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Die Entwicklung der Hausbau-Branche – Expertentalk mit Benjamin Lobis

Die Entscheidung für die eigenen vier Wände markiert für die meisten Menschen nicht nur einen emotionalen Meilenstein, sondern die größte finanzielle Investition ihres Lebens. Doch die Komplexität moderner Bauvorhaben, gepaart mit einem oft straffen Zeitplan und dem Fachkräftemangel auf den Baustellen, führt zunehmend zu einer Diskrepanz zwischen dem geschuldeten Vertragssoll und der tatsächlichen Ausführung vor Ort. Längst ist das Bauen keine reine Vertrauenssache mehr, sondern ein Prozess, der technisches Verständnis und ein geschultes Auge für Details erfordert, die dem Laien verborgen bleiben. Von der Bodenplatte bis zum Dachstuhl schleichen sich Fehler ein, die – wenn sie unentdeckt bleiben – Jahre später als Feuchtigkeitsschäden oder Risse teure Sanierungen nach sich ziehen können.

Genau an dieser Schnittstelle zwischen Bauherrenwunsch und handwerklicher Realität agiert Bausachverständiger Benjamin Lobis. Mit einer profunden handwerklichen Basis als Stuckateurmeister und einer mittlerweile über 21-jährigen Erfahrung in der Baubranche kennt er die Perspektive beider Seiten. Seine Expertise erstreckt sich dabei nicht nur auf die klassische Massivbauweise; als QDF-Fertighaus-Bauleiter und zertifizierter Sachverständiger für Holzrahmenbauweise deckt er das gesamte Spektrum des modernen Wohnbaus ab. Ob es um die präzise Analyse von Schimmelursachen, die Begleitung bei der kritischen Bauabnahme oder die Beweissicherung bei Bauschäden geht – der Fokus liegt stets auf der technischen Integrität des Gebäudes. In einer Branche, die sich rasant wandelt, wird die unabhängige Kontrolle zur einzigen Versicherung gegen böse Überraschungen nach dem Einzug.

business-on.de: Herr Lobis, Sie blicken mittlerweile auf über 21 Jahre Erfahrung im Baubereich zurück und haben als Stuckateurmeister das Handwerk von der Pike auf gelernt, bevor Sie den Weg zum Sachverständigen einschlugen. Wenn Sie die Entwicklung der letzten zwei Jahrzehnte betrachten: Haben sich die Art und die Häufigkeit der Baumängel verändert, oder begegnen Ihnen auf den Baustellen immer noch die gleichen „Klassiker“ wie damals?

Benjamin Lobis: Die Klassiker verschwinden nicht. Feuchtigkeit in Anschlüssen, schlecht ausgeführte Abdichtungen, Wärmebrücken an kritischen Stellen oder unsaubere Details im Dachbereich begleiten mich tatsächlich seit Beginn meiner Laufbahn. Das liegt daran, dass diese Bereiche technischer und handwerklicher Sorgfalt brauchen und Fehler sich erst spät bemerkbar machen. Was sich aber klar verändert hat, ist der Rahmen, in dem gebaut wird.

Wir haben heute sehr komplexe Gebäudehüllen. Energetische Anforderungen, neue Materialien, serielle Bauweisen im Fertigbau: All das macht das System „Haus“ sensibler. Früher konnte ein Bauteil mehr verzeihen. Heute führt schon eine kleine Unachtsamkeit dazu, dass Feuchte nicht mehr entweicht oder dass ein Dämmstoff Schaden nimmt.

Hinzu kommt: Zeitdruck und Personalknappheit sind Alltag geworden. Auf der Baustelle fehlen oft die erfahrenen Fachkräfte, die nicht nur ausführen, sondern auch mitdenken. Die Taktung ist eng und die Gewerke greifen immer stärker ineinander. Fehler an einer Stelle ziehen automatisch Risiken an anderer nach sich.

