„KI liest Ihre Website, bevor es Ihr Kunde tut“, sagt Marketingexperte Mateusz Darcz. 2026 werden erfolgreiche B2B-Unternehmen nicht durch Kaltakquise oder Ads gewinnen sondern durch Markenvertrauen, emotionalen Content und authentische Communities auf Plattformen wie YouTube oder LinkedIn. Ein Blick in die Zukunft der B2B-Kommunikation.
Die B2B-Welt steht vor einem tektonischen Wandel. Während viele Unternehmen noch immer in Quartalszahlen und klassischen Lead-Funnels denken, verändert sich die technologische und psychologische Landschaft des Verkaufens radikal. Künstliche Intelligenz beginnt, Suchmaschinen als primäre Informationsquelle abzulösen, die „Customer Journey“ wird zunehmend anonym und selbstgesteuert, und Vertrauen wird zur härtesten Währung im digitalen Raum.
Mateusz Darcz, Creative Director und Stratege bei DAXO MEDIA, gilt als Vordenker, wenn es darum geht, komplexe B2B-Dienstleistungen in begehrliche Markenwelten zu übersetzen. Er prognostiziert: Wer bis 2026 seine Kommunikationsstrategie nicht von kurzfristiger Jagd auf langfristige Bindung umstellt, wird unsichtbar werden für Menschen und für Maschinen. Im Interview mit business-on.de erklärt Mateusz von Daxomedia, warum der klassische „Sales Call“ ausgedient hat, wie KI über Ihre Reputation entscheidet und warum Sympathie der unterschätzte Wirtschaftsfaktor der Zukunft ist.
business-on.de: Herr Darcz, Sie haben eine provokante These aufgestellt: „KI liest Ihre Website, bevor es Ihr Kunde tut.“ Das klingt fast wie eine Drohung für den klassischen Mittelstand. Was meinen Sie damit konkret im Hinblick auf das Jahr 2026?
Mateusz Darcz: Es ist keine Drohung, sondern eine Realität, auf die wir uns einstellen müssen. Bisher war unser digitales Marketing darauf ausgerichtet, Menschen zu gefallen und Google-Algorithmen zu befriedigen. Das ändert sich gerade fundamental. Wir bewegen uns auf ein Szenario zu, in dem KI als „stiller Vermittler“ zwischen Anbieter und Kunde fungiert.
Stellen Sie sich vor, ein Einkäufer sucht 2026 nach einer neuen ERP-Lösung oder einem Spezialmaschinenbauer. Er wird nicht mehr zehn blaue Links bei Google durchklicken. Er wird ein großes Sprachmodell sei es eine Weiterentwicklung von ChatGPT, Perplexity oder ein in das Betriebssystem integrierter Assistent fragen: „Wer ist der zuverlässigste Anbieter für X in der Region DACH und warum?“
Die KI scannt in Sekundenbruchteilen Websites, YouTube-Transkripte, LinkedIn-Beiträge und externe Reviews. Sie analysiert Content und Reputation. Wenn Ihre Marke keinen klaren, digital lesbaren Fußabdruck hinterlässt Stichwort AI Visibility , dann wird die KI Sie schlichtweg nicht empfehlen. Sie kommen im „Consideration Set“ des Kunden gar nicht mehr vor. Das bedeutet: Content ist nicht mehr nur Bildung für den Menschen, sondern Futter für die Maschine, die die Vorauswahl trifft.
business-on.de: Das heißt, die klassische SEO-Optimierung, wie wir sie kennen, stirbt aus?
Mateusz Darcz: Sie stirbt nicht, sie evolviert. Es geht weg von Keywords hin zu Kontext und Autorität. Früher reichte es, auf Seite 1 bei Google zu stehen. In Zukunft geht es darum, ob KI-Systeme Ihrem Unternehmen „vertrauen“. Große Sprachmodelle basieren auf Wahrscheinlichkeiten. Wenn Sie im Netz konsistent als Experte auftreten durch Thought-Leadership-Artikel, Whitepapers und vor allem Video-Content , steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die KI Sie als relevante Antwort ausgibt.
Wer heute noch glaubt, eine statische Website „Über uns“ reiche aus, wird 2026 ein böses Erwachen erleben. Unternehmen ohne strategischen, tiefgehenden Content verlieren systematisch ihre Sichtbarkeit. Ab 2027 oder 2028 wird dies der entscheidende Wettbewerbsfaktor sein: Werden Sie von der KI als Autorität erkannt oder als Rauschen ignoriert?
business-on.de: Viele B2B-Unternehmen sind noch stark auf den klassischen Vertrieb und „Leads“ fokussiert. Sie sagen jedoch, wir müssen uns vom „Lead Funnel“ verabschieden. Ist das nicht wirtschaftlicher Selbstmord?
Mateusz Darcz: Ganz im Gegenteil. Das Festhalten am alten Modell ist das eigentliche Risiko. Viele Unternehmen denken immer noch extrem kurzfristig: Kampagne schalten, Lead generieren, Sales-Team anrufen lassen, ROI messen. Das ist das Denken von 2015.
