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Wenn Medikamente krank machen

Die Zahlen sind alarmierend. 250.000 Krankenhauseinweisungen im Jahr in Deutschland sind auf unerwünschte Arzneimittelwirkungen eines Medikamenten-Cocktails zurückzuführen. Laut einer Forsa-Umfrage, die im Auftrag der Bundesvereinigung Deutscher Apothekenverbände (ABDA) durchgeführt wurde, nehmen ein Viertel aller Befragten drei oder mehr Medikamente dauerhaft ein, verschrieben von Haus- und Fachärzten, die oft nichts von den Verschreibungen der Kollegen wissen. Hinzu kommen freiverkäufliche Arzneimittel wie Schmerz- oder Schlafmittel sowie Nahrungsergänzungsmittel, die sich die Patienten selber verschreiben und in Online-Apotheken oder Drogerien kaufen. „Am meisten betroffen von der so genannten Polymedikation ist die Altersklasse der über Siebzigjährigen mit 55 Prozent, aber auch die 50 bis 69-jährigen sind mit 32 Prozent vertreten“, erläutert Apothekerin Nadine Freialdenhoven, Vorstandsmitglied der Apothekerkammer Nordrhein.

Für Freialdenhoven, die vier Apotheken im Rhein-Erft-Kreis führt, ist die Kostenübernahme einer Medikationsanalyse in Apotheken als gesetzliche Kassenleistung seit Juni deshalb ein Lichtblick. Da 88 Prozent der Betroffenen laut Studie eine Stammapotheke haben, ist die Chance, die Zielgruppe zu erreichen, groß. Zwei ihrer Apothekerinnen haben bereits die spezielle Fortbildung ATHINA (Arzneimittelsicherheit in Apotheken) erfolgreich absolviert, die anderen Apotheker befinden sich noch in der Weiterbildung und beenden diese bald.

Die Nachfrage ist vor allem bei älteren Kundinnen und Kunden groß. Oft sind diese Menschen polymorbid, leiden an Erkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, erhöhten Cholesterinwerten, aber auch an psychischen Erkrankungen. „Viele Patienten sind mit der Einnahme so vieler Medikamente überfordert und sind sich gar nicht darüber im Klaren, welche gesundheitlichen Konsequenzen Tablettencocktails aus rezeptpflichtigen und freiverkäuflichen Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln nach sich ziehen können“, beobachtet die Apothekerin und Filialleiterin der Adler Apotheke in Kerpen, Juna Maci, schon seit Jahren. Mit der Medikationsanalyse kann sie nun aktiv helfen. Dafür nimmt sie sich pro Beratungstermin eine Stunde Zeit und überprüft z. B. auch, ob der Patient das Asthma-Spray richtig anwendet.

Medikamenten-TÜV

Um sich einen Überblick zu verschaffen, bringen die Kundinnen und Kunden zum Beratungstermin alle Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel mit, die sie aktuell einnehmen. Auch Arzt- und Krankenhausbriefe und Laborwerte wertet die Apothekerin aus, stellt Fragen zu Wechsel- und Nebenwirkungen, aber auch zu den Lebensgewohnheiten der Kunden. „Manche Medikamente vertragen sich nicht mit Nikotin oder Alkohol. Aber auch das Thema Ernährung und Bewegung ist Gegenstand der Beratung“, so Maci. Einnahmefehler sind keine Seltenheit, d. h. Medikamente werden zur falschen Tageszeit eingenommen oder zeitliche Abstände zu anderen Medikamenten oder Nahrungsmitteln werden nicht eingehalten. Klagt ein Patient über Schwindel und hat einen zu niedrigen Blutdruck, sollte die Dosierung blutdrucksenkender Mittel vom Arzt angepasst werden.

„Der große Vorteil für die Patienten, aber auch für die Ärzte ist, dass sie einen vollständigen Überblick über alle Medikamente haben. So können auch Doppelmedikationen vermieden werden. Sind Patienten mit der Einnahme überfordert, schlagen wir dem Arzt in einem Arztbrief Kombinationspräparate vor“, erklärt Freialdenhoven. Das Ziel der Medikationsanalyse ist ein aktualisierter und vor allem vollständiger Medikamentenplan, der bei einem zweiten Termin ausgehändigt wird.

Einnahmefehler vermeiden

  • Einnahmeabstände zu anderen Medikamenten oder Lebensmitteln sind bei vielen Präparaten wichtig. Beispiele: Magen- und Schilddrüsentabletten sind eine halbe Stunde vor dem Frühstück einzunehmen. Bei Schilddrüsentabletten sind mindestens drei Stunden Abstand zum Verzehr von Milch- und Milchprodukten und Nahrungsergänzungsmitteln wie Magnesium oder Eisen einzuhalten, weil ansonsten die Wirkung nachlässt.
  • Entwässerungstabletten sind immer morgens oder mittags einzunehmen, weil die Patienten sonst nachts raus müssen, weil die Blase drückt.
  • Wer ASS 100 und Schmerzmittel wie Ibuprofen einnimmt, muss wissen, dass die ASS 100 nur wirkt, wenn sie eine halbe Stunde vor oder acht Stunden nach der Einnahme von Ibuprofen eingenommen wird.
  • Eine gleichzeitige und längerfristige Einnahme von Blutdrucksenkern und Schmerzmitteln, sofern sie nicht vom Arzt verordnet wurden, vermeiden, die den Blutdruck erhöhen und die Niere belasten

Wer hat Anspruch auf eine Medikationsanalyse?

  • Wer mindestens fünf ärztlich verordnete Medikamente regelmäßig einnimmt, dem steht eine Medikationsanalyse zu.
  • Anspruch auf diese pharmazeutische Dienstleistung der Apotheken besteht einmal im Jahr oder bei erheblicher Umstellung der Medikation.
  • Die gesetzlichen Krankenkassen übernehmen die Kosten für die Medikationsanalyse und rechnen direkt mit den Apotheken ab.
  • Auch privat Versicherte haben Anspruch auf eine Kostenübernahme.

Bildquellen

  • Nadine Freialdenhoven: Freialdenhoven Apotheken
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