business-on.de: Herr Hinrichs, Netzwerke stehen hoch im Kurs und immer mehr neue Internet- Kontaktbörsen drängeln sich im Netz. Wer braucht heute eine Internetplattform wie XING, um Kontakte zu pflegen?
Lars Hinrichs: XING wird genutzt von Geschäftsleuten, Fach- und Führungskräfte und Berufstätigen aus 190 Ländern und quer durch alle Branchen. Wie die neueste XING Studie „Kommunikation und Networking im Internet“ zeigt, gehören zwei Drittel der befragten Nutzer zum Top-Level Management oder mittleren Management. Unsere Mitglieder nutzen XING, weil sie dadurch drei entscheidende Vorteile haben: Ersten finden sie die für sie relevanten Businesskontakte einfacher und schneller, zweitens können sie online Geschäfte anbahnen und abschließen, egal ob es dabei um einen neuen Kunden, Kooperationspartner oder Mitarbeiter geht. Und drittens können sie Ihre Kontakte leichter und effizienter managen, weil ihnen XING ein automatisch aktuelles Adressbuch bietet, welches nicht von ihnen gepflegt werden muss, sondern von den Mitgliedern des eigenen Netzwerks upgedatet wird. Mittlerweile vereint die XING AG 4 Millionen Mitglieder.
Wir stehen erst am Anfang: In 2011 werden 2 Milliarden Internetuser erwartet
business-on.de: Sehen Sie den Markt mittlerweile übersättigt oder lässt sich die Zielgruppe bzw. die aktiven Networker noch weiter vergrößern?
Lars Hinrichs: Der Trend zum Online Business-Networking wird sich weiter fortsetzen: Es gibt mittlerweile über 1 Milliarde Internetnutzer weltweit, für 2011 werden zwei Milliarden erwartet. Gleichzeitig sind immer mehr Internetnutzer bereit, für gute Inhalte zu bezahlen. Im Zuge der Globalisierung wird es für Geschäftsleute immer wichtiger, sich auch global zu vernetzen. Das XING Angebot entspricht den neuen Gegebenheiten. Darüber hinaus erfordern die zunehmende Flexibilität und Mobilität im Berufsleben von jedem Einzelnen, aktiv Kontakte zu knüpfen und zu pflegen. Heute wechselt der durchschnittliche Berufstätige alle paar Jahre seinen Arbeitgeber. Projektarbeit, bei der Menschen für die Dauer eines bestimmten Projekts als Team zusammenarbeiten, wird zum Regelfall. Unsere aktuelle Studie belegt die steigende Bedeutung von Online-Networking: Mehr als zwei Drittel der befragten XING-Mitglieder stuften Online-Networking als ‚wichtig’ oder „sehr wichtig’ ein, eine Steigerung um 7% im Vergleich zum Vorjahr.
business-on.de: Betrachten wir einmal das Potenzial in Deutschland. Während sich aus dem Ausland immer mehr User registrieren, scheint der deutsche Markt erschöpft. Besteht noch eine Chance die Stagnation aufzuheben?
Lars Hinrichs: XING ist sowohl in Deutschland als auch Österreich, der Schweiz und Spanien klarer Markführer im Bereich Online Business-Networking. Stagnation können wir nicht beobachten, wir verzeichnen in Deutschland wie im Ausland einen kontinuierlichen Zuwachs an neuen Mitgliedern. XING wird intensiv genutzt und hat sich als tägliches Arbeitstool etabliert: Ca. 92 % der XING Premium-Mitglieder und ca. 50 % der Basismitglieder haben sich im zweiten Quartals diesen Jahres pro Monat auf der Plattform eingeloggt.
business-on.de: XING-Live, zusammen mit dem etablierten Ambassador-Konzept, erfreut sich, als Möglichkeit, auf unterschiedlichen Veranstaltungen seine Kontakte Offline weiter auszubauen, besonders hier in Köln sehr großer Beliebtheit. Auf dem letzten XING-Regionaltreffen in Köln konnten beispielsweise über 1.000 Teilnehmer gezählt werden. Wie kommt das Konzept in anderen Städten an?
Lars Hinrichs: Dass sich unsere offiziellen Events großer Beliebtheit erfreuen, beobachten wir auch in anderen Städten wie Hamburg, Berlin oder München. Das Konzept ist in Deutschland sehr erfolgreich gestartet und wir haben viel positives Feedback von unseren Mitgliedern erhalten. Es wurden bereits offizielle internationale XING Events, u.a. in Österreich, Ungarn und den VAE veranstaltet. Wir haben früh gesehen, dass sich unsere Mitglieder als Ergänzung zum Online-Networking auch offline treffen möchten, um sich persönlich kennenzulernen und Kontakte zu vertiefen, das gilt für Shanghai ebenso wie für Köln, Dubai oder New York. Allein in den ersten 9 Monaten dieses Jahres wurden weltweit rund 30.000 Events von Mitgliedern für Mitglieder über die XING-Plattform organisiert. Da wir unseren Mitgliedern Events mit Qualitätsanspruch garantieren möchten, haben wir im Juli diesen Jahres dann das Ambassador-Konzept einführt: Neben den Mitgliederevents gibt es nun „offizielle“ XING Events, die nur von ausgewählten und lizenzierten XING-Ambassadoren organisiert und veranstaltet werden.
