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Führung in Zeiten des digitalen Wandels

Mit dem Start der Olympischen Sommer-Spiele in Rio de Janeiro kann Fußball-Deutschland, nach dem grandiosen Erfolg der deutschen Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 2014, wieder auf einen Titelgewinn in Brasilien hoffen: Erstmals seit 1988 spielt eine deutsche Fußball-Auswahl um Gold.

Roland Geschwill / Roland Geschwill

Um hier vorne mitspielen zu können, bedienen sich Trainer wie Jogi Löw moderner Managementmethoden, denn Selbstverantwortung und Individualität führen zu außergewöhnlichen Spitzenleistungen im Sport.

Das Spiel in der globalisierten Fußballwelt ist schneller, athletischer, technisch versierter und taktisch anspruchsvoller geworden. Spieler einer Topmannschaft haben heute mehr Aufgaben als „Mann decken“ oder „Tore machen“. Sie müssen Verantwortung übernehmen und in jeder Sekunde handlungsschnell die richtigen Entscheidungen treffen. Fußballspielen ist zu einer hochkomplexen Teamaufgabe geworden, die keinesfalls strukturiert und planbar abläuft, sondern in jeder Sekunde mit Überraschungen aufwartet. Gerade beim Fußball sind die Führungsmodelle wegen des enormen Erfolgsdrucks und aufgrund der großen finanziellen Einsätze außerordentlich weit entwickelt.

Fußball als Mikrokosmos

Was aber hat die Geschichte aus der Welt des Sports mit unserer Wirtschaftswelt zu tun? Nun, der Fußball war schon immer ein Indikator für gesellschaftliche Verhältnisse. Denn im Mikrokosmos Fußball geht es immer auch um das Verhältnis von Individuum und Team, um Geschäft und Emotion, um miteinander konkurrierende Systeme.

Schauen wir uns die Wirtschaftswelt an: Entscheiden die Mitarbeiter in Unternehmen heute schon selbstverantwortlich, wird ihre Eigeninitiative belohnt, unterstützen sie sich gegenseitig in den Teams und sind dadurch hoch motiviert? Arbeiten sie also unter weltmeisterlichen Bedingungen? Die Realität sieht leider anders aus.

Die Einsicht, dass die digitale Transformation kein reines Technikthema ist, ist bereits vielfach vorhanden. Trotzdem wissen viele Führungskräfte nicht, was das konkret für ihr operatives Business bedeutet bzw. wie sie mit diesen Anforderungen konkret umzugehen haben. Was also bedeutet der Wandel für Führungskräfte? Und kann man „digitale“ Führung lernen?

Schon früher, zum Beispiel unter dem Einfluss der bevorstehenden Automation und später zur New-Economy-Zeit, hieß es: „Ihr müsst Eure Führungsstile ändern. Und ab sofort nach Führungsstil A und B führen, wenn Ihr Eure Mitarbeiter weiter zu Bestleistungen motivieren wollt.“ Das scheint nicht gut funktioniert zu haben. Ansonsten gäbe es die wesentlich partizipativere, transparentere Führung, die der digitale Wandel jetzt benötigt, bereits in mehr Unternehmen. Denn auch diese Lehre ist nicht neu.

Altes Hierachiedenken versus neue Arbeitsprozesse

Auch die jährlichen Gallup-Untersuchungen über die Mitarbeiter-Zufriedenheit könnten besser ausfallen. Zwar hat sich die Anzahl der Mitarbeiter, die angeben, eigentlich schon innerlich gekündigt zu haben, von 20 auf 16 Prozent reduziert. Dass sich aber 68 Prozent nach wie vor nicht sehr mit ihrem Arbeitgeber identifizieren und sich nicht von ihren Chefs abgeholt fühlen, ist nach wie vor keine Glanzleistung.

Früher lief Führung in Unternehmen als Teil von Organisationstheorien. Heute hingegen geht es um die Unternehmenskultur, die immer wichtiger wird, um Mitarbeiter zufrieden zu stellen. Neue Arbeitsprozesse, die flexibler und agiler sind, lassen sich aber nicht mit altem Hierarchiedenken vereinbaren – was in vielen Führungsetagen noch nicht angekommen ist. Und obwohl die Lean-Management-Bewegung schon über 20 Jahre alt ist, ist die damit verbundene Abschaffung von Hierarchieebenen noch nicht überall umgesetzt.

Kulturveränderung dauert eher Jahre als Monate

Warum soll jetzt der Zeitpunkt gekommen sein, an dem man moderne Führungstechniken nicht mehr als unnötig von sich weisen kann, sondern wirklich ins Handeln kommen muss? Die Umwälzungen werden schneller, die „digitalen Wellen“ schlagen höher, man fürchtet den Tsunami der Digitalisierung, dem einige nach wie vor ohnmächtig entgegen sehen. Warum ist das so?

