Über einen solchen Fall hatten wir im GmbH-Tip 9/2010 auf der Seite 2 berichtet. Zur Erinnerung: Ein Minderheitsgesellschafter hatte die angebliche Befangenheit der Mitgesellschafter geltend gemacht mit dem Ziel, sie von der Abstimmung auszuschließen und so die Mehrheit an sich zu reißen.
Zumindest verfahrensrechtlich sollte beim Ablauf einer Gesellschafterversammlung alles „sauber“ ablaufen. Vor diesem Hintergrund kann es sich anbieten, mit der Leitung der Gesellschafterversammlung einen unabhängigen Dritten als „Moderator“ zu betrauen.
Beispiele:
- Es stehen existenzwichtige oder grundlegende Entscheidungen zur Investitions- oder Geschäftspolitik an, bei denen die Gesellschafter konträre Positionen vertreten. Hier kann es hilfreich sein, dass ein neutraler Dritter als Versammlungsleiter für eine ordnungsgemäße Aussprache unter den Gesellschaftern sorgt, bei dem jeder zu seinem (Rede-)Recht kommt. Im besten Fall kann ein solcher Moderator Differenzen entschärfen, überbrücken und die Gesellschafter zu konsensfähigen Beschlüssen anregen, was der Handlungsfähigkeit der GmbH zugutekommt.
- Der (die) geschäftsführende(n) Gesellschafter stehen in der besonderen Kritik der Mitgesellschafter, gegebenenfalls seine Amtsenthebung und die Bestellung eines neuen Geschäftsführers. Hier drohen beim Vorwurf von Pflichtverletzungen ein unüberbrückbarer Gesellschafterstreit und Befangenheitsanträge. Auch hier kann ein neutraler Dritter als Versammlungsleiter eventuell Ruhe ins Spiel bringen, zumindest aber dafür sorgen, dass verfahrenstechnisch alles juristisch sauber abläuft.
Bereits in der Satzung kann ein Versammlungsleiter bestimmt sein. Eine solche Fixierung auf eine bestimmte Person sorgt zwar für Kontinuität, hat aber auch den praktischen Nachteil, in Sondersituationen nicht flexibel genug zu sein. Oder der Leiter wird in der Gesellschafterversammlung bestellt. Die einfache Mehrheit der Stimmen reicht dafür (siehe GmbH-Tip 9/2010, Seite 2). Auch ein nicht an der GmbH Beteiligter kann als Versammlungsleiter bestimmt werden.
Der Versammlungsleiter hat die Ordnungsgewalt, also das Recht, z.B. das Wort zu erteilen oder zu entziehen, die Anträge der Gesellschafter entgegenzunehmen und das zahlenmäßige Abstimmungsergebnis festzustellen. Worauf Sie – ob Gesellschafter oder Dritter – als Versammlungsleiter generell und in Konfliktsituationen besonders achten müssen, zeigt die nachfolgende Hintergrund-Info sowie ein Beitrag in der nächsten Ausgabe des GmbH-Tip.
(!) Die Kompetenz zur rechtsverbindlichen Feststellung des Beschlussergebnisses hat er nur beim entsprechenden Einverständnis aller Gesellschafter.
BGH, Beschluss vom 4.5.2009, Az. II ZR 166/07; DStR 2009, S. 2542; GmbH-Stpr. 2/2010, S. 59 f. – (Best.-Nr. GT
Hintergrund-Info
Gesellschafterbeschlüsse, Versammlung, Stimmrecht und Abstimmung
Die Beschlüsse der GmbH-Gesellschafter werden grundsätzlich in einer Versammlung gefasst, die im Regelfall vom Geschäftsführer einberufen wird. Die Einberufung erfolgt durch Einladung der Gesellschafter binnen einer Frist von mindestens einer Woche.
