business-on.de: Heidi Klums GNTM läuft in diesem Jahr zum zehnten Mal und immer noch drängeln sich tausende junger Mädchen zum Casting. Warum denken Sie, ist das Modeln für viele Mädchen ein Traumberuf?
Katerina Gottesleben: Ich denke die Mädchen sehen das nicht wirklich als Beruf, sondern als eine Art Geschichte, in der aus einem ganz normalen Mädchen eine Prinzessin wird. Es sind junge Mädchen und sie suchen vielleicht nach Aufmerksamkeit. Die Wenigsten wissen, worauf sie sich da wirklich einlassen.
business-on.de: Sollte es Ihrer Meinung nach besser ein Traum bleiben?
Katerina Gottesleben: Nein, ich denke wenn man das nüchtern sieht und sich als Ziel setzt, davon zu leben, kann man durchaus ein ganz schönes Leben führen. Natürlich muss man die Voraussetzungen dafür mitbringen und ein bisschen sein hübsches Köpfchen einsetzen, um in dem Modezirkus nicht unterzugehen.
business-on.de: Können Sie sich, als mittlerweile im Business etabliertes Model, mit den Zielen und Vorstellungen der jungen Kolleginnen identifizieren?
Katerina Gottesleben: Natürlich. Ich hatte sie doch auch. Am Anfang reicht es völlig aus, Model zu sein. Da ist der Verdienst erst einmal Nebensache, man schwebt auf Wolke sieben. Viele Mädchen träumen jahrelang davon, bis sie den Schritt wirklich wagen. Und ich war auch mal Anfängerin. Und ich war sogar damals bei einer Castingshow (Sat 1 Star Search mit Kai Pflaume). Die gab es noch vor Germany´s next Topmodel.
„GNTM ist eine nette Inszenierung – die Realität sieht anders aus!“
business-on.de: Mit Ihrem Buch „Lisa in Paris – der harte Weg in den Model-Olymp“ möchten Sie mit den Klischees über das Modeln aufräumen und aufzeigen, wie die Branche „wirklich“ ist. Wird den Zuschauern von Fernsehshows wie beispielsweise „Germany’s next Topmodel“ die glamouröse Modelwelt nur vorgespielt?
Katerina Gottesleben: GNTM ist eine nette Inszenierung. Die Mädchen reisen sofort durch die Weltgeschichte und wohnen soweit ich weiß im Luxus. Die Kulissen sehen schön aus, die Locations sind ein Traum und sie kommen gleich an die großen Designer heran. Das ist in der Realität verdammt anders und man muss sich alles mehr als hart erarbeiten.
business-on.de: Welche Tipps haben Sie für Neueinsteigerinnen?
Katerina Gottesleben: Macht eure Schule fertig. Verlasst euch nicht darauf, dass ihr lange davon leben könnt. Lasst euch nicht von unseriösen Agenturen einlullen. Normalerweise erkennt ihr sie daran, dass ihr Geld bezahlen müsst, bevor ihr überhaupt einen Job hattet. Ist eine Agentur wirklich an euch interessiert, dann wird sie euch das Geld für das erste Shooting vorstrecken.
business-on.de: Sie sind seit mittlerweile zwölf Jahren im Modelgeschäft tätig. Was hat sich seitdem in der Branche verändert?
Katerina Gottesleben: Es ist schwieriger geworden. Seit der Finanzkrise 2008/2009 sind die Gagen gesunken und nicht mehr auf das gleiche Level gestiegen wie vorher. Es wird teilweise über Fahrt- und Übernachtungskosten verhandelt. Früher hat man selbstverständlich einen Flug bezahlt bekommen und hat im Hilton übernachtet. Jetzt ist es eher eine Ausnahme – man fährt Zug oder Auto und meistens am Abend wieder zurück. Je nach Job ist das unterschiedlich. Außerdem gibt es sehr viele Mädchen – also Konkurrenz – auf dem Markt.
business-on.de: Reicht Schönheit alleine aus, um sich in der hart umkämpften Branche durchsetzen zu können? Welche Voraussetzungen sollten Mädchen mit Modelambitionen außer ihrem Äußeren mitbringen?
Katerina Gottesleben: Einen langen Atem, Pünktlichkeit, Selbstbeherrschung, ein professionelles Auftreten und Höflichkeit. Außerdem sollten sie sich bewegen können. Aber das ist „learning by doing“. Man wird gleich ins kalte Wasser geschmissen.
business-on.de: Wie haben Sie sich in den vergangenen Jahren hinsichtlich Ihrer Einstellung zum Geschäft rund um die Schönheit verändert? Geht man entspannter mit den doch sehr strengen Anforderungen an Gewicht und Körpermaße um?
