Der Fachkräftemangel wird spürbar – tausende Stellen bleiben in Deutschland unbesetzt. Viele Unternehmen suchen verzweifelt nach geeigneten Mitarbeitern. Das bremst nicht nur die Wirtschaft, sondern hat auch den sogenannten „War on talents“ entfacht. Wie können Arbeitgeber passende Mitarbeiter für sich einnehmen und für junge Talente attraktiv sein?
Star-Koch Christian Rach hat gerade medienwirksam sein Steakhaus „Rach & Richy“ in Hamburg schließen müssen. Nicht aufgrund mangelnder oder unzufriedener Gäste, sondern weil er kein geeignetes Personal findet. Allein in Hamburg gibt es in der Gastronomie 5.000 offene Stellen! Aber was können Unternehmen für Ihre Mitarbeiter tun, um ein attraktiver Arbeitgeber zu sein?
Diese Benefits bieten viele Unternehmen
Ein schicker Obstkorb, Müslibar oder einen prallgefüllten Kühlschrank mit szenigen Softdrinks? Das ist in vielen Firmen längst Standard. Ein gutes Gehalt ist wichtig und zählt nach wie vor zu den wichtigsten Kriterien bei der Jobwahl. Auch mit einer Vier-Tage-Woche oder kostenlosen Fortbildungen wird in vielen Unternehmern experimentiert.
Aber gerade in Zeiten disruptiver Veränderungen in der Arbeitswelt müssen sich Unternehmen einiges an zusätzlichen Goodies ausdenken, um attraktiv für Bewerber und Mitarbeiter zu sein. Zeitliche Flexibilität am Arbeitsplatz und Homeoffice wird für viele Arbeitnehmer immer wichtiger, gerade wenn Kinder betreut werden müssen.
Moderne Zeiterfassungssysteme ergänzen neue Arbeitszeitmodelle
Eine digitale Zeiterfassung kann hier für Transparenz und Gerechtigkeit sorgen, was sich grundsätzlich positiv aufs Betriebsklima auswirkt. Außerdem ist seit Mitte dieses Jahres laut EuGH-Urteil die Arbeitszeiterfassung der Mitarbeiter Pflicht.
Berliner Start-up als Positivbeispiel
Ein positives Beispiel für Mitarbeiterführung ist das Berliner Start-up „Wefox“, das die Digitalisierung des Versicherungsmarktes vorantreiben möchte. Das Unternehmen wurde gerade mit dem Prädikat „Top-Arbeitgeber Mittelstand 2019“ des Magazins „Focus“ und des Unternehmensbewertungsportals „Kununu“ ausgezeichnet. Was läuft hier besser als in anderen Firmen? CEO Julian Teicke ist davon überzeugt, dass ein Unternehmen nur dann wirklich funktionieren kann, wenn jeder Mitarbeiter sein volles Potenzial entfalten kann und sich der Job nicht demotivierend auf die Einstellung und die Arbeitsleistung auswirkt. Seiner Meinung nach ist das persönliche Gespräch mit den Mitarbeitern das Wichtigste: Was ist sein individuelles, persönliches Ziel im Unternehmen? Welche Entwicklung möchte der Mitarbeiter im Unternehmen machen? Dafür hat „Wefox“ sogar einen Personal Coach aus den USA engagiert.
Fachkräftemangel verändert den Arbeitsmarkt
Ein Traum für Arbeitnehmer wird wahr: In manchen Branchen ist der Fachkräftemangel inzwischen so enorm, dass sich der Bewerbungsprozess umkehrt. Es gibt zum ersten Mal ein Jobportal, bei dem sich die Firmen bei potenziellen Angestellten bewerben! Das Berliner Start-up „Honeypot“ hat eine Marktlücke ausfindig gemacht, die schnell das Interesse von großen Konzernen geweckt hat. Seit Mitte dieses Jahres gehört das Start-up offiziell zum Burda-Unternehmen „Xing“. Das Social-Job-Network nennt sich neuerdings „New Work“ und möchte sich somit klar von der internationalen Konkurrenz „LinkedIn“ abheben. Wie groß der Bedarf nach innovativen Recruiting-Prozessen ist, sieht man allein am Preis, den „New Work“ angeblich bezahlt hat, nämlich 22 Millionen Euro. Werden die hoch gesteckten Ziele bis 2022 erreicht, erhöht sich die Summe noch einmal um 35 Millionen Euro.
Gründerin Emma Tracey, die eigentlich aus dem journalistischen Bereich kommt, war aufgefallen, dass Bewerbungsprozesse zum Teil unverhältnismäßig lange dauern und die Absprungraten im IT-Bereich sehr hoch sind. Wenn am Ende eines langen Recruiting-Prozesses mit mehreren Gesprächsrunden doch kein Arbeitsvertrag unterschrieben wird, haben sowohl Unternehmen als auch Bewerber viel Zeit vertan. Gründe gibt es viele: Bewerber und Firma passen doch nicht zusammen oder die Gehaltsvorstellungen liegen zu weit auseinander. Wenn der Arbeitnehmer aber zwischen mehreren klar formulierten, individuellen Angeboten – keine Seltenheit im IT-Bereich – wählen kann, steht der Mitarbeiterzufriedenheit kaum noch etwas im Weg. Bleibt abzuwarten, ob sich „Honeypot“ weiter ausschließlich auf die IT-Branche konzentrieren wird oder auch in andere Fachbereiche expandieren wird, die ebenfalls unter hohem Fachkräftemangel leiden, wie beispielsweise das Gesundheits- oder das Bauingenieurwesen.
Bildquellen
- Mitarbeiterzufriedenheit: fizkes / istock.com