubringen und den Wohlstand zu mehren. Da müssen sich dann auch alle Politiker und Wirtschaftskapitäne, sprich: Oligarchen, an die eigene Nase fassen. Eine weitere unmittelbare Folge dieses schwachen, korrupten Wirtschaftssystems war die Schaffung einer zu hohen Zahl von Langzeitarbeitslosen im Lande. Damit bildete sich eine Gruppe Nationalisten wie die Swoboda-Partei und andere Rechtsextremen, die von der hohen Zahl von Langzeitarbeitslosen profitierten. So resultieren ein großer Teil der Demonstranten aus Arbeitslosen, die nun in den Blockaden gegen das politische System Janukovic endlich eine „sinnvolle Beschäftigung“ sahen. Darunter befanden sich auch rechtsextreme Kräfte, die zu Gewalt bereit waren und dann in der Regierung saßen. Die Regierung hat sich aber schon aufgelöst und es sollen nun im Oktober Neuwahlen stattfinden.

Aber auch diese Rechtsextremen dürfen bei der Ursachen-Wirkungs-Analyse nicht fehlen. Viele dieser Arbeitslosen waren mit der Räumung des Maidan aus guten Gründen nicht einverstanden. Denn wo sollten Sie hin? Zu Hause gibt es nach wie vor keine Arbeit – es sei denn als Freiwilliger beim schlecht bezahlten ukrainischen Militär – und es gibt zu Hause auch nichts zu essen. Auf dem Maidan hatten sie wenigstens etwas zu essen, jetzt bleibt Ihnen die Hoffnung auf Poroschenko und eine wirtschaftliche Besserung, aber das könnte auch nur eine weitere Enttäuschung werden, je länger der Krieg anhält. Damit werden die Langzeitarbeitslosen weiter desillusioniert und daran wird auch die EU so schnell nichts ändern können. Jetzt gibt es wieder Demonstrationen auf dem Maidan, wobei vom Westen moderne Waffen dringend gefordert werden. Hier gibt es wieder Parallelen zu Kurdistan/Irak. Waffen bringen aber keinen Frieden, sondern nur neue Tote.

Der poltischen Umsturz im Februar war bekannterweise nicht friedlich, sondern das Ergebnis einer Schießerei mit 100 Toten auf dem Maidan-Platz, wo bis heute nicht geklärt ist, wer die Schützen aus welchen Motiven waren. Vor der Stadt Kiew waren übrigens damals schon 20.000 ukrainische Soldaten positioniert, die aber nicht den Befehl zum Einmarsch bekamen, was man Janukovic zugutehalten muss. Diesen Einmarschbefehl erhalten jetzt aber die gleichen Soldaten beim geplanten Einmarsch in Lugansk und Donezk von Poroschenko. Man kann verstehen, dass Russland dieses Vorgehen ablehnt, da es auch nicht zur Befriedung beiträgt. Bisher sind 2.600 Tote – zu viel – zu vermelden, die nach russischer Ansicht unnötig sind. Beim Einmarsch in die Krim, den ich nicht gutheiße, ist übrigens keiner gestorben (oder nur eine Person, soweit ich weiß).

Ukrainische Bürger leiden unter politisch befohlenem Krieg

Der gewaltsame Sturm auf die Bastion Donezk schafft wieder neue Fakten, wie neue tote Soldaten und Zivilisten, die auch darunter leiden, weil es kein Strom und Wasser gibt. Ein Schulbetrieb ist unmöglich. Es ist aber nach meiner Einschätzung nach wie vor kein „Bürgerkrieg“, sondern ein politisch von oben befohlener Krieg des ukrainischen Militärs, worunter nun unnötigerweise die Zivilisten leiden. Es gab schon mehr als 200.000 Flüchtlinge, von denen über 100.000 Russland aufgenommen hat. Das ukrainische Militär wird offensichtlich unterstützt von ausländischen Söldnern, auch ehemaligen CIA-Agenten, die von den Oligarchen finanziert werden. Die Oligarchen sind in der Ukraine jedoch sehr unbeliebt, da sie das Volk ausrauben und beim Volk wenig von Wohlstand ankommt. Unternehmen wie LUKoil mit eigenen Tankstellen in der Ukraine haben es im Moment auch nicht leicht in der Ukraine, da die Tankstellen von Rechtsextremisten gewaltsam in Besitz genommen wurden, weil der Treibstoff dem ukrainischen Militär zur Verfügung gestellt soll.

