Ruhig Blut zu bewahren ist nicht nur geschäftlich von Vorteil. Denn Wutausbrüche sind ein bekannter Trigger für Herzinfarkt und Schlaganfall. Wie Sie als Business-Diplomat dafür sorgen können, dass der berühmte Tropfen das Fass nicht zum Überlaufen bringt.
In den ersten beiden Stunden nach einem Wutausbruch erhöht sich das Risiko auf einen Herzinfarkt oder andere akute koronare Syndrome um den Faktor 4 und das Schlaganfallrisiko um mehr als den Faktor 3. Ausgewachsene Choleriker mit durchschnittlich fünf Wutausbrüchen am Tag leben in der Tat gefährlich.
Elizabeth Mostofsky von der Harvard School of Public Health in Boston errechnete auf der Grundlage verschiedener Studien, dass es dadurch zu 158 bis 657 zusätzlichen kardiovaskulären Ereignissen auf 10.000 Personenjahre kommt. „Das bedeutet, dass etwa jeder 15. Choleriker Gefahr läuft, durch einen seiner 1.825 jährlichen Wutausbrüche in eine lebensgefährliche Situation zu geraten.“ (Quelle: http://www.aerzteblatt.de/nachrichten/57833)
Vor Überraschungen nicht gefeit…
„Gelassenheit ist eine anmutige Form des Selbstbewußtseins“, notierte die österreichische Schriftstellerin Marie Freifrau von Ebner-Eschenbach (1830-1916) in ihren Aphorismen. Gelassenheit sollte man gerade bei Verhandlungen mit anderen Nationalitäten an den Tag legen. Bei Verhandlungen mit Russen, so erzählte ein Manager aus der Stahlbranche, waren die deutschen Gesprächspartner zu Anfang völlig überrascht, als die russischen Verhandlungspartner mit einem Mal aufsprangen und den Kommunismus lobten und den Kapitalismus beschimpften.
Ohne eine gehörige Portion Gelassenheit wird man weder in Russland noch im Nahen Osten oder in China zu einem guten Geschäftsabschluss kommen. Wie weit man allerdings mit seinem Verständnis für die Lage des Gesprächspartners gehen kann und soll, um eine zweckdienliche Beziehung einzugehen, das wird von der eigenen Haltung, der Sinnhaftigkeit, der Nachhaltigkeit und auch von Moral und Ethik bestimmt. Diplomatisch verhandeln heißt nicht, sich mit Haut und Haar zu verkaufen.
Die Waffe der Diplomatie ist das gesprochene Wort
Es gilt das gesprochene Wort – wie immer Sie es gemeint haben. Betrachten wir einmal folgenden kurzen Satz: „Du bist ein Gauner.“ Was kann er nicht alles bedeuten? Er mag Ausdruck von Enttäuschung sein, er kann Genugtuung ausdrücken, eine harmlose Frotzelei sein, er kann ein Schulterklopfen bedeuten, aber auch Neid. Mit Ihrer Mimik, Gestik und Ihrem Tonfall tun Sie auf der Beziehungsebene eine Menge dafür, dass beim Empfänger der Nachricht die Botschaft „richtig“ ankommt.
Für den diplomatischen Umgang sind sowohl die Sach- als auch die Beziehungsebene von großer Bedeutung. Und nicht selten entscheidet die indirekte Mitteilung, die sich aus der Beziehung zueinander ergibt, über den Erfolg einer Mission, über die Unterschrift am Ende des Verhandlungstages.
Sollten Sie selber in einem Gespräch attackiert werden, schlagen Sie den verbalen Ball nicht mit aller Wucht zurück, sondern kontern Sie nach- und umsichtig. Ihr Gesprächspartner möchte keine reine Antwort auf der Sachebene, er möchte immer auch eine persönliche, eine auf die Beziehung bezogene Antwort.
Meine Gelassenheitstipps für den Ernstfall:
- Nehmen Sie eine Beschimpfung oder leichte Kränkung einfach nicht an. Lassen Sie sie ins Leere laufen, indem Sie erst einmal ein paar Sekunden schweigen, aber nicht so lange, dass es peinlich wird. Bleiben Sie aber auf keinen Fall sprachlos.
- Kontern Sie bei Wiederholungen sanft und einfühlsam.
- Wechseln Sie das Thema.
- Stellen Sie eine sachliche Frage zum Thema.
Ihr diplomatisches Ziel sollte sein, eine andauernde Gegnerschaft zu vermeiden. Besser ist es, einen Verbündeten auf Zeit zu gewinnen. „Der beste Aussichtsturm des Lebens ist die Gelassenheit“, hat der österreichische Lehrer und Schriftsteller Ernst Ferstl einmal gesagt. Gönnen Sie sich diesen Weitblick auch im Geschäftsalltag.
Wulf-Hinnerk Vauk
