Das Wort Jahreswechsel löst bei mir geradezu reflexhaft den Imperativ aus: Vergiss bloß nicht, deinen aktuellen Strom- und Gasanbietern zu kündigen. Für die Leute der Energieversorgungsunternehmen am anderen Ende der Leitung bin ich der klassische Fall: ein Tarifhopper. Kein Angebot zur Vertragsverlängerung kann mich zum Bleiben bewegen, denn kein Angebot schlägt den Neukundenrabatt.
Ich kenne aber Menschen, die waren immer schon bei den städtischen Energieversorgern, weil sie fürchten, sonst im Dunkeln und Kalten zu sitzen. Ein Anbieterwechsel? Das geht gar nicht. Oft sind es dieselben, die seit ihrer Geburt bei derselben Kasse krankenversichert sind.
Bei Fußballclubs sind solche lebenslangen Zugehörigkeiten die Regel. Hier wird zumeist von den Vätern festgelegt, in welchen Verein die Söhne und auch das eine oder andere Töchterchen hineingeboren werden.
Seit vielen Jahren kündige ich also notorisch meine Energieverträge über toptarif.de. Natürlich bei immer dem gleichen Anbieter. Keine Ahnung, warum ich nicht auch mal bei verivox oder check24 reingucke. Irgendwann habe ich den Überblick verloren, vom wem ich aktuell mit Strom und Gas versorgt werde. Doch nachdem ich eine Datei angelegt hatte, lief alles nach Plan.
Bis ich an ein Energieversorgungsunternehmen geriet, das sich ausspricht wie ein listiges Tier aus dem Reich der Fabel. Genau, das mit dem roten Fell und der spitzen Schnauze. Statt einer Bestätigung meiner schriftlichen Kündigung bekam ich eine Mail. In der stand, dass man dort meinen Vertrag zur Kündigung vorgemerkt hätte. Und weil das Unternehmen „vermehrt Missbrauch bei Kündigungen feststellen“ konnte, sei es notwendig, dass ich mich innerhalb der nächsten 14 Tage telefonisch mit dem Kundenservice in Verbindung setzen sollte. Andernfalls könne man die Kündigung zum gewünschten Termin nicht umsetzen, so die unangenehme Botschaft.
Das war so listig, dass ich dies umgehend der Verbraucherzentrale mitteilte, die mich nach Sichtung der Unterlagen zu einer Sammelklage einlud.
Tarifhopper als Neologismus in den Duden
Das Wort Tarifhopper sucht man vergeblich im Duden, es ist also im allgemeinen Sprachgebrauch noch nicht angekommen. Den Begriff Hopper-Tickets hingegen findet man bereits im Zusammenhang mit Verkaufsstrategien von Regionalbahnen im Netz.
Vielleicht hat Tarifhopper das Zeug zum Wort des Jahres 2017. Mit den Jugendwörtern 2016 beispielsweise hatte ich nämlich so meine Schwierigkeiten. „Fly sein“ ging gar nicht und von einer „Bambusleitung“ hatte selbst mein Sohn noch nie etwas gehört. Statt irgendwelcher Online-Befragungen mit solch fragwürdigen Ergebnissen schlage ich vor, einfach Harald Martenstein zu fragen. Der Zeitmagazin-Kolumnist hat unlängst das Wort „genau“ als zentrale Sprachmarke der aktuellen Jugend- und jungen Erwachsenensprache identifiziert. Und wer die Ohren aufsperrt, hört „genau“, wie wichtig „genau“ für das sprachliche Ausdrucksverhalten der jungen Generation von 15 bis 25 + zur Zeit ist.
Man wundert sich nur, wie eng „genau“ von der Formel „keine Ahnung“ begleitet wird.
Susan Tuchel