Es heißt, dass die Digitalisierung jedes Unternehmen, dass nicht schnell genug ist, wie eine Flutwelle umreißen wird. Die Masse der Arbeitnehmer bei Umstrukturierungen umzudrehen, funktionierte aber bereits früher nicht schnell – und wird auch in den nächsten zehn Jahren nicht auf Knopfdruck funktionieren. Aber es kann einiges getan werden, um zumindest mal eine Kurskorrektur in Gang zu bringen und notwendige Veränderungen anzustoßen.

Führungskräfte müssen Umdenken wollen

Über diese Aussage einen Augenblick länger nachzudenken, könnte hilfreich sein. Vor allem für Personen, die ihren Führungsstil wirklich überdenken wollen oder gezwungen sind, diesen der sich schnell nähernden Digitalisierung anzupassen. TNS Infratest hat im Auftrag von Microsoft 1.000 Beschäftige befragt, was ihnen an Kultur fehlt: 85 Prozent hätten gerne einen besseren Zugang zu Informationen und 84 Prozent regelmäßiges Feedback von ihren Chefs. Ein lauter Ruf nach mehr Transparenz. Selbstständiger Entscheidungen treffen wollten 85 Prozent. 71 Prozent erhoffen sich mehr Flexibilität bei der Arbeit. Eindeutig der Wunsch nach mehr Vertrauen von ihren Chefs. Erfüllt wurde der Wunsch nach mehr Flexibilität jedoch nur bei 20 Prozent.

Was sind also die Zutaten für einen neuen Führungsstil, der den Anforderungen des digitalen Wandels gerecht werden kann? Ein Stil, der mit den Veränderungen, die durch die Digitalisierung hervorgerufen werden, besser klar kommt?

Es braucht nach wie vor Spielregeln und Rahmenbedingungen

Die Gestaltung einer Geisteshaltung, eines Mind-Sets zum Beispiel gehört zur neuen Management-Kompetenz. Denn einen gemeinsamen Denkrahmen zu schaffen bietet Orientierung. Und Mitarbeitern bei der Ausführung von Aufgaben mehr Freiräume zu überlassen, kann wesentlich mehr Effektivität und mehr Commitment schaffen – bedarf aber vor allem auch viel Vertrauen.

Diese Haltung findet sich im lateralen Management bzw. in der laterale Führung. Schon in den 60er-Jahren wurden „laterale Organisationsbeziehungen“ definiert als Führungsprozesse, die zur Seite gerichtet auf gleicher Hierarchieebene stattfinden. Es geht also nicht um die Führung der „unter“ der Führungsperson Stehenden, sondern um Führung auf Augenhöhe. Man fand heraus, dass sehr viel Koordination dank dieser lateralen Beziehungen stattfindet. Sozusagen den kurzen Weg über den Flur nutzend anstatt langwieriger Entscheidungs- und Anweisungswege zu bemühen.

Laterale Führung als Allheilmittel?

Laterale Führung geht über einen demokratischen Führungsstil hinaus, denn auch demokratische Organisationen werden von oben gesteuert. Im lateralen Führungsstil wird den Selbstregelungskompetenzen der Beschäftigten vertraut und die Steuerung soweit irgend möglich den Beteiligten überlassen. Es handelt sich also um eine kooperative und eher partizipative Führung. Es geht in Richtung sinn-orientierter Führung, die in den letzten zehn Jahren vermehrt ins Gespräch kam. Eine humanistische Geisteshaltung, die den Mitarbeitern viel mehr Freiheit lässt, vor allem Gestaltungsfreiheit, und viel mehr Kommunikation und Transparenz fördert, aber auch fordert.

In seinem Buch zur Digitalisierung und dem dazu passenden lateralen Führungsstil schreibt der Psychologe Dr. Roland Geschwill: „Laterales Management ist das Modell, das zur digitalen Wirtschaft und ihren Anforderungen passt. Laterales Management heißt, Vielfalt an Zielen und Prozessen zuzulassen, Organisationen zu flexibilisieren, auf die Kreativität der Einzelnen und kleiner Gruppen zu setzen, und vor allem, die Möglichkeitssinne für die Zukunft zu schärfen. Das Prinzip der Selbstverantwortung soll nachhaltig in Organisationen verankert werden. Das bedeutet, dass sich der Managementstil verändern muss.“