Das Problem ist: Der Kunde spielt dieses Spiel nicht mehr mit. Die B2B-Kaufentscheidung ist heute nicht mehr linear. Wir sehen eine Verschiebung vom „Lead Funnel“ zu einem kontinuierlichen Prozess der Beziehungspflege ich nenne das den Weg vom Lead zur Loyalität. Kunden wollen sich nicht mehr in ein Formular eintragen, nur um dann von einem Junior Sales Manager angerufen zu werden, der ihnen Fragen stellt, die sie sich längst selbst beantwortet haben.
Wir müssen verstehen, dass 2026 Markenbindung, Vertrauen und omnipräsente Sichtbarkeit mehr zählen als reine Performance-Metriken einer einzelnen Kampagne. Unternehmen, die nur „verkaufen“ wollen, werden von denen verdrängt, die kommunizieren, inspirieren und bilden. Wer heute Wissen teilt, erntet morgen das Vertrauen. Das ist kein „weicher“ Faktor, das ist knallharter Umsatz. Denn ein gebildeter Kunde, der durch Ihren Content bereits verstanden hat, wie Sie arbeiten, konvertiert viel schneller und zu höheren Preisen als ein „kalter“ Lead aus einer Facebook-Ad.
business-on.de: Wie sieht diese neue „Customer Journey“ denn in der Praxis aus, wenn der erste Kontakt nicht mehr über den Vertrieb läuft?
Mateusz Darcz: Die Reise ist heute ein Zickzack-Kurs und findet oft im sogenannten „Dark Social“ statt also in Kanälen, die wir kaum tracken können. Ein typischer Prozess sieht so aus: Ein Entscheider erkennt ein Problem. Er geht nicht sofort auf Anbietersuche, sondern bildet sich weiter. Er hört Podcasts, schaut YouTube-Videos zur Problemlösung, liest Beiträge auf LinkedIn.
In dieser Phase und das ist entscheidend findet die Meinungsbildung statt. Der Kunde entscheidet sich innerlich oft schon für einen Anbieter, lange bevor er das erste Mal Kontakt aufnimmt. Er konsumiert stundenlang Content.
Wenn Sie in dieser Phase der „Selbstständigen Weiterbildung“ nicht präsent sind, existieren Sie für den Kunden nicht. Der erste Kontakt 2026 findet nicht über einen Sales-Call statt, sondern über Content, den die KI oder der Nutzer selbst findet. Wir bewegen uns von einem „Awareness-Loop“ hin zu einer KI-gestützten Entscheidung. Die KI übernimmt die Fleißarbeit: Sie vergleicht Features, scannt AGBs, prüft Erfahrungsberichte. Am Ende landen nur die zwei oder drei Anbieter auf dem Tisch der Geschäftsführung, die sowohl fachlich (Content) als auch emotional (Marke) überzeugt haben.
business-on.de: Sie sprechen das Thema Emotion an. Im B2B-Bereich heißt es oft: „Hier zählen nur Zahlen, Daten, Fakten.“ Sie argumentieren dagegen: „Sympathie verkauft.“ Ist das nicht eher ein B2C-Phänomen?
Mateusz Darcz: Das ist einer der größten Irrtümer im B2B-Marketing. Hinter jeder B2B-Entscheidung stehen Menschen, keine Roboter. Und wenn es um Budgets von 50.000, 100.000 oder einer Million Euro geht, ist das Risiko für den Entscheider enorm. Angst vor einer Fehlentscheidung ist ein riesiger Faktor.
Was wirkt gegen Angst? Vertrauen. Und wie entsteht Vertrauen digital? Durch Sympathie und Kompetenz. Früher entstand diese Sympathie beim Geschäftsessen oder auf der Messe. Da konnte man dem Gegenüber in die Augen schauen. Heute, wo viele Erstkontakte digital sind, müssen wir diesen „Händedruck“ digitalisieren.
Hier kommen Video und Audio ins Spiel. Ein gepflegter YouTube-Kanal oder ein eigener Podcast ersetzt in vielen Fällen das erste Kennenlernen. Wenn ein potenzieller Kunde mich schon zehn Stunden lang in Videos gesehen hat, wie ich Probleme löse, wie ich spreche, wie ich denke dann habe ich eine „parasoziale Beziehung“ aufgebaut. Er hat das Gefühl, mich zu kennen. Das baut die Barriere für die erste Anfrage massiv ab. 2026 gilt: Wenn deine Marke keine Emotionen weckt, weckt sie kein Vertrauen. Trockene Datenblätter sind vergleichbar. Persönlichkeit ist es nicht.
business-on.de: Das klingt danach, als ob klassische Werbung an Bedeutung verliert. „Community schlägt Werbung“ ist einer Ihrer Leitsätze. Wie baut ein Maschinenbauer oder ein IT-Dienstleister eine Community auf?
Mateusz Darcz: Klassische Werbung also Unterbrechungsmarketing verliert massiv an Wirksamkeit und wird immer teurer. Wir sehen eine „Ad Fatigue“, eine Werbemüdigkeit. Die Antwort darauf ist der Aufbau eigener Medienkanäle.