Wer nun für den Absturz der MH17 ursächlich verantwortlich ist, der die nächste Sanktions- und Bashing-Welle gegen Putin und Russland auslöste, ist nach wie vor nicht geklärt. Die Russen vermuten ein Komplott von ukrainischer Seite –, aber das bleibt ungeklärt ebenso wie die (Falsch?)Meldungen über den angeblichen russischen Militär-Konvoi, der am 15. August die ukrainische Grenze überschritten haben soll. Etwas fragwürdig war in der Tat die Hilfskonvoi-Aktion als Propaganda-Trick von russischer Seite, wo die Ukraine einen getarnten Einmarsch vermutete. Diesen Gefallen wird Putin den USA aber wohl nicht machen. Gelogen wird offenbar im Moment auf beiden Seiten, wie das im Krieg so üblich ist.

EU und USA isolierten Putin

Eine weitere Ursache für das Verhalten von Putin ist aber auch das vorherige Verhalten der EU und der USA, die bei Sicherheitsfragen alle Putin-Vorschläge auch auf der Sicherheits-Konferenz in München negierten und ihn damit schon vor diesem Sanktionen isolierten. Putin wollte zumindest Gehör und Verständnis finden, was ihm aber verweigert wurde. Auch dies ist eine wichtige Ursache des gegenwärtigen Konflikts. Auch sollte die Ukraine kein NATO-Staat werden und darüber müsste es Einigkeit im Westen geben. Die Ukraine fordert aber auch ohne Mitgliedschaft jetzt militärische Hilfe von der NATO an. Der NATO-Generalsekretär Fogh Rasmussen macht für mich im Moment eine sehr unglückliche Figur mit seinen einseitigen, oft unbewiesenen Beschuldigungen. Weitere Fehler werden sich wohl leider anschließen, wie unnötige Manöver Russlands an der ukrainischen Grenze und/oder Manöver der NATO im Baltikum und Polen, was beidseitig als Provokation aufgefasst werden kann. Irgendwann könnte das alles aus dem Ruder laufen und dann wird auch Deutschland darunter leiden, aber auch das Baltikum mit den vielen Verflechtungen nach Russland.

Vernünftiger politischer Dialog kann den Weg in eine Einbahnstraße verhindern

Die schon lange falsch laufende Ursache-Wirkungs-Kette kommt dann irgendwann in eine Einbahnstraße, aus der es keinen Ausweg mehr geben wird. Wichtig ist jetzt, nachdem viel beidseitig falsch gelaufen ist, ein vernünftiger politischer Dialog. Wenn der nicht zustande kommt, wird es nur Verlierer geben – sei es nun im wirklichen Krieg oder „nur“ im Finanz- und Wirtschaftskrieg. Bei einem Finanz- und Wirtschaftskrieg hat sich Russland schon neue Verbündete im BRIC-Universum geschaffen. Das Ganze könnte zum Bumerang werden, der irgendwann auch beim Erzfeind USA landen wird. Und dann gute Nacht, liebe Weltgemeinschaft! Ich halte dies nach wie vor für einen strategischen Fehler der EU und auch von Deutschland, die sich ohne Gegenwehr vor den Karren der USA spannen lassen. Ich bin gespannt, wie das Ganze ausgeht. Noch besteht Hoffnung auf Diplomatie.

Lügen, Verschleierungen und Manipulationen im Ukraine-Krieg

Am 28. August kam es zu einer weiteren Eskalation, indem vom Weißen Haus die Meldung kam, dass russische Truppen in der Südostukraine eingedrungen waren und den Grenzort Nowosawosk mit 11.000 Einwohnern eingenommen haben. Angeblich sollen 1.000 schwerbewaffnete russische Soldaten über die Grenze eingedrungen sein.

