Ob als Übungsleiter im Sportverein, Umweltaktivist oder Mitglied einer Studentenbewegung – Millionen Deutsche engagieren sich, mischen sich ein und das am liebsten in einem Verein. Der Verein ist nach wie vor das Rückgrat des zivilgesellschaftlichen Lebens. Der Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft empfiehlt, dass Vereine von der Politik stärker gefördert werden sollen.
17,5 Millionen Bürger engagieren sich in mehr als 600.000 Organisationen. Das sind 50.000 Organisationen mehr als vor 20 Jahren. 97 Prozent dieser mehr als 600.000 zivilgesellschaftlichen Organisationen sind Vereine. Das ist ein Ergebnis der Studie Zivilgesellschaft in Zahlen (ZiviZ), die Ende 2013 von Stifterverband für die Deutsche Wissenschaft, Bertelsmann Stiftung und Fritz Thyssen Stiftung erstellt wurde.
Die organisierte Zivilgesellschaft erstmals statistisch erfasst
Zivilgesellschaftliches Leben ist nicht nur der Sportverein um die Ecke. Zivilgesellschaftliches Leben ist auch die Musikschule im Ort, das nächste Krankenhaus oder der Kindergarten der Stadt. Das bedeutet, eine lebendige Demokratie kann es ohne Zivilgesellschaft nicht geben. In der statistischen Beobachtung wurde die organisierte Zivilgesellschaft bisher jedoch vernachlässigt. Das Projekt ZiviZ will diese Lücke schließen und hat den Dritten Sektor erstmals unter die Lupe genommen.
Mit den repräsentativ erhobenen Daten über zivilgesellschaftliche Strukturen und Prozesse möchte der Stifterverband Kommunen, Ländern und der Bundesregierung wertvolle Orientierungen für Kernfragen und Ansatzpunkte für eine zukunftsorientierte Zivilgesellschaftspolitik geben. Auch sollen sie dazu dienen, den Dialog von Forschung und Förderung weiter auszubauen.
Eine fundierte Basis, die Zivilgesellschaft besser zu verstehen
Die Autoren der ZiviZ-Studie haben die gesamte organisierte Zivilgesellschaft statistisch erfasst. Wurde bisher von der Zivilgesellschaft in Deutschland geredet, dann sei dies immer ein verschwommener Begriff ohne konkrete Fakten gewesen. Die ZiviZ-Studie liefere nun der Bundesregierung und allen Entscheidern eine fundierte Basis, die Zivilgesellschaft besser zu verstehen. 17,5 Millionen Ehrenamtliche in fast 600.000 Vereinen – das sei ein überaus komplexes Gebilde – und je nach Bundesland mit unterschiedlich gefestigtem Fundament was die Zahl der engagierten, die Masse der Vereine oder die vorhandenen Mittel angehe, so Brigitte Mohn, Vorstand der Bertelsmann Stiftung.
Freiwilliges Engagement und Ehrenamt sind angesagt
Das Ergebnis der Studie: Das freiwillige Engagement im Verein ist kein Auslaufmodell sondern der Regelfall. Allerdings nimmt die Bedeutung von Stiftungen, gemeinnützigen GmbHs und Genossenschaften in den vergangenen Jahren immer mehr zu. Das heißt, die typische zivilgesellschaftliche Organisation gibt es nicht. Im Bereich Sport zum Beispiel gibt es 99 Prozent Vereine und nur 1 Prozent Stiftungen. Bei Bildung und Erziehung gibt es dagegen mit 25 Prozent deutlich mehr Stiftungen und gemeinnützige GmbHs.
Fast zwei Drittel der Vereine sind in den Bereichen Sport, Kultur und Freizeit zu finden. Gefolgt von den Bereichen Bildung und Erziehung, wie freie Schulen, Kindergärten oder Fördervereinen. Einen Gründungsboom gab es in den vergangenen Jahren vor allem bei den sozialen Diensten und im Bereich Gesundheitswesen. Hier wurde seit dem Jahr 2000 fast jeder zweite Verein gegründet.
Regional ist die Vereinsdichte sehr unterschiedlich. Vor allem im Süden der alten Republik und in den neuen Bundesländern gibt es die meisten Vereine. Spitzenreiter ist Thüringen. Hier kommen neun Vereine auf 1.000 Einwohner. Schleswig-Holstein und die Stadtstaaten bilden das Schlusslicht.
Die Autoren der Studie stellten fest: Je kleiner der Verein, desto größer die Probleme bei der Nachwuchsgewinnung. Der Bund habe zwar durch den Ausbau und die Weiterentwicklung von Freiwilligenagenturen, Mehrgenerationenhäusern, Senioren- und Familienbüros versucht, Vereine, Initiativen und andere Vereinigungen in ihren Aktivitäten zu unterstützen. Offenbar aber mit wenig Erfolg. Viele Aktivitäten gingen an den Betroffenen, an den kleinen Vereinen vorbei.
Die kleinen, rein ehrenamtlichen Aktiven – mehr als die Hälfte der Organisationen – erhielten außerdem keine öffentlichen Gelder. Für sie spiele die materielle Förderung durch Dritte eine wesentliche Rolle. Die Bereitstellung von Personal oder Serviceleistungen, von Sachmitteln oder von Infrastrukturen wie Räumen für die Vereinsnutzung oder Sportstätten seien wichtige Bestandteile im Ressourcenmix. Um diese Förderung systematisch aufzubauen und verlässlich zu gestalten, sollten Plattformen, etwa Tauschringe oder -börsen, entwickelt werden.
Nur ein Drittel der zivilgesellschaftlichen Organisationen finanzierten sich auch über öffentliche Mittel. Den größten Anteil bekämen Organisationen in den sozialstaatsnahen Bereichen soziale Dienste, Gesundheit sowie Bildung und Erziehung. Um diese Bereiche auch nachhaltig finanziell zu unterstützen, empfehlen die Autoren der Studie, dass öffentliche Mittel langfristiger bewilligt und breiter gestreut werden müssten.