Kurz gesagt: Die typischen Mängel sind nicht neu, aber ihre Ursachen und Auswirkungen haben sich verschärft. Es braucht deshalb mehr Kontrolle, klare Kommunikation zwischen den Beteiligten und jemanden, der die Details im Blick behält, bevor sie zum Problem werden. Als Sachverständiger fühle ich mich genau dafür verantwortlich.

business-on.de: Ihr Portfolio deckt explizit sowohl die Massivbauweise als auch die Holzrahmenbauweise, also das Fertighaus, ab – ein Bereich, für den Sie auch als QDF-Fertighaus-Bauleiter qualifiziert sind. Laien vermuten oft, dass die industrielle Vorfertigung beim Fertighaus weniger Spielraum für Fehler lässt als der Stein-auf-Stein-Bau. Deckt sich das mit Ihren Beobachtungen bei der Überprüfung von Wandbekleidungen und Abdichtungen, oder gibt es hier spezifische Tücken, die oft übersehen werden?

Benjamin Lobis: Die Vorfertigung bringt ohne Frage Vorteile. In der Halle wird witterungsunabhängig gearbeitet, Prozesse sind standardisiert, und es gibt klare Qualitätskontrollen. Das reduziert manche Risiken, die wir auf klassischen Baustellen kennen. Aber: Ein Fertighaus ist kein Plug-and-Play-Produkt. Die entscheidenden Fehler passieren oft dort, wo industrielle Perfektion auf die Realität der Baustelle trifft.

Gerade die Schnittstellen sind kritisch. Anschlüsse an die Bodenplatte, Übergänge zu Fenstern und Türen, Durchdringungen für Installationen: Diese Punkte werden vor Ort hergestellt, und dort beobachte ich immer wieder Schwächen. Eine kleine Lücke in der Luftdichtheitsschicht, ein falsch gesetztes Dichtband oder eine nicht sauber ausgeführte Abdichtung reicht aus, um später Feuchte oder Schimmel zu begünstigen.

Ein weiterer Punkt ist das Trocknungsmanagement. Holz ist ein fantastischer Baustoff, aber er braucht Schutz. Nasse Bauteile während der Montage oder verzögerte Abdichtungsarbeiten können Schäden verursachen, die erst nach Jahren sichtbar werden.

Beim Massivbau sehe ich dagegen eher klassische Themen wie Rissebildung, unzureichende Dämmung oder mangelhafte Putzhaftung. Es sind unterschiedliche Welten, und jede hat ihre eigenen Schwachstellen.

Unterm Strich gilt: Die Vorfertigung nimmt Fehler heraus, aber sie schafft auch neue Herausforderungen. Wer die Besonderheiten der jeweiligen Bauweise kennt und genau hinschaut, kann sie gut beherrschen. Genau darin sehe ich meine Aufgabe für die Bauherren.

business-on.de: Ein Schwerpunkt Ihrer Arbeit liegt auf der Erstellung von Gutachten bei Schäden durch Feuchtigkeit und Schimmelbildung. Oft ist für den Eigentümer gar nicht ersichtlich, ob es sich um ein Lüftungsproblem oder einen baulichen Mangel der Abdichtungstechnik handelt. Wie gehen Sie bei der Ursachenermittlung vor Ort methodisch vor, um hier eine gerichtsfeste Unterscheidung treffen zu können?

Benjamin Lobis: Bei Feuchte- und Schimmelschäden ist der erste Blick meist trügerisch. Die Herausforderung besteht darin, Ursache und Wirkung sauber zu trennen. Ein „das sieht nach falschem Lüften aus“ reicht nicht. Ich arbeite immer nach einem strukturierten Vorgehen, das technische Messungen und die Bauphysik zusammenbringt.

Am Anfang steht eine gründliche Ortsbesichtigung. Ich dokumentiere den Schadenverlauf, schaue mir die betroffenen Bauteile und die Konstruktion im Detail an. Dann folgen Messungen: Materialfeuchte in verschiedenen Tiefen, Oberflächenfeuchte, Raumklima mit Temperatur und relativer Luftfeuchte. Bei Bedarf ergänze ich das durch Infrarot-Thermografie, um Wärmebrücken und Kondensationsbereiche sichtbar zu machen.

Parallel analysiere ich die Nutzungssituation. Wie viele Personen leben dort, wie wird geheizt und gelüftet, gibt es Möbel, die kritische Bereiche abdecken? Diese Faktoren können die Situation verschärfen, erklären sie aber nicht automatisch.

