Mit dem Zukunftsforum bietet der Rotonda Business Club ein neues Veranstaltungs-Format an. Ziel ist, am runden Tisch mit Politikern sowie Vertretern der Gesellschaft Zukunftsfragen zu diskutieren, Lösungswege zu durchleuchten, unterschiedliche Blickwinkel und Erfahrungen einzubringen und konsensuale Entscheidungsprozesse anzustoßen. Die erste Runde setzte sich aus Juristen, Beratern, Politikern, Unternehmern, und einem Banker, der heute Violinen verkauft sowie einem ehemaligen Nahkampf-Sportler, d.h. Sohn Oliver von Rotonda-Chef Andreas Grosz, zusammen.
Szenario des gesellschaftlichen Umbruchs
Klaus Burmeister, Geschäftsführender Gesellschafter der Z_punkt The Foresight Company, eröffnete die Runde mit einem Szenario der gesellschaftlichen und politischen Ausgangssituation: „Wir leben in einer Gesellschaft, die einen gewissen Höhepunkt erreicht hat. Das klassische Wachstumsmodell stößt an Grenzen. Wir leben in einer Gesellschaft, die teilweise blockiert, andererseits aber auch dynamisch reagiert. Es ist erstaunlich, wie schnell nach Fukushima Entscheidungsträger ihre Meinung ändern. Das ist gut so, denn in den kommenden Jahrzehnten stehen ganz wichtige Entscheidungen für die Gesellschaft an. Zum einen die Frage, wie wollen wir leben? Wie soll die Teilhabe aussehen und wenn das nicht funktioniert, was hält die Gesellschaft zusammen? Daraus ergibt sich für mich auch die Frage, ob wir ein neues Demokratieverständnis brauchen.
Bürgerprotest als Indiz fehlender Innovationskraft?
Andererseits sind wir auf Innovationen technischer, organisatorischer oder politischer Dimension angewiesen. Beispiel Energie. Wir kennen die Argumentation, wie: Stromtrassen will niemand, Windanlagen machen Krach oder Bürger verhindern alles. Das ist nicht konstruktiv. Wir sollten uns lieber die Frage stellen, ob Hochspannungsleitungen überhaupt sein müssen. Das ist eine Technologie, die hundert Jahre alt ist. Wo bleibt die Wissenschaft mit innovativen Lösungen? Ist Bürgerprotest ein Indiz für fehlende Innovationskraft? Fest steht, ohne Bürgerbeteiligung wird in unserer Gesellschaft keine Innovationsthematik mehr möglich sein. Meine These ist, dass unsere Demokratie nicht mehr auf der Höhe der Zeit ist.“
Forderung nach mehr Bürgerbeteiligung
Breiter Konsens bestand in der Runde in der Forderung nach mehr und besserer Bürgerbeteiligung. Aber der Weg dahin ist, wie auch die Diskussionsbeiträge zeigten, mit vielen offenen Fragen verbunden. Aus der Politik kam der Hinweis, dass es zahlreiche Informationsangebote auf kommunaler Basis gibt, z.B. amtliche Mitteilungen in der Lokalpresse, Informationsveranstaltungen oder Bürgeranhörungen. Die Bürger, die das wahrnehmen, kommen laut Erfahrung eher aus den gut situierten Schichten bzw. aus dem Rentnerumfeld. Das reicht offensichtlich nicht aus, wie uns Stuttgart 21 gelehrt hat. Das Schlichtungsgespräch mit Heiner Geißler war zwar ein richtiger Weg, aber es kam zu spät, so die einhellige Meinung. Die Erfahrung hat auch gezeigt, dass nur ein kleiner Teil der Demonstranten fachlich versiert ist. Ein Vorschlag war daher, die Bürgerschaft finanziell zu unterstützen, damit sie sich entsprechende Expertisen frühzeitig einholen können.
Entscheidungsprozesse optimieren
Stuttgart 21 stand immer wieder als Beispiel misslungener Bürgerbeteiligung im Mittelpunkt der Diskussion. So wurde beispielsweise eine Studie zitiert, nach der der Umbau des Stuttgarter oberirdischen Kopfbahnhofes in einen unterirdischen Durchgangsbahnhof bereits vor 20 Jahren gebaut hätte werden können. 60 Prozent der Kosten seien schon heute auf die langen Entscheidungswege zurückzuführen. Die Frage sei, ob die politische Strukturvielfalt, bestehend aus Kreisen, Regierungsbezirken, Gemeindevertretungen, Ländern, Stadtstaaten und Regierung, tragbar bzw. bezahlbar ist, wenn es um komplexe Entscheidungsprozesse geht. Fakt sei, dass es an intelligenten Methoden fehlt. Unternehmen verfügen über Lösungswege, die man übertragen könnte. Man müsse nur den Mut haben, das einmal auszuprobieren. Vorstellbar wäre, dass Bürger in diesen Dingen sehr viel flexibler sind als Politiker, die starr in ihren Systemen verharren.
WWW als Demokratiemodell
Bei der Frage, wie Demokratie in einer sich immer schneller verändernden Welt aussehen kann, gab sich Burmeister mit den partikularen Ansätzen nicht zufrieden. Man dürfe die Gesamtzusammenhänge nicht aus den Augen verlieren: „Wir müssen in der Demokratie Verfahren für eine grundsätzliche Orientierung entwickeln, beispielsweise grüne Energie statt Atomkraftwerke. Das ist ein Ansatz, um etwas durchzusetzen. Seit 1992 gibt es das World Wide Web. Dahinter steht keine einzige Firma. Aber es hat die Gesellschaft gigantisch verändert, ohne dass das von irgend jemandem demokratisch geplant wurde. Das Internet ist ein interessantes Modell, das funktioniert, weil jeder einen Vorteil hat. Die Frage muss daher auch lauten, wie bekommen wir eine Gesellschaft hin, in der eigene Interessen einen Platz haben.“
Nach anderthalb Stunden mit hoch interessanten Sichtweisen, Lösungsansätzen und Fragestellungen lag zwar kein tragfähiges Ergebnis auf dem Tisch, aber das war auch nicht das Ziel des Forums. Wichtig war die generelle Auseinandersetzung mit dem Thema „Aufbruch in eine Kultur der Veränderung“. Die aufgeworfenen Fragen sorgten auch beim anschließenden lockeren Zusammensein mit Fingerfood und kühlen Getränken noch für reichlich Gesprächsstoff.
Karin Bäck
