760 Spieler aus 80 Ländern treten im Deutzer Messegelände gegeneinander an, um die Besten bei verschiedenen elektronischen Spielen zu ermitteln. Es geht bei weitem nicht nur um die Ehre sondern auch um hohe, oft sechsstellige, Gewinne. „Counter Strike“, „Warcraft“, „Sims“ oder „FIFA“ gehören zu den populärsten Games, die weltweit Millionen Fans faszinieren.
Köln war frühzeitig am Start im Kampf um die wichtigsten Repräsentanten des neuen Trends. So wie die Domstadt das Rennen um die privaten und öffentlich-rechtlichen TV-Anstalten gegen München, Hamburg und Berlin gewonnen hatte, so soll auch die Gaming Szene hier starke Wurzeln schlagen. Mit „Electronic Arts Deutschland (EA)“ sitzt der weltweit zweitgrößte Publisher von Games im Rheinauhafen. Die ebenfalls in Köln ansässige Turtle Entertainment GmbH organisiert die Electronic Sports League (ESL). Das Unternehmen ist europäischer Marktführer in diesem Bereich.
850 000 eSportler
“In der ESL sind weltweit über 850.000 eSportler registriert. Monatlich kommen ungefähr 10.000 neue eSportler hinzu,“ sagt Ibrahim Mazari, Pressesprecher der Turtle GmbH. „eSport ist digitaler, mentaler Sport. Der Begriff bezeichnet den Wettkampf im Spielen von Computerspielen im Mehrspielermodus. eSportler betreiben mentalen Sport. Eine Studie der Universität Witten Herdecke spricht von Reaktionsgeschwindigkeit, Konzentration sowie taktischem und theoretischem Verständnis. Spitzen-Warcraft 3-Spieler interagieren über 400 Mal pro Minute mit dem Spiel.“
Er betrachtet eSport als Jugendkultur, die Menschen auf der ganzen Welt anspricht und verbindet. Die Electronic Sports League ist in 30 Ländern aktiv und organisiert weltweite Turniere wie die Intel Extreme Masters. Die über 850.000 Nutzer weltweit haben ein Durchschnittsalter von 19 Jahren.
Zur Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft in Köln war die 40 Mann starke deutsche Nationalmannschaft im adidas-Trainingslager in Herzogenaurach. Ein 15köpfiges Team von Funktionären, darunter ein Psychologe, ein Physiotherapeut und Strategie-Berater, hat das Training begleitet und betreut die eSportler auch während der Kämpfe in Köln.
Im „ewigen Medaillenspiegel“ steht Deutschland nach Südkorea und den USA auf dem dritten Platz. Lokalfavorit ist „n!faculty“, kurz „n!“. Das ist ein Kölner E-Sport-Clan, der 1999 gegründet wurde und seit 2003 als eingetragener Verein registriert ist. Er zählt zu den bekanntesten deutschen Clans und spielt seit der ersten Saison in der ESL Pro Series. Zu den größten Erfolgen im professionellen Bereich zählt der Gewinn der ESL Pro Series in Counter-Strike: Source Ende 2007 sowie der zweite Platz in Counter-Strike ein halbes Jahr darauf. Die Counter-Strike-Mannschaft nahm außerdem am Electronic Sports World Cup 2008 teil. Der Clan engagiert in der Jugendförderung, im Jugendschutz sowie in der Vermittlung von Medienkompetenz. Außerdem setzt er sich für Anerkennung des E-Sports in Politik und Gesellschaft ein wie Nintendo, Playstation.
Multiplayer Games im Abo
Bei diesen Multiplayer Games können viele Spieler zeitgleich und international über das Internet gegeneinander spielen. Für eine dauerhafte Nutzung dieses Angebots muss ein monatlicher Abonnement-Beitrag gezahlt werden. Ein Beispiel hierfür ist das Spiel „World of Warcraft“. Seit Start des Spiels im Jahr 2004 hat „World of Warcraft“ bereits 850.000 Abonnenten in Deutschland gewinnen können. Zusätzlich zu dem Spielepreis von rund 35 Euro müssen monatlich ca. 10 Euro an den Spieleentwickler Blizzard Entertainment gezahlt werden, der zum Medienkonzern Vivendi gehört.
