business-on.de: Was versteht man unter Media-for-Revenue (M4R)?
Ute Henzgen: Bei einer solchen Vereinbarung stellt in der Regel ein Werbevermarkter einem Unternehmen Werbefläche gegen eine Minimumgarantie sowie eine Umsatzbeteiligung zur Verfügung. Das ist auch der Weg bei der Mediengruppe RTL: Wir liefern Medialeistung im möglichen Rahmen und geben darüber hinaus auch Hilfestellung bei Spotkreation und Planung.
„Wenn der Server nach der Ausstrahlung des Spots plötzlich tausende Anfragen bekommt, darf er nicht abstürzen“
business-on.de: Welche Voraussetzungen müssen Startups erfüllen, um an dem Programm teilzunehmen?
Ute Henzgen: Hierfür kommen junge Unternehmen infrage, deren Produkte ein hohes Wachstumspotenzial aufweisen, die aber noch nicht über ausreichende Mittel für die Bewerbung ihrer Produkte in den Massenmedien verfügen. An diesem Punkt kommen wir ins Spiel – zumindest dann, wenn das Startup nach unserer Bewertung „ready for TV“ ist. Bedeutet, dass die Organisation stabil sein muss, um nach Ausstrahlung des TV-Spots dem Kommunikationsdruck standhalten zu können. Das setzt voraus, dass die Technik ausgereift und belastbar ist und das Lager für den Ansturm gerüstet sein muss. Wenn der Server nach der Ausstrahlung des Spots plötzlich tausende Anfragen bekommt, darf er nicht abstürzen – dieser Kontakt wäre verloren. Und wenn Bestellungen eingehen, muss sichergestellt sein, dass sie zügig bearbeitet und ausgeliefert werden können. Kurz gesagt: Das Startup muss „ready for TV“ sein. Und das sind normalerweise solche Startups, die sich bereits in der Wachstumsphase befinden und vor der Herausforderung stehen, Marktzugang zu bekommen und große Absatzzahlen zu erreichen.
business-on.de:Wie groß ist die Reichweite, die Startups mit M4R über IP Deutschland erzielen können?
Ute Henzgen: Das ist nicht pauschal zu beantworten, da hier verschiedene Faktoren eine Rolle spielen. In der Primetime bei RTL haben Sie schnell mal mehrere Millionen Zuschauer. Und da TV direkte Reaktionen schafft, muss ein Startup auch einen solchen Run bewältigen können. Wir verstehen uns daher als Berater für unsere Partner. Wie im klassischen Geschäft gibt es auch hier ein Briefing in dem der Partner sein Wunschszenario hinsichtlich der Ausgestaltung seiner TV-Kampagne skizziert, also Zeitraum, Zielgruppe, Sender und Umfelder. Da diese Deals mit kurzfristig eingebuchten Werbeflächen funktionieren, können Wunschumfelder nicht garantiert werden. Unsere Aufgabe ist es dann, Alternativen aufzuzeigen und Empfehlungen für den richtigen Zeitpunkt auszusprechen. Wie schon erwähnt, ist im Hinblick auf die zu erwartende hohe Reaktion für einen Erstkunden nicht unbedingt empfehlenswert, das Debüt auf einem Samstag in die RTL-Primetime zu legen. Sinnvoller ist der TV-Einstieg an einem Nachmittag, wochentags, beispielsweise bei VOX, um dann sukzessive den Einsatz zu skalieren. Zu Beginn kann auch die Buchung von Spots bei kleineren TV-Sendern der richtige Weg sein.
„Zuschauer reagieren unmittelbar auf Fernsehwerbung“
business-on.de: M4R ist insbesondere für Startups aus dem Bereich E-Commerce interessant. Wieso ist M4R gerade für diese Startups aus diesem Segment so interessant?
Ute Henzgen: Weil es hier eine unmittelbare Verbindung gibt, denn TV-Spots erzeugen eine direkte Reaktion im World Wide Web. Zuschauer reagieren unmittelbar auf Fernsehwerbung – und das sehen vor allem Partner aus dem E-Commerce-Bereich am Traffic auf ihrer Website und an den extremen Ausschlägen in der Google Brand Search.
business-on.de: Neben M4R bietet IP Deutschland auch Media-for-Equity (M4E) an. Worin liegen die Unterschiede?