Selbsthilferecht der Gesellschafter
Wenn Gesellschafter zusammen zu mindestens zehn Prozent beteiligt sind, können sie gegenüber der GmbH – diese vertreten durch ihren Geschäftsführer – die Abhaltung einer Gesellschafterversammlung und die Ankündigung von Tagesordnungspunkten erzwingen (Minderheitsrechte nach § 50 GmbH-Gesetz). In ihrem Einberufungsverlangen müssen sie Zweck und Gründe angeben, also Angaben über die Tagesordnung und die Eilbedürftigkeit machen. Der Geschäftsführer muss ihr Einberufungsverlangen schnellstmöglich prüfen und entweder die Versammlung unverzüglich einberufen oder – z.B. bei fadenscheinigen Gründen – die Einberufung ablehnen.
(!) Falls dem Einberufungsverlangen – weder zeitlich noch zum verlangten Zweck – nicht entsprochen wird, haben diese Gesellschafter ein Selbsthilferecht: Sie dürfen die Versammlung unter Ankündigung der Tagesordnung selbst einberufen (§ 50 Abs. 3 GmbH-Gesetz).
Ablauf der Gesellschafterversammlung und Abstimmung
Jeder Gesellschafter hat das Recht auf die Teilnahme und muss vorher ordnungsgemäß und zeitgerecht zu der Versammlung geladen sein. Der per Satzung oder von den Gesellschaftern bestimmte Versammlungsleiter eröffnet und schließt die Versammlung. Er hat die Ordnungsgewalt. Das heißt: Er sorgt für deren geregelten Ablauf, kann also beispielsweise Rederechte zeitlich verkürzen. Er leitet die Beratung und Abstimmung und sorgt für die Einhaltung der gesetzlichen Formalien, insbesondere für die Protokollierung der Beschlüsse.
(!) Die Gesellschafter können auch Beschlüsse fassen, ohne sich zu treffen. Darüber müssen sich aber alle einig sein. Abstimmungen und Beschlüsse können beispielsweise im schriftlichen Verfahren erfolgen. Stimmabgaben müssen mindestens in „Textform“ erfolgen, was wiederum (nach § 126b BGB) bedeutet: Eine E-Mail oder ein Fax genügt.
Die Beschlussfassung erfolgt nach vorheriger Beratung über die entsprechenden Anträge und nach der Abstimmung der Gesellschafter darüber. Von Gesetzes wegen gilt grundsätzlich das Mehrheitsprinzip (§ 47 Abs. 1 GmbH-Gesetz): Die Beschlussfassung richtet sich nach der Mehrheit der abgegebenen Stimmen, wobei laut Gesetz jeder Euro eines Geschäftsanteils eine Stimme ausmacht.
(!) In der Satzung kann festgelegt sein, dass für bestimmte Geschäftsangelegenheiten eine qualifizierte Mehrheit, beispielsweise von 75 Prozent der Stimmen, erforderlich ist, im Extremfall sogar Einstimmigkeit.
Unter besonderen Voraussetzungen, z.B. bei einer Interessenkollision, kann ein Stimmrechtsausschluss bzw. ein Stimmverbot bestehen. Beispiele:
- Tagesordnungspunkt ist eine Pflichtverletzung des Gesellschafters, die ihm als Geschäftsführer zur Last gelegt wird, und die Frage, welche Konsequenzen die GmbH daraus ziehen soll.
- Die GmbH will einen weit reichenden Vertrag mit einem ihrer Gesellschafter abschließen. – In beiden Fällen wäre der Gesellschafter „Richter in eigener Sache“ und darf daher nicht mit stimmen.
Von Gesetzes wegen ist ausdrücklich bestimmt, dass der Gesellschafter, der durch die Beschlussfassung entlastet oder von einer Verbindlichkeit befreit werden soll, ebenfalls kein Stimmrecht hat und ein solches Stimmrecht auch nicht für einen anderen Gesellschafter ausüben darf.
(Tipp) Gesellschafter können sich bei der Ausübung ihres Stimmrechts vertreten lassen, also durch einen Mitgesellschafter oder einen Dritten. Per Satzung kann der Kreis der Personen, die Gesellschafter bei der Stimmabgabe vertreten dürfen, eingeschränkt werden, so etwa auf Rechts-, Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, die von Rechts wegen zur Verschwiegenheit verpflichtet sind.
§§ 47 bis 51 GmbH-Gesetz
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