Wenn Joachim Kardinal Meisner zu einer Buchvorstellung in sein Palais gegenüber der Kölner Industrie- und Handelskammer einlädt, darf man schon gespannt sein. Nicht eine Neuauflage der Bibel sondern einen prächtigen Bildband über die Gotik im Rheinland stellte der oberste Seelenhirte vor. Gutgelaunt bis leutselig begrüßte der Kardinal seine Gäste, die Journalisten, jeden einzelnen mit Handschlag, um dann über die „vergessenen Dimensionen des Schönen“ zu plaudern. Die gotischen Kirchen, an erster Stelle die Dome von Köln, Altenberg, Trier und Xanten, aber auch viele weniger berühmte Kirchen in Düsseldorf, Aachen oder Koblenz, feiert Meisner als „Stein gewordenes Evangelium“ und bescheinigt ihnen „europäisches Niveau“.
Der Kirchenfürst, der oft mit seinen Meinungen aneckt, ließ die Gelegenheit der Pressekonferenz nicht ungenutzt, auch die Stadt Köln anzugreifen. Diese schenke seiner Meinung nach kirchliche Baudenkmälern zu geringe Beachtung. So könnte Kirchen wie der romanischen Basilika St. Gereon oder auch dem Dom durch ehrgeizige Bauvorhaben der Platz für eine würdige Präsentation streitig gemacht. Rund um St. Gereon prozessiert die Kirche um Vorhaben, den romanischen Sakralbau durch profane Neubauten „einzumauern“. Der freie blick auf den Dim wurde nur durch die Unesco gerettet, die mit dem Entzug des Prädikats „Weltkulturerbe“ gedroht hatte, falls in Deutz neue Hochhäuser den Blick auf die Kathedrale verstellen würde.
Konkurrent des Reichstages
„Als ich kürzlich in Berlin war, sagte man mir, dass unser Dom Konkurrent des Reichstags sei. Denn er wird jedes Jahr von doppelt so viel Touristen besucht wie die berühmte Kuppel des Parlaments“, freut sich der Kardinal, der seit 23 Jahren die Kölner Erzdiözese leitet. „Ich will auch im Dom begraben werden“, sagt der 78jährige, der am 25. Dezember 1933 in Breslau geboren wurde.
Die Neuerscheinung „Gotik im Rheinland“ (Greven Verlag, 48 Euro) zeigt auf 240 Seiten mit 230 farbigen Abbildungen neue und ungewohnte Bilder der gotischen Meisterwerke am Rhein. Fotograf Florian Monheim hat – nur mit natürlichem Licht – die besondere Atmosphäre der ehrwürdigen Gotteshäuser sehr gut eingefangen. „Ich habe manchmal eine halbe Stunde belichten müssen“. Textautor Dr. Jürgen Kaiser zeigt in fundierten Schilderungen die künstlerische Bedeutung der rheinischen Dome wie der kleineren Kirchen in Orten wir Frauwüllesheim, Ehrenstein oder Niederwerth.
Ulrich Gross