Ein Unternehmen sollte 2026 nicht mehr nur Inserent sein, sondern selbst zum Medienhaus werden. Das Ziel ist es, Nischen-Communities aufzubauen. Das muss keine Millionen-Reichweite sein. Für einen Spezialanbieter reichen 2.000 treue Abonnenten auf YouTube, wenn das genau die richtigen Entscheider sind.
Das funktioniert über thematische Hubs: Ein Podcast, der nicht über das eigene Produkt spricht, sondern über die Probleme der Branche. Ein YouTube-Format, das echte Einblicke hinter die Kulissen der Fertigung gibt oder Expertenwissen teilt. So werden Unternehmen zu Magneten. In diesen Communities entsteht Interaktion. Man diskutiert, man hilft sich.
Das ist der Unterschied: Werbung kauft Aufmerksamkeit für den Moment. Community ist ein Asset, das dem Unternehmen gehört. 2026 gewinnt, wer gehört und empfohlen wird nicht wer am lautesten schreit. Vertrauen wird dadurch skalierbar.
business-on.de: Lassen Sie uns über die Umsetzung sprechen. Sie sind Creative Director bei DAXO MEDIA. Wie helfen Sie Unternehmen dabei, diesen Wandel zu vollziehen? Was bedeutet „Marke als Erlebnis“ im B2B-Kontext?
Mateusz Darcz: Bei DAXO MEDIA sehen wir immer wieder, dass Unternehmen fachlich brillant sind, aber ihre Kommunikation wirkt wie aus dem Jahr 2005. Unser Ansatz ist es, Content zur Brücke zwischen Strategie, Emotion und Technik zu machen.
„Marke als Erlebnis“ bedeutet, dass jeder Berührungspunkt konsistent und hochwertig sein muss. Das fängt beim visuellen Design an und geht bis zur Tonalität in einem LinkedIn-Post. Erfolgreiche Marken erzählen Geschichten, die Emotion, Design und Klarheit vereinen.
Wir helfen Unternehmen dabei, ihre „Corporate Identity“ nicht nur auf dem Papier zu haben, sondern sie in lebendigen Content zu übersetzen. Wir bauen Video-Strategien auf, die die Experten im Unternehmen zu Gesichtern der Marke machen. Wir sorgen für visuelle Konsistenz, die Professionalität ausstrahlt.
Denn eines ist klar: Wenn Ihre Website und Ihre Videos „billig“ aussehen, schließt der Kunde unterbewusst darauf, dass auch Ihr Produkt oder Ihre Dienstleistung weniger wertig ist. Design ist im B2B ein Qualitätsversprechen. Marken, die wie echte Menschen wirken mit Ecken, Kanten und Werten gewinnen Sympathie. Und Sympathie ist der Türöffner für den Auftrag.
business-on.de: Blicken wir noch etwas weiter in die Zukunft, Richtung 2027/2028. Was passiert mit den Unternehmen, die diese Entwicklung ignorieren und sagen: „Das haben wir schon immer anders gemacht“?
Mateusz Darcz: Wir werden eine massive Marktbereinigung sehen. Die Schere wird weit auseinandergehen. Auf der einen Seite haben wir Unternehmen, die digital omnipräsent sind, deren Inhalte von KIs empfohlen werden und die eine loyale Community haben. Diese Unternehmen werden exponentiell wachsen, weil sie die „Winner-takes-it-all“-Effekte der digitalen Ökonomie nutzen.
Auf der anderen Seite stehen die „Hidden Champions“, die zu „Hidden Losers“ werden. Sie haben vielleicht tolle Produkte, aber niemand findet sie mehr. Sie sind in den Trainingsdaten der KI nicht relevant, in den sozialen Medien unsichtbar und ihre Kaltakquise-Methoden laufen ins Leere, weil Gatekeeper und KI-Filter sie blockieren.
Sie werden nicht über Nacht pleite gehen, aber sie werden systematisch Marktanteile verlieren. Ihre Customer Acquisition Costs (CAC) werden durch die Decke gehen, während ihre Margen sinken. Mein Rat ist daher dringend: Warten Sie nicht, bis der Schmerz zu groß ist. Fangen Sie jetzt an, Content-Assets aufzubauen. Ein YouTube-Kanal braucht Zeit zum Wachsen. Vertrauen braucht Zeit. Die beste Zeit zu starten war vor drei Jahren. Die zweitbeste ist heute.
business-on.de: Herr Darcz, wir danken Ihnen für diese tiefen Einblicke und den Blick in die Zukunft.
Mateusz Darcz: Sehr gerne. Es bleibt spannend packen wir es an.
Quelle: Foto von Mateusz Darcz






































































