Kontakte 2. Grades: Je größer der Grad der Vernetzung, desto größer der Nutzen
business-on.de: Kritiker sehen in den Großveranstaltungen einen Verlust des exklusiven Charakters, der es schwieriger macht, wirklich interessante potentielle neue Geschäftskontakte zu knüpfen. Wie sehen Sie das? Könnten mehr User den Grundgedanken Ihres Portals zerstören oder passt die Entwicklung zu Ihrer Ausrichtung?
Lars Hinrichs: Je größer der Grad der Vernetzung, desto größer der Nutzen. Wie sich gezeigt hat, liegt das größte Potenzial in den Kontakten 2. Grades, das heißt in den Kontakten Ihrer Kontakte. Je mehr Kontakte Sie haben, desto mehr Kontakte 2. Grades haben Sie und desto schneller finden Sie die für Sie relevanten Kontakte, sein es ein Kooperationspartner, ein Experte zu einem bestimmten Thema, ein Dienstleister oder Mitarbeiter.
business-on.de: Möglich wäre es, dass in naher Zukunft beinahe jeder im Netz mit unzähligen – eigentlich unbekannten – Personen vernetzt ist. Wäre damit nicht der ursprüngliche Sinn des Networking verfehlt? Ist es überhaupt möglich, eine unübersichtliche Anzahl von Kontakten noch pflegen zu können und einen entsprechenden Nutzen aus ihnen zu ziehen?
Lars Hinrichs: Das ist nur mit Hilfe von Technologie möglich. Die XING-Technologie ermöglicht Ihnen, auch ein großes Kontaktnetzwerk zu managen und unterstützt Sie dabei mit vielen Funktionen: Die detaillierte Suche oder die Taggingfunktion zum Beispiel, mit der Sie Ihre Kontakte mit einem Stichwort versehen können oder der Verbindungspfad, der Ihnen anzeigt, wie Sie mit einer anderen Person verbunden sind und welche gemeinsamen Bekannten Sie haben. Es besteht jedoch keine Gefahr, dass bald jeder mit jedem vernetzt ist, wenn man bedenkt, wie rasant die Anzahl der Internetnutzer weltweit wächst: Bereits jetzt sind über eine Milliarde Menschen online, in vier Jahren werden es prognostizierte zwei Milliarden sein.
business-on.de: Sie selber zählen über 1.800 XING-Kontakte. Wie schaffen Sie es, den Überblick zu behalten?
Lars Hinrichs: Ganz einfach, ich nutze XING: Die Idee zur Plattforrm entstand damals auch, weil ich auf der Suche nach einer Softwarelösung war, die mir dabei half, Herr über die Emailflut in meinem Postfach zu werden. Und ich lege außerdem Wert darauf, dass ich jeden meiner Kontakte persönlich kenne.
business-on.de: Trotz Foto und einem detaillierten Profil, präsentierten sich manche Nutzer in Onlineplattformen wie XING „undercover“. Kann man sich überhaupt jemals sicher sein, mit wem man gerade einen geschäftlichen Kontakt aufbaut? Und gibt es einen zuverlässigen Schutz vor Schwindlern und Blendern?
Lars Hinrichs: Unsere Mitglieder sind diesbezüglich sehr aufmerksam und melden, wenn ihnen etwas verdächtig vorkommt. Jedem Hinweis auf Sicherheitslücken wird nachgegangen. Uns zeigt dieses Engagement, dass XING Mitglieder selbst ein Interesse daran haben, Mitglied eines qualitativ hochwertigen Netzwerks zu sein. Dazu kommt die technische Kontrolle: Bei XING passiert jede Neuanmeldung einen so genannten „Fake Assassin“. Dieser vergibt so genannte Karmapunkte für Auffälligkeiten. Meldet sich z.B. jemand als Bernd Stromberg an, gibt es Punkte. Wohnt dieser in einer Stadt mit der PLZ 12345 gibt es noch mehr Punkte. Eine hohe Punktzahl veranlasst uns automatisch, das Profil zu überprüfen, das Mitglied zu kontaktieren und notfalls das Profil zu löschen. Auf XING können Sie außerdem an der Vernetzung eines Nutzers mit anderen Mitgliedern erkennen, ob es diese Person so auch wirklich gibt. Je größer das persönliche Netzwerk, desto sicherer können Sie sein, dass Sie es mit deren echter Identität zu tun haben.
business-on.de: XING ist heute immer mehr ein Jagdgrund für Headhunter. Wie sehen Sie die Entwicklung zum interaktivem Jobportal?