Poroschenko sprach sogleich von einer „Invasion“. Diesen Begriff vermied Obama aber. Als Beweis wurden von der NATO Satellitenbilder vorgelegt, wo recht klein und ungenau einige Panzer zu erkennen waren. Diese Fotos stammten jedoch von 21. und 23. August. Zum einen ist es nicht sicher, ob diese Satellitenbilder stimmen oder manipuliert wurden, zum anderen wundere ich mich, dass diese wichtigen „Beweisfotos“ nicht schon am 26. August dem ukrainischen Präsidenten Poroschenko mitgegebenen wurden, der sich mit Putin in Minsk erstmals zu „Friedensgesprächen“ traf. Dann hätte Poroschenko das Problem direkt mit Putin besprechen können.

Von den Separatisten wurde schon vor dem Treffen zugegeben, dass sie von russischer Seite Panzer, Raketen und kampferprobte Soldaten erwarten. Hier muss die russische Seite eine wesentlich bessere und ehrlichere Aufklärung als bisher machen. Wenn sich russische Soldaten angeblich „freiwillig“ in den Urlaub abmelden, um für einen Monat in der Ost-Ukraine in die Krieg zu ziehen, um gegen die „Faschisten“ zu kämpfen, dann müsste dies dem russischen Militär bekannt sein und es müsste ab sofort von Putin untersagt werden. Auch das wäre ein deutliches Friedens-Signal, das ich bisher vermisse, das aber möglich wäre. Wenn dann aber auch Waffen über die Grenze „mitgenommen“ werden wie Raketen und Panzer sowie hochmoderne Schnellfeuerwaffen, dann wäre das Diebstahl vom russischen Militär und müsste sogar mit Gefängnis bestraft werden. Jede Waffe und Panzer hat eine Nummer, so dass sich schnell feststellen ließe, was im russischen Waffenarsenal fehlt und in der Ost-Ukraine von den Separatisten eingesetzt wird. Hier scheint wohl auch von russischer Seite in der Tat absichtlich einiges verschleiert oder sogar gelogen zu sein. Putin könnte also seinerseits wesentlich mehr einlenken und zum Frieden beitragen, in dem eine klare Botschaft an die „Miliz von Neurussland“ gibt.

Bei dem demonstrativ in Szene gesetzten russischen Hilfs-Konvoi sollen nach Berichten des ukrainischen Geheimdienstes High-Tech-Waffen aus den ukrainischen Waffenlagern gestohlen worden sein. Auch dies wäre zu überprüfen, ob es stimmt. Ich frage mich aber auch, warum so ein Hilfs-Konvoi nicht auch von der EU geschickt wird, um den Flüchtlingen „vor Ort“ effektiv zu helfen. Zudem scheinen die Grenzen nicht sicher zu sein. Warum befiehlt man nicht UN-Soldaten, also „Blauhelme“, an die Grenze, die die Grenze absichern und jede Grenzüberschreitung melden. Überhaupt fehlt mir bisher sowohl beim Irak-Konflikt als auch Ukraine-Konflikt die UN als effektiver Friedenstifter mit vielen Blauhelm-Soldaten oder auch als Mediator bei kriegerischen Konfliktlösungsprozessen, wo dann nicht immer nur der eine dem anderen Schuld gibt und irgendwo beide zum Teil Recht haben.

Beidseitiger Waffenstillstand und Eröffnung von politischen Gesprächen

Putin schlägt nun vor, „Flüchtlingskorridore“ zu schaffen, damit die „eingekesselte“ ukrainischen Armee und auch die Flüchtlinge abziehen. Das klingt aber so, als ob die ukrainische Armee den Kampf gegen die Separatisten schon verloren hätte. Was ich aber für richtig halte, ist die Vereinbarung eines beidseitigen Waffenstillstands und Eröffnung von politischen Gesprächen, wo nicht nur die Separatistenführer wie der Rebellenführer Alexander Sacharschenko aus Donezk, sondern auch maßgebliche Politiker aus der Ost-Ukraine mit im Boot sind, um eine politische Lösung herbeizuführen.

Die bisherigen Vermittlungsbemühungen auch von dem deutschen, französischen und russischen Außenministern brachten bisher nichts, weil der „Anti-Terror-Krieg“ mit unverminderter Härte in der Ost-Ukraine militärisch fortgesetzt wird, was bisher 2.600 Menschen das Leben kostete. Beim Krieg gibt es nur Verlierer, keine Gewinner!