Katerina Gottesleben: Oh ja (lacht). Ich halte keine Diäten, ich mache nur meinen Sport und esse gesund. Ich bin jetzt 30 – ich darf in Größe 36/38 passen. Ich mache andere Jobs als mit 18. Früher bin ich viele große Modenschauen gelaufen, da musste ich sehr auf meine Figur achten. Was nicht heißt, dass ich jetzt plötzlich zehn Kilo zunehmen kann.
business-on.de: Immer wieder wird das Modelbusiness mit Essstörungen in Verbindung gebracht. Seit Jahren kämpft die Branche gegen das Klischee an, nur Magermodels seien gefragt. Und auch Heidi Klum zeigt sich in ihrer Show neuerdings spindeldürr und doch in jeder Folge Fastfood essend. Wie ist Ihre Erfahrung mit dem Körperkult?
Katerina Gottesleben: Es gibt sie – die Magersüchtigen. Aber in welcher Branche nicht? Die allermeisten sind aber einfach nur diszipliniert und die essgestörten Models halten sich nicht lange. Sie sehen bald ungesund aus und haben keine Energie zum Arbeiten.
„In Paris wäre ich vielleicht magersüchtig geworden“
business-on.de: Sie selbst hatten sich für die Karriere auf 48 Kilo bei einer Körpergröße von 1,78 Metern herunter gehungert… Wie groß ist der Konfektions- und Konkurrenzdruck wirklich?
Katerina Gottesleben: Das haben Sie aus der Bunten, stimmt´s? Das war nur in Paris – für ein paar Monate. Es war schlecht für mich, denn danach gab es einen fetten Jojo-Effekt. Der Druck ist im Ausland groß. Das kann man sich kaum vorstellen. Hundert Models auf einem Casting und eine kriegt den Job. So in etwa.
business-on.de: Mittlerweile haben Sie mit 58 Kilo ein deutlich gesünderes Gewicht und sind immer noch ein gefragtes Model? Was hat Sie dazu veranlasst, Ihr Essverhalten zu ändern?
Katerina Gottesleben: Ich war nie magersüchtig. Aber wäre ich in Paris geblieben, wäre ich es vielleicht geworden. Ich esse viel zu gerne. Da musste ich nichts ändern. Und ich arbeite jetzt viel mehr und verdiene auch mehr Geld. Deutschland hat eben einen tollen Markt für „ältere“ Models.
business-on.de: Mit gerade mal 18 Jahren wurden Sie von der Frankfurter Agentur „East West Models“ entdeckt. Rückblickend betrachtet, waren Sie bereits mit 18 emotional stark genug für das Geschäft?
Katerina Gottesleben: Ja. Ich hatte gute Grundlagen von zu Hause und wusste, was richtig und was falsch ist.
business-on.de: Trotz hoher Anfragen, haben Sie neben dem Modelgeschäft erst Ihr Abitur und dann noch ein Studium beendet. Wie wichtig ist Ihrer Meinung nach ein „Plan B“?
Katerina Gottesleben: Wie schon erwähnt – sehr wichtig. Das Leben besteht aus mehr als nur Modeln. Auch ich habe mich verändert und kann mir nicht vorstellen, jetzt den Druck zu haben, bis in die Puppen auf dem Laufsteg herumspringen zu müssen. Was ist denn, wenn mich keiner mehr sehen will?
business-on.de: Sie sind Mutter eines fünfjährigen Sohnes. Wie hat sich durch Max Ihr Leben als Model verändert?
Katerina Gottesleben: Mein Leben stand Kopf. Plötzlich war nichts mehr mit Hongkong und Mailand. Ich musste zu Hause bleiben. Dennoch habe ich etwa 7 Wochen nach der Geburt wieder angefangen zu arbeiten. Und nebenbei trotzdem gestillt. Ich hatte Angst, meine Kunden zu verlieren. Mittlerweile würde ich das anders machen. Max geht mir über alles. Die Prioritäten haben sich völlig verschoben.
business-on.de: Hatten Sie Angst um Ihre Karriere? Wie haben Kunden und Ihre Agentur damals auf die neuen Umstände reagiert?
Katerina Gottesleben: Ja – wie gesagt. Aber die Agentur war super nett und hat mich beglückwünscht. Die meisten Kunden auch. Manche davon haben mich bis zum 5. Monat noch gebucht – man hat bis dahin nicht viel gesehen.
business-on.de: Ihre Eltern waren damals gegen den Model-Beruf? Konnten Sie sie zwischenzeitlich eines besseren belehren?
Katerina Gottesleben: Ich denke, mittlerweile sind sie stolz auf mich. Sie waren etwas geschockt über die Enthüllungen in meinem Roman, aber er ist ja nicht autobiographisch. Und für sie war die Hauptsache, dass ich studiere. Das habe ich auch. Und jetzt schreibe ich auch einen Modelblog.
business-on.de: Hatten und haben Sie Verständnis für deren Einwände? Würden Sie Ihrem Kind beziehungsweise Ihren Kindern zu einem Beruf in der Modebranche raten?
Katerina Gottesleben: Damals hatte ich kein Verständnis, aber jetzt sehe ich das völlig anders. Wenn mein Sohn es machen will, darf er das. Aber ich komme mit! ☺
