Kolumnen & Glossen

Kolumne „Kann passieren …“ – Das Ende aller Fragen

Unser Autor Andreas Ballnus hat in diesem Text eine futuristische Fiktion entwickelt. Der Inhalt mag abstrus klingen – aber es gab auch eine Zeit, in der Flüge zum Mond als Hirngespinste galten. Ein kurzer Text, der viel Platz für weitere Gedankenspiele lässt.

Es war im Jahr 2314, als das Fragezeichen endgültig abgeschafft wurde. Die Technik hatte sich schon lange dahin weiterentwickelt, dass man keine Fragen mehr stellen musste. Bereits Säuglingen wurde ein Chip ins Hirn eingepflanzt, der sie mit allem Wissen und allen Informationen von ihrem ersten Schrei an versorgte. Dieser wurde fortan ihr Leben lang permanent upgedatet. Hierbei wurden allerdings nur die Informationen weitergegeben, die der Mensch entsprechend seines Alters überhaupt verarbeiten konnte.

Es gab aber bereits sehr erfolgsversprechende Forschungen, in denen es darum ging, Neugeborenen sofort sämtliches Wissen und alle anderen kognitiven Fähigkeiten einzuspeichern. Sie wären dann bereits wenige Tage nach ihrer Geburt in der Lage, zu sprechen und eine Vielzahl von Aufgaben zu übernehmen. Kindergärten und Schulen würden überflüssig werden. Die Förderung des Nachwuchses müsste sich nur noch auf die körperliche und soziale Entwicklung konzentrieren.

Der Chip sandte und empfing außerdem sämtliche Signale, die Auskunft über eigene und fremde Befindlichkeiten gaben. Somit brauchte man sich auch nicht mehr gegenseitig zu fragen, wie es einem denn gerade so ginge. Doch das tat man im Grunde sowieso schon lange nicht mehr. Konversationen dieser Art waren aus der Mode gekommen.

Sicher, es gab auch weiterhin Dinge, die ungeklärt waren oder erforscht werden mussten. Doch hierfür wurden nicht mehr Fragen gestellt, sondern Thesen und Arbeitsaufträge formuliert. Der gesamte Sprachgebrauch hatte sich in Wort und Schrift dieser Entwicklung angepasst – eine Entwicklung, die auch nie in Frage gestellt wurde.

 

–Andreas Ballnus —

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ZUM AUTOR

Andreas Ballnus
Jahrgang ’63, Liedermacher und Autor.  Unter dem Nick „anbas“ hat er in dem Literaturforum „Leselupe.de“ eine Vielzahl seiner Texte veröffentlicht. Er lebt in Hamburg und verdient sein Geld als Sozialarbeiter im öffentlichen Dienst. Weitere Informationen: andreasballnus.de.tl

 

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