Die Feststellung einer wiederholten Unpünktlichkeit setzt einen bestimmten Bezugszeitraum (zur Definition Zeitraum) voraus. Die Länge des anzunehmenden Bezugszeitraums hängt wiederum von der Anzahl der Verspätungen ab (vgl. LAG München, Urteil vom 5.12.1988, NZA 1989, 278 = DB 1989, 283: Verspätung eines Arbeitnehmers in einem Zeitraum von 19 Monaten an 60 Arbeitstagen um jeweils mehr als 6 Minuten).
Eine Kündigung ist allerdings nur dann wirksam, wenn weitere zukünftige Vertragsverstöße zu befürchten sind (BAG, Urteil vom 17.1.1991, DB 1991, 1226). Es ist insoweit eine Zukunftsprognose anzustellen. Im Rahmen dieser Prognose sind die Häufigkeit und die Ursachen des Zuspätkommens in der Vergangenheit von besonderer Bedeutung.
Beruht die Verspätung auf einem unvorhersehbaren Ereignis (z.B. auf einem Naturereignis oder einem ungewöhnlichen Verkehrsstau) scheidet eine Kündigung regelmäßig aus. Es fehlt dann bereits an einer vorwerfbaren Pflichtwidrigkeit, so dass auch nicht weitere zukünftige Unpünktlichkeiten indiziert sind.
Ein Streik der öffentlichen Verkehrsmittel rechtfertigt regelmäßig zwar kein Zuspätkommen des Arbeitnehmers. Denn es ist Sache des Arbeitnehmers, auf welche Weise er seine arbeitsvertragliche Verpflichtung erfüllt, seine Arbeit pünktlich zu beginnen. Beruht die Verspätung jedoch auf einem solchen Streik, dürfte regelmäßig eine negative Zukunftsprognose nicht gerechtfertigt sein, so dass eine Kündigung ausscheidet. Unabhängig davon, ob eine Kündigung in Betracht kommt, braucht der Arbeitgeber für die ausgefallene Arbeitszeit keine Vergütung zu zahlen.
Im Rahmen der Interessenabwägung sind insbesondere folgende Faktoren zu berücksichtigen:
- Anzahl der Verspätungen in einem bestimmten Zeitraum
- Ausmaß der Verspätungen
- Ursache der Verspätungen
- Anzahl der Abmahnungen
- Beeinträchtigungen des Betriebsablaufs und des Betriebsfriedens (BAG, Urteil vom 17.1.1991, DB 1991, 1226)
- Dauer der Betriebszugehörigkeit
Bei vereinzelten Unpünktlichkeiten im Rahmen einer Gleitzeitordnung ist im Hinblick auf den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz daran zu denken, statt einer Beendigungskündigung den Arbeitnehmer zunächst nur aus der Gleitzeitordnung herauszunehmen (milderes Mittel).
Literatur: Berkowsky, Die personen- und verhaltensbedingte Kündigung, § 20 Rdnr. 29; Besgen/Jüngst, Rdnr. 1076 ff; Hueck/v.Hoyningen-Huene, KSchG, § 1 Rdnr. 361 f; KR-Etzel, KSchG, § 1 Rdnr. 466; Sowka/Schiefer, Teil H, KSchG, § 1 Rdnr. 414 f
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