Die deutsche Regierung stimmt die Koalition in Abstimmung mit den USA nun auf weitere Sanktionen ein, was ich für den falschen Weg halte. Ein Erfolg wäre es schon, wenn die beiden Kontrahenten, also Poroschenko und Putin, in direktem Dialog bleiben und nach friedlichen Lösungen ringen – das nächste Mal zusammen mit den Separatisten am Tisch. Die letzten Gespräche in Genf waren im Grundsatz auch konstruktiv, wurden aber nie richtig umgesetzt, da die Separatisten weiter mit Waffen und Soldaten, von wem auch immer, unterstützt wurden. Dies muss sich nun sichtbar ändern.

Sanktionen könnten sich als Irrweg erweisen

Ein Hochfahren der Sanktionen seitens der USA ist der falsche Weg, da er das Konfliktproblem in der Ost-Ukraine nicht löst. Jetzt soll Russland noch mehr isoliert und getroffen werden, vor allem im Wirtschafts- und Finanzbereich. Damit schaden sich Europa und vor allem Deutschland nur selbst. Russland könnte im Winter mit der „Gaskeule“ kommen und dann muss sich Europa warm anziehen. Auch bei einem verschärften Wirtschafts- und Finanzkrieg, der nun leider bevorsteht, wird es nur Verlierer und keine Gewinner geben. Ich erwarte aber auch einen zunehmenden Cyber-Krieg zwischen Russland und den USA. So meldete schon jetzt JP Morgan den Klau hochsensibler Daten durch russische Hacker, was jetzt das FBI untersucht. Aber auch europäische Banken stehen jetzt im Focus der sehr gut organisierten digitalen Räuberbanden.

Deeskalation würde die Börse beflügeln – und umgekehrt!

Eine Deeskalation würde sich positiv auf die Börse auswirken, vor allem auf die russische Börse und den DAX/EuroStoxx. Eine weitere Eskalationsstufe – auch im Fall von zusätzlichen Sanktionen – in einem kriegerischen Konflikt wäre aber sehr negativ. Die Politiker haben jetzt das Zepter in der Hand, auch an der Börse.

Der DAX hielt sich am Freitag noch recht stabil fast unverändert zum Vortag bei 9.470 Indexpunkten und der Dow Jones bei etwas über 17.000 Indexpunkten. Der russische RTS-Index ist jetzt sehr volatil. Er gab am 28. August um 3 Prozent und am 29. August um 2,4 Prozent auf unter 1190 Indexpunkte nach. Ich befürchte in der nächsten Woche noch tiefere Kurse, wenn erst die neuen Wirtschaftssanktionen gegen Russland am Wochenende vom EU-Gipfel bekannt gemacht werden. Auch die NATO wird am Wochenende ein deutliches Zeichen setzen wollen. Dennoch wird es hernach aber wieder gute Erholungschancen geben wie nach der Krim-Annexion als der RTS-Index bis Mitte Juli um 35 Prozent anstieg und in der Zeit zum Top-Performer der Welt avancierte. Die Moskauer Börse bleibt ein guter Trading-Markt mit hoher Volatilität, ist aber noch kein Investmentmarkt, ebenso der DAX, weil er sehr von seinem Wirtschaftspartner Russland abhängt.

Es gibt aber – gerade in Krisenzeiten – auch immer wieder neue Chancen in Osteuropa: Nicht nur deswegen wurde im letzten „East Stock Trends“ (www.eaststock.de) ein Special über Aktien in der Ukraine und in Kasachstan gemacht, aber auch eine attraktive russische Aktie aus dem IT-Bereich mit hohem Wachstumspotenzial vorgestellt. Dort wird Ihnen außerdem aufgezeigt, wie sie mit Cross-Hedging Geld verdienen oder Ihr Vermögen mehren können.

Der Beitrag ist erschienen am 20. August 2014 unter www.andreas-maennicke.de und wurde am 29. August aktualisiert. Im neuen Video von Andreas Männicke vom 31. August 2014 in EastStockTV (www.eaststock.de), Folge 35 über das Thema: „Lügen, Verschleierungen und Manipulationen im Krieg!“ gibt es zudem weitere Informationen mit den neuen Aussichten für die Welt- und Ostbörsen. Der Autor diskutiert auch gerne mit Ihnen unter http://go.guidants.com/de#c/Andreas_Maennicke.

 

Andreas Männicke

Bildquellen

  • fotolia_31551207: Eisenhans / stock.adobe.com (Fotolia)
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