Die Mitunternehmerschaft ist ein zentraler Begriff im deutschen Steuerrecht und insbesondere für die Besteuerung von Personengesellschaften von großer Bedeutung. Im Fokus steht dabei die Frage, wann eine Person als Mitunternehmer im Sinne des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen ist und welche rechtlichen sowie steuerlichen Konsequenzen sich aus dieser Einordnung ergeben. Sowohl in der Praxis der Unternehmensgründung als auch im Rahmen der steuerlichen Gewinnermittlung spielt die Mitunternehmerschaft eine wesentliche Rolle. Dabei berührt sie Fragen zur Besteuerung, zur Verlustzurechnung, zur Einordnung von Beteiligungen sowie zur Bewertung des unternehmerischen Risikos.
Grundlagen und Begriff der Mitunternehmerschaft
Die Mitunternehmerschaft ist kein eigenständiger Gesellschaftstyp, sondern ein steuerrechtliches Konzept, das die Beteiligung an einer Personengesellschaft beschreibt. Der Begriff „Mitunternehmerschaft“ stammt aus dem Einkommensteuerrecht und wird in den §§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 2 EStG gesetzlich geregelt. Eine Personengesellschaft wie die Offene Handelsgesellschaft (OHG), die Kommanditgesellschaft (KG) oder die Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) kann steuerlich eine Mitunternehmerschaft darstellen, sofern die Gesellschafter bestimmte Kriterien erfüllen.
Maßgeblich ist, dass die Gesellschafter als Mitunternehmer auftreten – das heißt, sie tragen Mitunternehmerrisiko und üben Mitunternehmerinitiative aus. Beide Merkmale gelten als entscheidende Voraussetzungen. Der Gesetzgeber unterscheidet damit die Mitunternehmerschaft klar von reinen Kapitalbeteiligungen oder anderen Beteiligungsformen ohne unternehmerische Mitverantwortung.
Diese steuerliche Ausprägung hat unmittelbare Auswirkungen auf die Gewinnermittlung, die Besteuerung sowie die Verlustzurechnung. Ein zentraler Punkt ist zudem, dass im Rahmen der Mitunternehmerschaft die Gewinne nicht auf Ebene der Gesellschaft besteuert werden, sondern den Gesellschaftern direkt zugerechnet werden.
Merkmale: Mitunternehmerrisiko und Mitunternehmerinitiative
Zwei wesentliche Merkmale kennzeichnen die Mitunternehmerschaft: das Mitunternehmerrisiko und die Mitunternehmerinitiative.
Das Mitunternehmerrisiko bedeutet, dass der Gesellschafter am Gewinn, Verlust und den stillen Reserven des Betriebs beteiligt ist. Dies umfasst sowohl das allgemeine Unternehmerrisiko als auch die Möglichkeit der Verlustbeteiligung, den Zugang zu stillen Reserven sowie die Beteiligung am Betriebsvermögen. Auch bei Ausscheiden aus der Gesellschaft kann sich dies auswirken, etwa bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns.
Die Mitunternehmerinitiative beschreibt das Maß an unternehmerischer Einflussnahme, das der Gesellschafter ausüben kann. Dies zeigt sich insbesondere in der Möglichkeit zur Mitwirkung bei geschäftlichen Entscheidungen, Kontrollrechten oder im Zugriff auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens. Eine bloße Kontrollbefugnis oder Einsichtnahme ohne Entscheidungsrechte reicht in der Regel nicht aus, um Mitunternehmerinitiative im Sinne der Rechtsprechung anzunehmen.
Beide Merkmale müssen kumulativ vorliegen. Fehlt eine dieser Voraussetzungen, liegt keine Mitunternehmerschaft im steuerlichen Sinne vor – mit der Folge, dass beispielsweise Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung oder Kapitalvermögen vorliegen können.
Besteuerungsfolgen bei Mitunternehmerschaften
Die steuerlichen Auswirkungen einer Mitunternehmerschaft sind vielfältig und berühren zahlreiche Vorschriften des EStG. Zunächst erfolgt die Gewinnermittlung auf Ebene der Personengesellschaft. Der Gewinn wird dabei grundsätzlich mittels Betriebsvermögensvergleichs (§ 4 Abs. 1 EStG) oder Einnahmen-Überschuss-Rechnung ermittelt.
