Krankenkassen und Gesundheitspolitiker haben Forderungen der Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Nordrhein (NRW) nach Praxisgebühren von bis zu 25 Euro pro Arztbesuch mit ungewöhnlicher Schärfe zurückgewiesen. Es sei „ein Armutszeugnis, wenn sich die Kreativität von Ärztevertretern darin erschöpft, die ohnehin durch Zuzahlungen und Beiträge stark belasteten Patienten noch weiter abkassieren zu wollen“, sagte der Vorstandsvorsitzende der AOK Rheinland-Hamburg, Wilfried Jacobs, dem „Kölner Stadt-Anzeiger“ (Mittwoch-Ausgabe).
KV-Nordrhein-Chef Leonhard Hansen hatte gefordert, pro Arztbesuch 5 bis 10 Euro Praxisgebühr zu erheben. Facharztbesuche ohne Hausarzt-Überweisung sollten bis zu 25 Euro kosten, da „die Hemmschwelle, ärztliche Leistungen in Anspruch zu nehmen, immer noch zu niedrig“ sei.
SPD-Gesundheitsexperte: „Völlig absurd“
Der SPD-Bundestagsabgeordnete und Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte Hansens Vorstoß „vollkommen absurd“. Schließlich bestellten die Ärzte selbst die Patienten immer wieder zu neuen Terminen ein und seien somit für die hohe Zahl der Praxiskontakte mitverantwortlich. „Den Patienten dafür in die Tasche greifen zu wollen, ist schlicht frech“, sagte Lauterbach der Zeitung.
AOK-Chef kritisiert Ineffektivität des medizinischen Betriebs
AOK-Chef Jacobs wies auf Ineffektivitäten des medizinischen Betriebs hin, durch die „jedes Jahr Milliardensummen ohne den geringsten Nutzen für die Patienten“ verschwendet würden. Die KV belege ihre „Unfähigkeit, zur Abhilfe taugliche Vorschläge zu unterbreiten“, sagte Jacobs. Selbst der Sprecher der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Roland Stahl, ging auf vorsichtige Distanz zu Hansens Vorstoß: „Eine Debatte über mehr Selbstverantwortung der Versicherten ist grundsätzlich notwendig, aber nicht unbedingt in Form höherer Selbstbeteiligungen. Wir reden einer Ausweitung der Praxisgebühren jedenfalls nicht das Wort.“
ots / Kölner Stadt-Anzeiger