business.on.de: In welchen Situationen habe ich ein Recht auf Sonderurlaub?
Thomas Reiter: Es gibt kein Gesetz, das dem Arbeitnehmer allgemein ein Recht auf Sonderurlaub gibt. Allerdings verliert der Arbeitnehmer gemäß § 616 Satz 1 BGB dann nicht seinen Anspruch auf Vergütung, wenn „er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird“.
Die Rechtsprechung hat daraus Ansprüche auf eine bezahlte Freistellung hergeleitet, z.B. wenn der Arbeitnehmer oder sein Kind heiratet, ein naher Angehöriger stirbt, der Arbeitnehmer als Zeuge vor Gericht aussagen muss oder unverschuldet in einen Verkehrsunfall verwickelt wurde, oder seine Ehefrau ein Kind bekommt.
Teilweise wird ein Anspruch auf Sonderurlaub aber auch in einem Tarifvertrag (zur Tarifvertrag Definition) oder dem Arbeitsvertrag selbst geregelt. Die Regelung kann dann auch zu Ungunsten des Arbeitnehmers von dem aus § 616 BGB hergeleiteten Anspruch abweichen. Deshalb ist bei pauschalen Aussagen stets Vorsicht geboten.
Besteht kein Anspruch auf eine bezahlte Freistellung, kommt hilfsweise eine unbezahlte Freistellung in Frage.
business.on.de: Das bedeutet, der Arbeitgeber kann im Einzelfall selbst bestimmen, ob er Sonderurlaub genehmigt oder nicht. Was können Arbeitnehmer tun, die ihren Sonderurlaub verweigert bekommen?
Thomas Reiter: Wird der Antrag auf Sonderurlaub verweigert, kann der Arbeitnehmer im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes schnell Hilfe bekommen. Dazu kann er sich an die Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichts oder an einen Rechtsanwalt wenden.
business.on.de: Todesfall in der Familie. Wie viele Tage Sonderurlaub sollte der Arbeitgeber dann gewähren?
Thomas Reiter: Soweit keine genaue Regelung im Arbeits- oder Tarifvertrag besteht, kann nur die bisherige Rechtsprechung als Maßstab herangezogen werden. Die Anzahl der möglichen Sonderurlaubstage hängt von den Umständen und von der Nähebeziehung zum Verstorbenen ab. Generell gilt: auch bei einem lange bestehenden Arbeitsverhältnis kann höchstens für wenige Tage eine bezahlte Freistellung nach § 616 BGB gefordert werden.
Bei einem Todesfall in der engeren Familie wird ein Anspruch auf Sonderurlaub an zwei Tagen als gegeben angesehen, dem Todestag und dem Tag der Beerdigung. Der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst gewährt z.B. bei Tod des Ehegatten, des Kindes oder eines Elternteils ebenfalls für zwei Tage bezahlte Freistellung von der Arbeit.
business.on.de: Macht es arbeitsrechtlich einen Unterschied ob die Mutter oder die Oma verstorben ist?
Thomas Reiter: Die Rechtsprechung unterscheidet tendenziell zwischen einem engen und nicht so engen Familienkreis. Eltern und Großeltern zählen danach noch zum engen Familienkreis, genau wie Kinder, Geschwister und im Haushalt lebende Angehörige. Schon beim Tod eines Onkels oder eines Cousins besteht aber kein Anspruch mehr auf bezahlten Sonderurlaub, da diese nicht mehr zum engen Familienkreis gezählt werden.
business.on.de: Personalabteilungen fühlen sich oftmals überfordert beim Thema Sonderurlaub. Wie ist der Ablauf der Genehmigung?
Thomas Reiter: Dies lässt sich nicht verallgemeinern. Der Arbeitnehmer sollte sich an seinen Vorgesetzten oder eine ggf. bestehende Personalabteilung wenden. Es ist möglich, dass der Sonderurlaub schriftlich beantragt werden muss. Soweit der Arbeitsvertrag oder der anwendbare Tarifvertrag Regelungen zum Sonderurlaub enthält, können sich daraus bestimmte Erfordernisse ergeben.
Praxisbeispiel: Villeroy & Boch
Villeroy & Boch teilte uns auf business-on.de Anfrage folgende Regelung in der Praxis mit:
- Todesfall im nächsten Verwandtenkreis
1 Tag Sonderurlaub * (1 zusätzlicher Tag bei Todesfall des Ehegatten / 1 zusätzlicher Tag für die Beerdigung bei Wohngemeinschaft) - Todesfall im weiteren Verwandtenkreis
kein Anrecht auf Sonderurlaub - Geburt
1 Tag Sonderurlaub - Heirat (eigene)
2 Tage Sonderurlaub - Heirat (Kinder)
1 Tag Sonderurlaub
Weitere Informationen zum Thema Sonderurlaub
FN
