«Mit anderen öffentlichen Verkehrsmitteln wie U-Bahn und Straßenbahn hätte ich über 70 Minuten gebraucht», schimpft Schalla. Stattdessen sei er im Bahnhof Frühstücken gegangen. Nein, er verstehe nicht, warum schon wieder gestreikt werden müsse für mehr Lohn . «In Zeiten wie diesen finde ich das unpassend», sagt er. Sein Nachbar, der seinen Anschluss nach Nettetal sucht, pflichtet ihm bei. «Ich war früher bei der IG Metall, und ich finde Streik eigentlich immer in Ordnung. Aber jetzt sollten sie den Streik wegen der Wirtschaftskrise wirklich sein lassen», fügt er hinzu.
Zwölf S-Bahnzüge sind zwischen 4.00 und 8.51 Uhr auf der Strecke zwischen Düsseldorf und Köln ausgefallen, berichtet der zuständige Gewerkschaftssekretär der Transnet, Helmut Peters. Zwischen Duisburg und Köln seien die Strecken völlig lahmgelegt worden. Zahlreiche Regionalbahnen hätten Verspätung gehabt. Auch Fernzüge seien umgeleitet worden.
Fritz Klotz steht seufzend vor dem Service-Point der Deutschen Bahn. Seine Nachtschicht ist vor einer Stunde zuende gegangen, er wünscht sich in sein Bett in Köln. Nun wird ihm mitgeteilt, er könne nur auf U-Bahn und Straßenbahnen ausweichen. «Ich bin echt frustriert. Erst letztes Jahr haben sie so lange gestreikt. Und im Januar kamen dann auch noch die Ausfälle durch das Winterwetter dazu», stöhnt er.
Insgesamt sollen rund 110 Beschäftigte befristet die Arbeit niederlegt haben. Im Kölner Hauptbahnhof traten laut Transnet Personal des Reisezentrums und des Service-Points sowie Zugbegleiter und Instandsetzungs-Techniker in den Warnstreik.
Die Verspätung im Fernverkehr bekommt etwa auch Uwe Frädrich aus Parchim in Mecklenburg-Vorpommern zu spüren. Er will über Essen in den Nordosten fahren und wartet seit zwanzig Minuten. «Ich finde den Streik in Ordnung. Das ist doch normal in diesem System. Welche Rechte hat man denn sonst noch heute als Arbeitnehmer?», fragt er.
Zwar bereitet der Warnstreik nicht nur den Pendlern zwischen Düsseldorf und Köln Kopfzerbrechen. So wirbeln die Verspätungen von rund 80 Zügen sämtliche Anschlussfahrpläne über diese Strecken hinaus durcheinander. Von Chaos sei jedoch nichts zu spüren, sagt ein Mitarbeiter vom Service-Point der Bahn. Er habe auch nicht registiert, dass wesentlich weniger Pendler im Hauptbahnhof unterwegs seien. Auch wenn der Bedarf an Auskünften heute sehr hoch sei, sei die Stimmung der Reisenden nicht unbedingt schlecht, fügt ein anderer Bahn-Mitarbeiter hinzu.
Unterdessen wiederholt eine weibliche Ansagestimme, dass Fahrgäste in Richtung Köln auf andere öffentliche Verkehrsmittel umsteigen müssen. Um 8.51 besteigt Frank Schalla die erste S-Bahn, die wieder nach Köln fährt und befindet: «Der Spuk ist vorbei, die S-Bahn hat nur zehn Minuten Verspätung, das ist normal.»
Von ddp-Korrespondentin Karoline von Graevenitz