Interne Mitarbeiterkonflikte schmälern die produktive Arbeitszeit um zehn bis 15 Prozent. Business-Diplomatie hilft, diese Kosten zu verringern.
„Normale Konflikte haben meist unnormale Auswirkungen“ hat der Immobilienfachmann und Aphoristiker Julian Nasiri einmal festgestellt. In einem Unternehmen schlagen sich die Auswirkungen von Konflikten ganz handfest in den Bilanzen nieder.
Gerne wird in diesem Kontext ein Rechenbeispiel aus einer Studie der Unternehmensberatung KPMG herangezogen: „1. Wenn sich ein Mitarbeiter eine Stunde lang mit seinem Vorgesetzten streitet und anschließend pünktlich zu seinem Feierabend wutentbrannt das Unternehmen verlässt, hat er bis dahin gemeinsam mit seinem Vorgesetzten 2 Stunden Arbeitszeit für den Konflikt aufgewendet. Nehmen wir nun an die Stunde des Vorgesetzten kostet das Unternehmen intern 100 Euro und die Stunde des Arbeitnehmers kostet das Unternehmen 50 Euro, so entstehen hier zunächst Konfliktkosten von 150 Euro. 2. Regt sich derselbe Vorgesetzte danach 30 Minuten über das Gespräch auf, sodass er den nachfolgenden Termin mit seinen Führungskräften um eine Viertelstunde später wahrnimmt und diese untätig auf ihn warten müssen, so entstehen folgende Kosten: Zunächst 50 Euro für die halbe Stunde des Vorgesetzten und anschließend 15 Minuten Wartezeit pro anwesendem Meetingteilnehmer, in diesem Fall 10 Führungskräfte, mit einem Stundensatz von 80 Euro, d. h. also 200 Euro Konfliktkosten. Dieses Beispiel zeigt, dass die Viertelstunde Warten der Führungskräfte teurer für das Unternehmen war als die einstündige Diskussion zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter.“ (zur Originalquelle)
Deshalb sollte eigentlich jedes Unternehmen und vor allem jeder Konzern, bei denen die Konfliktkosten besonders hoch ausfallen, darauf erpicht sein, dass das individuelle Konfliktverhalten seiner Mitarbeiter geschult wird, sowohl im Mittelmanagement, aber vor allem im oberen Management.
Konflikte diplomatisch managen
Bei einem Blick in die oberen Führungsetagen erweisen sich die Konflikte noch einmal dramatischer. 30 bis 50 Prozent der wöchentlichen Arbeitszeit von Führungskräften werden direkt oder indirekt mit Reibungsverlusten, Konflikten oder Konfliktfolgen verbracht. Doch wie der unproduktiven Arbeits- und Lebenszeit aus dem Weg gehen?
Business-Diplomatie setzt darauf, Konflikte und offenen Streit durch taktisches Zurückweichen zu vermeiden. Ein taktischer Rückzug kann beispielsweise sein, der anderen Seite vorzuschlagen, die Gespräche zu unterbrechen und zu einem genau festgelegten Zeitraum erneut zusammenzukommen. So hat jeder die Chance seinen Standpunkt noch einmal zu überdenken und zur Ruhe zu kommen.
Beginnen Sie das Gespräch wieder, indem Sie die Gemeinsamkeiten hervorheben und sich Ihren Ärger nicht anmerken lassen. Handlungsbedarf besteht jedoch dann, wenn sich erneut Spannungen aufbauen, ein gereizter Unterton vernehmbar ist oder ein Gesprächspartner die Contenance verliert. In einem solchen Fall teilen Sie Ihrem Gegenüber mit, dass Sie sich unsicher, erstaunt, verlassen oder gekränkt fühlen.
Hinter Äußerungen Ihres Gegenübers wie: „Ich sehe keine Möglichkeit, das wirklich durchzubringen!“ verbirgt sich eine Unsicherheit und die indirekte Frage: „Was können Sie mir denn sonst noch anbieten?“ Wenn Sie dies erkennen, wird das Meeting mit Ihren Kollegen oder die Verhandlung mit einem Kunden eine bessere Wendung nehmen, als Sie zuvor gedacht haben.
Als Business-Diplomat halte ich es mit dem amerikanischen Politiker J. William Fulbright (1905-1995), der einmal gesagt hat: „Es ist Unsinn, Türen zuzuschlagen, wenn man sie angelehnt lassen kann.“
Wulf-Hinnerk Vauk