Ute Henzgen: Bei Media-for-Equity geht es um die Beteiligung an einem Unternehmen. Dieses Modell ähnelt einem Venture Capital – mit dem Unterschied, dass der Vermarkter die Medialeistung als eine Art Sacheinlage einbringt. Bei der Mediengruppe RTL sind wir zurückhaltender, wenn es um Media gegen Equity geht. Wir verfolgen keinen Investorenansatz – unser Fokus liegt eindeutig auf Media-for-Revenue. Bei Bedarf können wir allerdings eine Equity-Komponente mit aufnehmen.
business-on.de: IP Deutschland hat erst vor einigen Jahren mit M4R-Modellen angefangen. Wieso kam der Schritt zu diesem Geschäftsmodell im Vergleich zu anderen Vorreitern wie SevenVentures erst später?
Ute Henzgen: Es stimmt, wir waren sehr lange sehr vorsichtig. Wir wollten zuerst Antworten auf entscheidende Fragen: Wie wollen wir unser Inventar einsetzen? Wie stellen wir die Qualität der Werbeinseln sicher? Alles gute Gründe, um das Thema langsamer als andere anzugehen – bis heute, denn nach wie vor gehen wir sehr selektiv vor und halten die Anzahl der Partnerschaften gering.
„Die Startup-Szene wächst rasant“
business-on.de: In den letzten Jahren haben immer mehr Medienkonzerne M4R eingeführt und die Nachfrage der Startups ist groß. Ist es für Gründer schwieriger geworden an M4R oder M4E heranzukommen?
Ute Henzgen: Richtig, die Startup-Szene wächst rasant. In immer mehr Regionen entwickelt sich eine aktive Startup-Szene und immer mehr bringen den Mut auf zu gründen – was auch der aktuelle Deutsche Startup Monitor belegt. Die Nachfrage steigt dementsprechend stetig an, aber nicht alle Unternehmen passen zu uns. Insofern glaube ich nicht, dass es schwieriger geworden ist, Partner zu finden. Jeder Medienkonzern verfolgt eine andere Strategie und setzt seinen Fokus anders – was also für den einen nicht passt, passt gegebenenfalls für den anderen. Es steckt nach wie vor eine Menge Potenzial in diesem Segment. Am Ende zählt, die richtige Partnerschaft für beide Seiten zu finden, so dass eine Win-Win-Situation entsteht.
business-on.de: Wie viele Startups haben seit Einführung von M4R und M4E bei IP Deutschland von den Vereinbarungen profitieren können? Gibt es prominente Beispiele?
Ute Henzgen: Wie schon erwähnt gehen wir sehr selektiv vor. Wir kommen daher auf durchschnittlich 20 bis 25 Partnerschaften, die parallel on air sind. Inzwischen dürften es rund 100 unterschiedliche Startups gewesen sein, die wir von Fernsehwerbung überzeugt haben. Es gibt reichlich erfolgreiche Beispiele aus den Branchen Food, Möbel, Handel, Immobilien, Partnersuche oder auch Apotheken.
business-on.de: Zum Abschluss: Wie sieht Ihre Bilanz nach drei Jahren M4R und M4E bei IP Deutschland aus? Und wie werden sich M4E und M4R-Modelle weiterentwickeln?
Ute Henzgen: Unsere Unit aus insgesamt sechs Leuten ist hochmotiviert weitere Werbungtreibende von morgen zu langjährigen Partnern der Mediengruppe RTL zu machen. Das ist uns bisher schon sehr gut gelungen. Nachhaltig erfolgreiche Startups werden über kurz oder lang zu klassischen Werbekunden, weil es Sinn macht, spezielle Zielgruppen ab einem bestimmten Bekanntheitsgrad der Marke oder des Produktes auch ganz gezielt anzusprechen. Wir haben daher allen Grund, an unserer bisherigen Strategie festzuhalten.
Christian Weis