Der entscheidende Schritt ist die bauphysikalische Bewertung. Ich prüfe die Luftdichtheit und die Ausführung der Abdichtung. Dazu gehören auch Feuchteeinträge von außen, etwa durch mangelhafte Fensteranschlüsse oder defekte Abdichtungsebenen. Wenn nötig, ziehe ich Langzeitmessungen heran oder wertet Datenlogger aus, um das Nutzerverhalten und die Baufeuchte über einen längeren Zeitraum zu beurteilen.

Am Ende entsteht ein belastbares Gesamtbild: Woher kommt die Feuchte? War sie von Anfang an in der Konstruktion, dringt sie ein oder entsteht sie durch Innenklima und Kondensation? Erst wenn die Ursache fachlich eindeutig zugeordnet ist, lässt sich ein Schaden gerichtsfest bewerten und eine sinnvolle Sanierung planen.

Mir ist wichtig: Nur saubere Analyse schützt Eigentümer davor, für Mängel verantwortlich gemacht zu werden, die sie gar nicht zu vertreten haben.

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business-on.de: Viele Bauherren rufen einen Experten erst dann hinzu, wenn das Kind bereits in den Brunnen gefallen ist. Sie bieten jedoch auch eine „baubegleitende Qualitätskontrolle“ an, bei der Sie die Bauleistungen bis zur Abnahme fortlaufend überprüfen. Welche typischen Fehler, die bei einer reinen Endabnahme vielleicht schon unter Putz oder Estrich verborgen wären, können durch dieses Vorgehen bereits im Keim erstickt werden?

Benjamin Lobis: Die Erfahrung zeigt: Was ich am Ende nicht mehr sehen kann, kann ich auch nicht mehr bewerten. Deshalb ist eine begleitende Kontrolle so wirksam. Viele der folgenschwersten Fehler entstehen in Phasen, in denen Bauteile noch offen sind.

Ein klassisches Beispiel ist die Abdichtungsebene im Sockel- und Feuchtebereich. Wenn hier Folien falsch angeschlossen oder Dichtbänder lückenhaft verlegt werden, bleibt das unter dem Estrich verborgen. Später treten dann Feuchteschäden, Schimmel oder sogar Korrosion auf. Ähnlich kritisch ist die Luftdichtheitsschicht in Wänden und im Dach. Eine scheinbar kleine Undichtigkeit kann zu Tauwasserschäden in der Dämmung führen, die erst Jahre später sichtbar werden.

Auch im Bereich Heizung, Sanitär und Lüftung lohnt sich der frühe Blick. Falsch gedämmte Leitungen, ungeeignet platzierte Lüftungsöffnungen oder mangelhafte Gefälle bei Abwasserleitungen lassen sich im Rohbau leicht korrigieren, später wird es teuer.

Beim Massivbau kommt die Thematik der Baufeuchte dazu. Ich prüfe, ob ausreichend getrocknet wurde, bevor weitere Schichten folgen. Feuchte im Mauerwerk oder Estrich führt sonst zu Verformungen, Rissen und Schimmel hinter Möbeln oder in Bodenaufbauten.

Kurz gesagt: Wer nur zur Abnahme prüft, kontrolliert im besten Fall die Oberfläche. Die baubegleitende Kontrolle schafft Sicherheit, weil kritische Details bewertet werden, solange man noch eingreifen kann. Das spart den Bauherren im Zweifel nicht nur Geld, sondern vor allem Nerven.

business-on.de: Neben der Bauphase gibt es den kritischen Punkt der Gewährleistungsmängel kurz vor Ablauf der Frist. Oft sind Mängel wie Hohllagen bei Fliesen oder schleichende Feuchte für den Laien im Alltag gar nicht sichtbar. Lohnt sich eine professionelle Überprüfung des Gebäudes vor Ablauf der Gewährleistung pauschal für jeden Eigentümer, und was sind hier Ihre häufigsten Funde?

Benjamin Lobis: Eine Überprüfung kurz vor Ablauf der Gewährleistung ist für die meisten Eigentümer sinnvoll, weil viele Schäden erst verzögert auftreten. In den ersten Jahren steht das Gebäude noch unter Spannung. Materialien arbeiten, Feuchte diffundiert aus dem Baukörper, Installationen setzen sich. Das führt zu typischen Befunden, die im Alltag leicht übersehen werden.

