Ist eine aus der Literatur bekannte Figur – in diesem Fall Pippi Langstrumpf – wettbewerbsrechtlich gegen eine Benutzung als Karnevalskostüm geschützt? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof in Karlsruhe auseinandergesetzt.
Der Fall: Bei dem Beklagten handelt es sich um den Lebensmitteldiscounter Penny. Zur Bewerbung von Karnevalskostümen zeigte er im Januar 2010 die Abbildungen eines Mädchens und einer jungen Frau, die mit dem Karnevalskostüm verkleidet waren. Sowohl das Mädchen als auch die junge Frau trugen eine rote Perücke mit abstehenden Zöpfen und ein T-Shirt sowie Strümpfe mit rotem und grünem Ringelmuster. Die Fotografien waren bundesweit in Verkaufsprospekten, auf Vorankündigungsplakaten in den Filialmärkten sowie in Zeitungsanzeigen abgedruckt und über die Internetseite der Beklagten abrufbar. Darüber hinaus waren die Abbildungen den jeweiligen Kostümsets beigefügt, von denen die Beklagte insgesamt mehr als 15.000 Stück verkaufte.
Dagegen klagte die Erbengemeinschaft der schwedischen Schriftstellerin Astrid Lindgren, die für sich in Anspruch nimmt, über Rechte am künstlerischen Schaffen von Astrid Lindgren zu verfügen. Die Erbengemeinschaft ist der Auffassung, die Beklagte habe mit ihrer Werbung die urheberrechtlichen Nutzungsrechte an der literarischen Figur Pippi Langstrumpf verletzt sowie gegen wettbewerbsrechtliche Vorschriften verstoßen, weil die Beklagte sich in den verwendeten Abbildungen an diese Figur angelehnt habe. Aus diesem Grund stehe ihr Schadensersatz in Höhe einer fiktiven Lizenzgebühr von 50.000 Euro zu.
Die richterlichen Entscheidungen: Das Landgericht Köln (Urteil vom 10. August 2011 – 28 O 117/11) hatte den Lebensmitteldiscounter gemäß dem Antrag der Klägerin verurteilt. Die Berufung des Discounters gegen das Urteil blieb erfolglos. Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 24. Februar 2012 – 6 U 176/11) ging in seinem ersten Berufungsurteil davon aus, dass den Lindgren-Erben der geltend gemachte urheberrechtliche Anspruch nach Paragraph 97 Abs. 2 UrhG zustehe. Auf die Revision der Beklagten hob der Bundesgerichtshof das Berufungsurteil auf und wies die Klage ab, soweit diese auf Ansprüche aus dem Urheberrecht gestützt war. Im Hinblick auf die hilfsweise geltend gemachten wettbewerbsrechtlichen Ansprüche verwies der Bundesgerichtshof die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Oberlandesgericht zurück (BGH-Urteil vom 17. Juli 2013 – I ZR 52/12 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm I).
Mit seinem zweiten Berufungsurteil wies das Oberlandesgericht Köln die Klage (Urteil vom 20. Juni 2014 – 6 U 176/11) auch im Hinblick auf wettbewerbsrechtliche Ansprüche ab. Es hatte angenommen, dass sich der Zahlungsanspruch nicht unter dem Gesichtspunkt eines wettbewerbsrechtlichen Nachahmungsschutzes nach Paragraph 4 Nr. 9 Buchst. a und b UWG ergebe. Die Begründung: Die Abbildung eines Mädchens und einer jungen Frau in einem Pippi-Langstrumpf-Kostüm stelle zwar eine nachschaffende Nachahmung der Romanfigur von Astrid Lindgren dar. Besondere Umstände, die dieses Verhalten unlauter erscheinen ließen, seien aber nicht gegeben. Eine unlautere Herkunftstäuschung scheide ebenso aus wie eine unangemessene Ausnutzung oder Beeinträchtigung der Wertschätzung der Romanfigur Pippi Langstrumpf.
Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgte die Erbengemeinschaft ihren Klageantrag weiter. Der Bundesgerichtshof wies die Revision zurück. Ein Anspruch gemäß Paragraph 4 Nr. 9 UWG scheide aus. Zwar könne auch eine literarische Figur dem Schutz dieser Bestimmung unterfallen. In dem verhandelten Fall fehle jedoch die Nachahmung. An eine Nachahmung einer Romanfigur durch Übernahme von Merkmalen, die wettbewerblich eigenartig sind, in eine andere Produktart, wie sie bei einem Karnevalskostüm gegeben ist, seien keine geringen Anforderungen zu stellen. Im Streitfall bestünden zwischen den Merkmalen, die die Romanfigur Pippi Langstrumpf ausmachen, und der Gestaltung des Kostüms nur so geringe Übereinstimmungen, dass keine Nachahmung vorliege.
Der klagenden Lindgren-Erbengemeinschaft steht laut der höchstrichterlichen Entscheidung auch kein Anspruch aus der wettbewerbsrechtlichen Generalklausel gemäß Paragraph 3 Abs. 1 UWG zu. Im Streitfall sei nicht ersichtlich, dass eine durch die Anwendung der Generalklausel zu schließende Schutzlücke bestehe. Die von der Klägerin oder ihren Lizenznehmern vertriebenen konkreten Merchandising-Artikel sind gegen Nachahmungen unter den Voraussetzungen des Paragraphen 4 Nr. 9 UWG geschützt. Der Klägerin steht es zudem frei, das Erscheinungsbild solcher Produkte als Marke und Design schützen zu lassen. Darüber hinausgehend ist es wettbewerbsrechtlich nicht geboten, denjenigen, der eine Leistung erbringt, grundsätzlich auch an allen späteren Auswertungsarten seiner Leistung zu beteiligen (BGH-Urteil vom 19. November 2015 – I ZR 149/14 – Pippi-Langstrumpf-Kostüm II; Quelle: Pressemitteilung des Bundesgerichtshofs vom 19. November 2015).