Laterale Führung passt zu den Anforderungen des digitalen Wandels

In seinen Seminaren schärft Dr. Roland Geschwill den Teilnehmern ein „Digitalisierung sei nicht nur technikgetrieben. Führung und Zusammenarbeit in Organisationen, also das Kulturthema, ist entscheidend“ und „Digitalisierung ist kein Technikthema, sondern ein Paradigmenwechsel, eine Change-Bewegung, die ganze Unternehmen erfasst.“

Wenn man das weiß, liegt es nah, diese laterale Führung heute bewusst einzusetzen, denn sie passt zu den Anforderungen des digitalen Wandels. Die gesamte Firmenkultur wird verändert, so also auch die Anforderungen an Führung und Führungspersonen. Mehr Vielfalt, schnellere Veränderungen, mehr Wissen, mehr Daten, mehr Dezentralisierung, weniger Kontrolle, weniger hierarchischen Einfluss. Kleinere dezentrale Einheiten sind viel beweglicher und anpassungsfähiger. Die Ausgestaltung der Aufgaben bzw. deren Lösung den Mitarbeitern zu überlassen, fordert von Führungspersonen jedoch Mut und Loslassen können.

Weg von Command and Control hin zu lateraler Führung auf Augenhöhe

Anerkennung und Akzeptanz nicht nur Vorgesetzten gegenüber, sondern auch für Angestellten bzw. „Untergebenen“. Das ist die Wertschätzung, die Mitarbeiter sich wünschen. Diese neue Haltung der Führungskräfte dient der Unternehmenskultur und dem Arbeitsklima. Denn Motivation und Wertschätzung schaffen erst das Klima für Kreativität, Inspiration und Innovation. Unwillen, Reaktanz oder Angst dagegen töten Eigeninitiative und Veränderungswillen. Die Bereitschaft zur fortwährenden Veränderung, die Offenheit für Neues, mehr Non-Konformität und neue Denkmodelle zulassen, und am wichtigsten mehr Kommunikation, werden dringend benötigt.

Noch immer werden Manager wegen ihrer fachlichen Fähigkeiten zu Führungspersonen gemacht. Aber nur weil man eine Führungsposition innehat, heißt es noch nicht, dass man auch Menschen führen kann. Management heißt nicht Führung, sondern Steuerung. Nicht alle Menschen lassen sich heutzutage aber gerne steuern. Ganz im Gegenteil, sie wollen mehr Selbststeuerung. Viele Führungskräfte sind damit allerdings überfordert.

„Wer Menschen führen will, muss hinter ihnen gehen“ (Laotse)

Führungskräfte müssen Führung erst einmal lernen und brauchen dazu umzusetzendes Handwerkszeug an die Hand. Die gute Nachricht: Bis zu einem gewissen Grad kann man Führung lernen. Über eine bewusste Selbstreflexion gelangt jeder zu einer angemessenen Reaktion auf die jeweilige Situation und die Beteiligten – was einen ordentlichen Vertrauensvorschuss erfordert. Es ist ein bisschen wie bei der Abrüstung: Einer muss damit anfangen.

Vertrauen erlangt man am besten durch Transparenz und Kommunikation. Und damit tun sich viele schwer. Besonders Führungskräfte im mittleren Management trauen sich nur, wenn ihnen der Rückhalt durch die oberste Führungsriege sicher ist. Womit wir beim immer wiederkehrenden Thema wären, dass solche Organisationsentwicklungsmaßnahmen, die so umfassend und verändernd für das Unternehmen sind, eigentlich Chefsache sein sollten. Also von „ganz oben“ mitgetragen und gelebt werden müssen.

Lippenbekenntnis reichen nicht mehr

Daher: Einfach mal machen, anstatt sich wie das Kaninchen von der Schlange „Digitalisierung“ hypnotisieren zu lassen und in Schockstarre und Schönheit zu sterben. Denn der digitale Wandel und die damit verbundenen Veränderungen für Führungspersonen müssen nicht schmerzhaft sein. Wenn man sie aktiv angeht, dann kann man sich auch vor langwierigen Folgeschäden schützen. Nur wer gar nichts tut, der wird gefressen oder umgerissen werden.

Es gibt unterschiedliche Prognosen, nach denen 50 bis 60 Prozent aller Jobs in den nächsten zehn Jahren überflüssig werden. Wie viele dafür neu geschaffen werden, die diesen Verlust ausgleichen, weiß man nicht. Nur, dass es viele sein werden. Wahrscheinlicher ist auch, dass dieser Stellenabbau eher 20 Jahre dauern wird. Mit den Veränderungen aber muss jetzt begonnen werden! Denn viele Unternehmen werden auch 20 Jahre brauchen, um ihre Unternehmenskultur umzustellen. Paradigmenwechsel dauern eben länger – wie die Vergangenheit uns gelehrt hat.

 

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