Sehr häufig stoße ich auf Hohllagen bei Fliesen, etwa in Bädern oder im Eingangsbereich. Solange niemand darauf tritt, merkt man das nicht, aber später kommt es zu Rissen oder Ablösungen. Ebenfalls weit verbreitet sind Undichtigkeiten in den Abdichtungsanschlüssen von Duschen oder Terrassen. Die beginnen oft unscheinbar, entwickeln sich aber zu teuren Feuchteschäden.

Fenster und Türen sind ein weiterer Klassiker. Verstellte Elemente, mangelhafte Anpressdrücke oder defekte Dichtungen führen zu Zugluft, Kondensat und Schimmel an Leibungen. Heizungs- und Lüftungstechnik liefert ebenfalls regelmäßig Themen. Unzureichend einregulierte Systeme oder fehlerhafte Dämmung an Leitungen verursachen unnötige Energieverluste oder Feuchteschäden im Aufbau.

Manchmal zeigen sich auch Risse, die auf Bewegungen oder Spannungen in der Konstruktion zurückgehen. Nicht jeder Riss ist dramatisch, aber man muss unterscheiden können, was rein optisch ist und was auf einen ernsten Mangel hinweist.

Die Gewährleistungsprüfung schafft Klarheit darüber, was noch geltend gemacht werden muss, bevor die Fristen ablaufen. Für Eigentümer ist das eine einfache Möglichkeit, das Risiko späterer Kosten zu minimieren und sicherzustellen, dass die versprochene Qualität dauerhaft erreicht wurde. Ich sehe es als letzten „Check-up“, bevor die Verantwortung endgültig übergeht.

business-on.de: In Bewertungen wird häufig nicht nur Ihre fachliche Kompetenz, sondern auch Ihre Fähigkeit gelobt, komplexe Sachverhalte verständlich zu erklären und als Vermittler aufzutreten. Wie wichtig ist in Ihrer täglichen Arbeit die „Übersetzungsleistung“ zwischen den technischen „Regeln der Technik“, auf die Sie pochen müssen, und dem oft emotionalen Stresslevel der Bauherren?

Benjamin Lobis: Ein Haus zu bauen oder Mängel festzustellen, ist für viele Menschen eine Ausnahmesituation. Da geht es nicht nur um Bautechnik, sondern um die eigene Existenz und viel Geld. Meine Aufgabe ist deshalb zweigeteilt: Ich muss fachlich präzise bleiben und gleichzeitig dafür sorgen, dass die Bauherren verstehen, was passiert und welche Optionen sie haben.

Ich kenne beide Seiten. Als früherer Bauleiter weiß ich, wie komplex Abläufe auf der Baustelle sind, wie schnell unter Zeitdruck Entscheidungen getroffen werden und wie viele Gewerke koordiniert werden müssen. Gleichzeitig vertrete ich heute die Interessen der Bauherren und halte die anerkannten Regeln der Technik konsequent im Blick. Diese Erfahrung hilft mir, nicht als Gegenspieler aufzutreten, sondern als Brücke zwischen den Parteien.

Dazu gehört, technische Details in eine Sprache zu übersetzen, die nicht verunsichert, sondern Orientierung bietet. Statt mit Fachbegriffen zu überfrachten, erkläre ich Zusammenhänge so, dass ein Bauherr nachvollziehen kann, warum ein Mangel relevant ist und welche Folgen er hätte, wenn man ihn ignoriert. Das beruhigt, weil es aus dem diffusen Gefühl „irgendetwas stimmt nicht“ eine klare, sachliche Grundlage macht.

Am Ende profitieren alle davon. Konflikte eskalieren seltener, Lösungen werden schneller gefunden, und der Bauherr fühlt sich nicht machtlos, sondern gut begleitet. Genau diese Mischung aus technischer Genauigkeit und menschlicher Verständlichkeit macht meinen Beruf aus und ist für einen erfolgreichen Bauverlauf oft genauso wichtig wie die beste Ausführung auf der Baustelle.

Vielen Dank, Herr Lobis, für diese tiefgehenden Einblicke in die Bauqualität und Ihre Arbeit.

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