Im Anschluss daran erfolgt die Zurechnung des Gewinns anteilig auf die einzelnen Mitunternehmer – unabhängig davon, ob diese den Gewinn entnehmen oder im Unternehmen belassen. Auch Sondervergütungen wie Geschäftsführergehälter, Mieten oder Zinsen, die der Mitunternehmer von der Gesellschaft erhält, gelten als Sonderbetriebseinnahmen und sind im Rahmen der Gewinnermittlung zu berücksichtigen. Ebenso sind Sonderbetriebsvermögen und damit verbundene Einkünfte gesondert zu erfassen.
Ein weiterer Aspekt ist die Behandlung von Verlusten. Verluste aus einer Mitunternehmerschaft können steuerlich nur berücksichtigt werden, wenn tatsächlich ein wirtschaftliches Risiko getragen wird. Die Verlustzurechnung erfolgt ebenfalls anteilig und richtet sich nach den Beteiligungsverhältnissen sowie den vertraglichen Vereinbarungen.
Wird ein Mitunternehmer aus der Gesellschaft entlassen oder veräußert er seinen Anteil, ist die Veräußerungsgewinnbesteuerung nach § 16 EStG einschlägig. Dabei spielen insbesondere stille Reserven, der Buchwert des Anteils sowie die bisherigen Gewinnanteile eine Rolle.
Sonderbetriebsvermögen und Sondervergütungen bei Mitunternehmerschaften
Ein wesentliches Merkmal der Mitunternehmerschaft ist die Berücksichtigung des sogenannten Sonderbetriebsvermögens. Dieses umfasst Wirtschaftsgüter, die im Eigentum eines Mitunternehmers stehen, jedoch unmittelbar dem Betrieb der Personengesellschaft dienen. Beispiele hierfür sind Grundstücke, Maschinen oder Darlehen, die ein Gesellschafter der Gesellschaft zur Nutzung überlässt. Diese Wirtschaftsgüter werden steuerlich dem Betriebsvermögen der Mitunternehmerschaft zugerechnet und unterliegen ebenfalls der Gewinnermittlung.
Eng verbunden damit sind die Sondervergütungen, die der Mitunternehmer für die Überlassung oder Tätigkeit erhält – etwa in Form von Pacht, Miete, Zinsen oder Gehältern. Diese Zahlungen stellen auf Ebene der Gesellschaft Betriebsausgaben dar, beim empfangenden Gesellschafter hingegen Sonderbetriebseinnahmen. Dadurch entsteht eine doppelte Erfassung innerhalb des Gewinnverteilungssystems der Mitunternehmerschaft.
Die ordnungsgemäße Erfassung und Dokumentation dieser Sachverhalte ist von hoher Bedeutung, da Fehler in der Abgrenzung oder Bewertung zu steuerlichen Nachteilen führen können. Die steuerliche Behandlung von Sonderbetriebsvermögen ist daher ein zentrales Element bei der Bilanzierung und bei steuerlichen Außenprüfungen.
Gesellschaftsformen, die eine Mitunternehmerschaft begründen
Die Mitunternehmerschaft tritt typischerweise bei Personengesellschaften auf, da hier die unmittelbare Mitwirkung der Gesellschafter am Gesellschaftsprozess üblich ist. Dazu zählen insbesondere:
- OHG: Alle Gesellschafter sind zur Geschäftsführung befugt und haften unbeschränkt. Das Mitunternehmerrisiko ist klar gegeben.
- KG: Komplementäre sind typischerweise Mitunternehmer, während die Mitunternehmereigenschaft des Kommanditisten von dessen Mitwirkungsrechten abhängt.
- GbR: Auch in der Gesellschaft bürgerlichen Rechts können Mitunternehmerschaften vorliegen, sofern die Merkmale der Mitunternehmerinitiative und des Mitunternehmerrisikos erfüllt sind.
Auch atypisch stille Beteiligungen können unter Umständen eine Mitunternehmerschaft begründen, sofern eine umfassende Einflussnahme und Risikobeteiligung besteht. Entscheidend ist stets die Ausprägung der Beteiligung im Sinne der tatsächlichen wirtschaftlichen Mitwirkung.