Neben EA, Turtle und dem Software-Giganten Microsoft mit seinem neuen NRW-Hauptquartier im Rheinauhafen will auch die neu gegründete Games Campus Cologne GmbH im neuen Trend mitmischen. Gründer Thomas Zeitner will in Zusammenarbeit mit der Sporthochschule Programme zur Steigerung der persönlichen Fitness entwickeln und im nächsten Jahr auf den Markt bringen. Zeitner war zuvor Geschäftsführer bei Electronic Arts.
Master of Game Development
So wichtig wie die Ansiedlung von Firmen für die Entwicklung und die Vermarktung von eGames ist die Unterstützung durch die Wissenschaft. Denn die Zeiten, in denen verbissene Tüftler und unerkannte Talente Spiele schmieden konnten, die die Welt eroberten, sind im Prinzip vorbei. Die Kölner Fachhochschule, an der 400 Professoren und Professorinnen 16.000 Studenten betreuen, gilt als Kompetenzzentrum für Computerspiele. Im Herbst letzten Jahres wurde dort das Cologne Game Labe gegründet. Dort wird zum Beginn des Wintersemesters 2009/2010 der zweijährige Master-Studiengang Game Development & Research angeboten. Der Start war zunächst schon für diesen Herbst angekündigt worden, muss aber laut Pressesprecherin Sybille Fuhrmann um ein Jahr verschoben werden.
Die Fächer Game Design, audiovisuelles Design, Programmierung und Management werden unterrichtet. „Durch die enge Verzahnung von Spieleentwicklung und – forschung wird das CGL in Europa eine einzigartige Institution werden,“ begründet die Fachhochschule das neue Studienangebot. Kölns OB Fritz Schramma lobt die Initiative: „So schleißt die Fachhochschule eine Lücke in der Ausbildung einer Wachstumsbranche. Das ist ein weiteres Signal für das Engagement Kölns gegenüber der deutschen Games-Branche.“
Branche wächst mit 6,6 % jährlich
An der Fresenius Hochschule im MediaPark erforscht Prof. Dr. Werner Schwaderlapp in seinem Medien + Entertainment Management Institut u.a. die Bedeutung der Game-Branche. Von 2006 bis 2011 wird der Markt um 554 Mio Euro auf 2.049 Mio Euro wachsen, im Durchschnitt jährlich um 6,6%. Dabei entwickeln sich die sogenannten „Konsolenspiele“ am schnellsten. Im letzten Jahr wurden in Deutschland fast vier Millionen Spielekonsolen (u. a. Nintendo Wii, Playstation oder Xbox) verkauft.
Während der Durchschnittsbürger täglich 21 Minuten Zeitung liest und 168 Minuten in den Fernseher schaut, „flippert“ er 20 Minuten mit seinen verschiedenen Game-Geräten und nutzt 59 Minuten das Internet.
Bei einem Vortrag vor den Mitgliedern und Gästen von City-Marketing Köln erklärte Prof. Schwaderlapp insbesondere ältere Menschen und Frauen würden in Zukunft stärker die Umsätze des Spielemarktes beeinflussen und von den Herstellern als Zielgruppe mit noch weitgehend unerschlossenem Potenzial gezielt angesprochen werden. Bei den Simulationsspielen geht es um Strategie und Emotionen; diese Kombination ist bei Frauen sehr beliebt.
„Games sind als normales Mitglied in der Medienwelt angekommen. Sie haben großes Entwicklungspotenzial für den Standort Köln,“ prophezeite Prof. Schwaderlapp seinen Zuhörern.
Ulrich Gross
