Aber ein Patent auf Leben kann es das geben?
Die komplexe Welt lehrt: Es gibt nichts, was es nicht gibt. Tatsächlich existieren Rechte an Pflanzen und Tieren. Die heißen Biopatente und beziehen sich eigentlich nur auf das biotechnische Zuchtverfahren. Doch die Rechte werden derart großzügig ausgelegt, dass sie Eigentumsansprüche an kompletten Lebewesen plus deren Nachkommen gleich mitumfassen. Die Genforschung rüttelt auch hier an ethischen Grenzen, insbesondere in dem Bereich, wo traditionelle Züchtung und technischer Einsatz sich vermengen. Die Sachlage wird besonders skurril, wenn das Verfahren zur Entdeckung nicht der Erfindung! – eines bestimmten Leistungsgens bei Fauna und Flora zum Patent an eben diesen besonders begabten Geschöpfen führt.
Zurzeit wird am Europäischen Patentamt über den Besitz an einer Brokkolipflanze diskutiert, die besonders viel von einem krebsschützenden Stoff enthalten soll. Bleibts beim Brokkoli-Patent hält der Eigentümer einen Verkaufsschlager in den Händen, der vermutlich alle anderen Kohlröschen aus Regal und Beet verdrängen wird.
Ein Patent auf Leben klingt irrational, selbst bei noch so viel Verständnis für den Schutz an Forschung und Entwicklung. Da ist sich selbst die Regierung einig. Die Schöpfung gehöre allen, tönt es da aus politischem Munde.
Ich glaube: Die Schöpfung gehört niemandem. Für Gläubige oder Wissenschaftler könnte hier nur der liebe Gott oder die Natur selbst Ansprüche erheben. Der Mensch ist zwar der unbestrittene, weil eigenmächtige Nutznießer aller natürlichen Ressourcen, nicht aber ihr Besitzer. Beseelt von diesem selbstgerechten Anspruch, nutzen wir die natürlichen Schätze nicht nur, wir vernichten sie. Die Vereinten Nationen rechneten vor kurzem vor, dass die 3000 größten Unternehmen der Welt Umweltschäden in Höhe von 1,7 Billionen Euro zu verantworten haben.
Vielleicht wäre eine Eigentumsübertragung auf Zeit an der Natur durchaus heilsam, würde doch dann der Grundsatz gelten: „Eigentum verpflichtet“.
Allerdings löst Besitz nicht nur Verantwortungsbewusstsein aus, sondern vor allem Egoismus. Und Letzterer wird ökonomisch übersetzt in Gewinnstreben auf weitreichende Biopatente setzen und womöglich damit ein neues Kapitel in der Kommerzialisierung des Lebens aufschlagen. Das Vorwort hierfür scheint ja schon geschrieben.
Also, entdecken Sie an sich besondere Fähigkeiten und geben sie diese an Ihre Kinder weiter, dann sollten Sie sich Ihre Familie auf jeden Fall patentieren lassen. Bevor es in Zukunft jemand anderes tut.
Über den Autoren:
Schwarzmann ist Autor von zahlreichen Fachstudien, literarischen Zukunftsexpeditionen, Kommentaren und Büchern und verfasst das Magazin „DER VORDENKER“.
Werdegang:
In 1995 gründete Schwarzmann das Institut für Zukunftskonditionierung, initiierte das Zukunftsforum unter der Schirmherrschaft des damaligen baden-württembergischen Wirtschaftsministers und installierte den internationalen Think-Tank Future Business Group. In 1996 folgt gemeinsam mit dem Medienspezialisten Nick Bley die Gründung der Bley-und-Schwarzmann-Gesellschaft für ökonomische Zukunftsforschung, die in 2000 mit dem Institut zur Aktiengesellschaft verschmilzt. Die Bley und Schwarzmann AG konzentriert sich auf Researchanalysen und Forecast-Szenarien sowie auf die Produktion von Publikationen.
Oliver W. Schwarzmann