Zudem kann auch die Beteiligung einer Kapitalgesellschaft an einer Personengesellschaft zu einer Mitunternehmerschaft führen, wenn sie die Voraussetzungen erfüllt.
Rechtsprechung und Verwaltungsanweisungen zur Mitunternehmerschaft
Die Rechtsprechung hat die Definition und Abgrenzung der Mitunternehmerschaft über Jahre hinweg präzisiert. Eine zentrale Rolle spielt dabei das Schreiben des Bundesfinanzministeriums (BMF) zu Rz. H 15.8 EStH, in dem zahlreiche Einzelfälle dargestellt und kommentiert werden.
Die Gerichte betonen regelmäßig die tatsächliche Ausgestaltung der Beteiligung. Der bloße Eintrag im Gesellschaftsvertrag reicht nicht aus – entscheidend ist, ob in der Praxis unternehmerische Verantwortung übernommen und ein unternehmerisches Risiko getragen wird.
Ein bedeutender Streitpunkt ist dabei der Umfang der Kontrollrechte. Nach der BFH-Rechtsprechung kann auch ein Kommanditist Mitunternehmer sein, wenn er über Kontrollbefugnisse verfügt, die über das gesetzliche Maß hinausgehen und die unternehmerische Steuerung ermöglichen.
Auch im Zusammenhang mit der Einbringung von Einzelunternehmen in eine Personengesellschaft ergeben sich steuerrechtlich relevante Fragen. Insbesondere die Bewertung von Betriebsvermögen, Sonderbetriebsvermögen und stillen Reserven steht hier im Fokus.
Abgrenzung zu anderen Einkunftsarten
Von besonderer Bedeutung ist die Abgrenzung der Mitunternehmerschaft zu anderen Einkunftsarten nach § 2 EStG.
- Einkünfte aus selbstständiger Arbeit: Diese unterliegen eigenen Regeln und gelten nur bei freiberuflicher Tätigkeit ohne Mitunternehmerschaft.
- Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung: Liegen keine unternehmerischen Elemente vor, etwa bei reiner Immobilienvermietung ohne Einflussnahme, handelt es sich nicht um eine Mitunternehmerschaft.
- Kapitalbeteiligung: Eine reine Kapitalanlage ohne Mitwirkung oder Risikoübernahme stellt keine Mitunternehmerschaft dar.
Eine fehlerhafte Einordnung kann schwerwiegende Folgen für die steuerliche Behandlung haben – insbesondere im Hinblick auf Verluste, Sondervergütungen und Veräußerungsgewinne.

https://unsplash.com/de/fotos/eine-person-die-munzen-auf-einem-tisch-stapelt-jpqyfK7GB4w
Fazit: Bedeutung der Mitunternehmerschaft im Unternehmensalltag
Die Mitunternehmerschaft ist ein fundamentales Element des deutschen Steuerrechts und der unternehmerischen Praxis. Sie betrifft nicht nur die klassische Personengesellschaft, sondern kann auch in Mischformen oder bei Sonderbeteiligungen auftreten. Entscheidend ist stets die wirtschaftliche Realität: Trägt eine Person ein Mitunternehmerrisiko und übt sie eine Mitunternehmerinitiative aus, wird sie steuerlich als Mitunternehmer behandelt – mit allen Rechten und Pflichten.
Für Unternehmer, Gesellschafter und steuerliche Berater bedeutet dies, dass die Gestaltung von Beteiligungsverhältnissen im Rahmen des Gesetzes sorgfältig erfolgen muss. Nur durch klare Regelungen im Gesellschaftsvertrag, transparente Gewinnverteilung und dokumentierte Mitwirkungsrechte kann eine eindeutige steuerliche Einordnung erreicht werden.
Die Vorschriften des EStG, insbesondere § 15 und § 4, sowie die umfangreiche Rechtsprechung und Verwaltungspraxis geben den Rahmen vor, in dem sich die Mitunternehmerschaft abbildet. Ihr Verständnis ist unverzichtbar für die rechtssichere und steuerlich optimale Gestaltung von Unternehmensstrukturen.