Lars Hinrichs: Unsere Nutzer sind aus den verschiedensten Gründen XING-Mitglied, die persönliche Karriere ist einer davon. Mit der Einführung des „Marketplace“ im Mai diesen Jahres, wo Mitglieder Jobangebote für andere Mitglieder einstellen können, kommen wir diesem Bedarf entgegen. Anders als bei klassischen Jobportalen werden auf dem XING Marketplace Angebot und Nachfrage über einen intelligenten Algorithmus miteinander abgeglichen. XING-Mitglieder erhalten auf Wunsch individuelle Jobangebote, die auf ihr Profil abgestimmt sind. Neu am Marketplace ist auch, dass unsere Mitglieder sehen können, welche Jobs in ihrem persönlichen Netzwerk gerade verfügbar sind und in welcher Beziehung sie zum Anbieter stehen.
business-on.de: Beziehungen können neue Wege offenbaren und so manche verschlossene Tür öffnen. Eine Tatsache, die sich auch XING verstärkt zu nutzen macht. Umso mehr Kontakte ich habe, umso bessere Möglichkeiten bieten sich mir. Ist diese Art von Vitamin-B Pflege nicht auch kontraproduktiv? Traditionelle Qualifikationen wie beispielsweise Schulbildung und berufliche Erfahrung könnten doch durch soziale Verbindungen weggedrängt werden.
Lars Hinrichs: Aufgrund eines gut funktionierenden Netzwerks Erfolge zu erzielen, ist lange nicht mehr verpönt. Jeder weiß, dass es eine effektive Art ist, Geschäfte zu machen. Kontakte ersetzen jedoch noch lange keine traditionelle Qualifikationen, sie geben Ihnen vielmehr die Chance, ihre Qualifikationen der richtigen Person vorstellen zu können.
business-on.de: Als Sie 2003 mit openBC starteten, waren Sie einer der wenigen, die an Social Software glaubten? Wie war die Resonanz zu Beginn? Wie konnten Sie die anfänglichen Skeptiker überzeugen und was lässt Sie so fest an Ihre jetzige Idee glauben?
Lars Hinrichs: Ich hatte von Anfang an ein gutes Gefühl: XING hat ein einfaches und unkompliziertes Geschäftsmodell, das genau wie die Technologie skalierbar ist. Und das Bedürfnis nach so einer Plattform war da. Die Voraussetzungen für den Erfolg waren also gegeben.
Ich hatte die Idee allerdings zu einer Zeit, als jeder Internetgeschäftsmodelle für tot erklärte. Damals 2003, nach dem fulminanten Ende der New-Economy-Ära, hat mich die Hälfte für verrückt erklärt, die anderen haben mich bei meiner Idee unterstützt und XING zu dem gemacht, was es heute ist.
business-on.de: Das private Unternehmen ist mittlerweile in die börsennotierte XING AG umgewandelt worden? Welche Pläne verfolgen Sie als nächstes?
Lars Hinrichs: Im ersten Halbjahr haben wir den spanischen Markt konsolidiert und uns dort wie im deutschsprachigen Markt als Marktführer positioniert. Wir sondieren den Markt weiter nach möglichen Akquisitionen und strategischen Partnerschaften in Europa und Amerika. Die erste große kommerzielle Zusammenarbeit in den USA läuft bereits: Wir kooperieren mit Zoominfo Inc, dem Betreiber einer führenden Suchmaschine für Geschäftskontakte in Amerika.
business-on.de: Während die meisten Anderen sich in Ihrem Alter erst langsam anfangen über Selbstständigkeit und finanzielle Sicherheit Gedanken machen, haben Sie bereits mit Anfang 20 erste Erfahrungen mit verschiedenen Projekten gemacht. Heute, mit jungen 30 Jahren, könnten Sie getrost die Beine hochlegen. War es das, was Sie wollten?
Lars Hinrichs: Mit XING sind wir erst am Anfang. Wir sind ständig dabei, die Plattform weiterzuentwickeln und zu verbessern. Gerade haben wir eine neue Profilseite gelauncht, mit der XING-Mitglieder ihre berufliche Laufbahn noch ausführlicher darstellen können. Zudem bin ich nicht der Typ, der die Beine hochlegt sich und auf seinen Erfolgen ausruht. Ich bin immer auf der Suche nach neuen spannenden Ideen, die ich umsetzen kann.
Redaktion