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Wirtschaft

Tim Böker und Sebastian Bomm: „Ein Exit war niemals das Ziel“

„Rose Bikes übernimmt Digitalagentur Kommerz“, hieß es vor zwei Jahren. Kommerz, eine der bekanntesten und erfolgreichsten E-Commerce-Agenturen Deutschlands fusionierte mit dem traditionellen Familienunternehmen Rose Bikes aus Bocholt. Was bewegt Jungunternehmer zu so einem Schritt und wie kann eine Übernahme für beide Seiten einen Gewinn darstellen? Business-on.de sprach mit den Kommerz-Gründern Sebastian Bomm und Tim Böker, die heute als Mitgesellschafter in Führungspositionen die Bereiche Retail, User Experience und Business Intelligence die Transformation von Rose Bikes gestalten.

Sebastian Bomm, Director User Experience & Customer Intelligence
Sebastian Bomm, Director User Experience & Customer Intelligence

business-on.de: Wie war das für Euch, als die Übernahme eurer E-Commerce Agentur Kommerz durch Rose Bikes abgeschlossen war? Aus Kommerz wurde Rose Digital, aus dem Essener Standort wurde der neue digitale Hub. Ist so eine Übernahme etwas, auf das man als erfolgreicher Gründer hinarbeitet?

Tim Böker: Nein. Das Thema Übernahme kam immer mal wieder auf. In den sechs Jahren nach der Gründung haben wir ordentlich Gas gegeben und waren auch aufgrund unserer Spezialisierung sehr erfolgreich. Kommerz war eine der bekanntesten E-Commerce Agenturen Deutschlands. Aber ein Exit war niemals das Ziel.

Business-on.de: Gab es ein Ziel in der frühen Gründungsphase?

Tim Böker: Zu Beginn war die Selbstständigkeit selbst das Ziel. Ich habe vor dem Abitur ein Praktikum in einer Agentur gemacht und sofort gewusst, dass es das ist, was ich machen möchte. Schnell war klar, dass Sebastian und ich etwas verändern wollten. E-Commerce sollte in unseren Augen kundenorientiert statt technisch präsentiert werden. Unsere Herangehensweise hat von Anfang an den Fokus auf eine aussagekräftige Design- und somit verständliche Kundenperspektive gelegt. So gab es einige Anfragen bezüglich einer Übernahme beziehungsweise Eingliederung seitens unserer Kunden, die sich in Sachen Ressourcen und Know How erweitern wollten. Alles an Angeboten wurde jedoch pauschal abgelehnt.

Sebastian Bomm: „Das Thema Bike zieht Dich sehr stark in seinen Bann“

Sebastian Bomm: Bei Rose Bikes war das allerdings anders. Als uns die Anfrage erreichte, war es das erste Mal, dass wir das Gefühl hatten, dass das passen könnte. Sehr schnell war uns klar, dass es einen kulturellen Fit zwischen uns gab. Das war für uns sowohl Voraussetzung als auch die größte Herausforderung einer potenziellen Zusammenarbeit. Beeindruckend war für uns auch die gesamte Unternehmenshistorie: Rose als Familienunternehmen mit einer über hundertjährigen erfolgreichen Geschichte. Davor und auch besonders vor den damit verbundenen Transformationen im Unternehmen haben wir noch immer einen Riesenrespekt. Ausschlaggebend waren aber dann die ersten gemeinsamen Projektarbeiten, in denen wir in interdisziplinären Teams zusammengearbeitet haben.

Business-on.de: Lag das auch an dem Produkt “Fahrrad“? Immerhin muss doch eine Affinität da sein… Wart ihr vorher auch schon absolut heiß aufs Bike oder kam das erst mit der Zeit?

Sebastian Bomm: Wir waren vorher keine Fahrrad-Nerds. Natürlich haben wir uns zu Beginn der ersten gemeinsamen Projekte mit dem Thema beschäftigt, so wie wir es immer getan haben, wenn wir einen neuen Kunden hatten. Allerdings: Das Thema Fahrrad zieht Dich schnell in seinen Bann. Das Rose Team brennt insgesamt für alles was mit Fahrrädern und dem dazu passenden Zubehör zu tun hat. Und auch als „Außenstehender“ wird man sehr schnell „entzündet“. Tim und ich haben recht schnell eine regelrechte Passion für Gravel- bzw. Mountainbikes entwickelt.

business-on.de: Ihr habt euch nicht für einen Exit entschieden, sondern seid mit der Übernahme zu neuen Mitgesellschaftern von Rose geworden. Warum und wie kam es dazu?

Tim Böker: Ein Exit war niemals das Ziel. Für uns gab es die Prämisse, den unternehmerischen Einfluss und den Gestaltungsspielraum, den wir als Agenturgründer ja immer hatten, fortzuschreiben. Das wollten wir auf keinen Fall aufgeben. Wir haben Unternehmertum in unserer DNA und die Familie Rose hat uns eine Perspektive geboten. Wir haben an das das Potenzial beider Unternehmen fest geglaubt und haben die unternehmerische Herausforderung angenommen, die digitale Transformation eines Familienunternehmens gemeinsam zu lösen. In dieser Übernahme-Konstellation haben wir die unternehmerischen Chancen und Risiken gleichermaßen auf uns genommen.

business-on.de: Gab es seitens der Mitarbeiterschaft gewisse Vorbehalte hinsichtlich der Fusion?

Tim Böker: Im Rahmen der Annäherungsphase haben wir uns auf ein dreimonatiges Testing geeinigt. In der Zeit hat Rose den größten Teil unserer Ressourcen gekauft. Für Kommerz barg das ein großes Risiko. Wir haben 80 Prozent unseres gesamten Business mit einem Kunden:innen laufen lassen und sind damit erstmals unserem Credo, im Sinne der wirtschaftlichen Unabhängigkeit maximal 20 Prozent des Business mit einem Kunden zu wirtschaften, untreu geworden. Doch durch diese drei Monate konnten eventuelle Vorbehalte noch vor dem offiziellen Zusammenschluss abgefedert werden. Unsere Mitarbeiter haben gefühlt, dass die Zusammenarbeit passt, dass es einen Cultural Fit gibt. Viele Mitarbeiter:innen haben die Chance genutzt, neue Aufgabenbereiche und mehr Verantwortung zu übernehmen. Ebenso sah es auch seitens Rose aus; auch in dem Unternehmen gab es Mitarbeiter:innen, die sich in Folge der Übernahme neu orientiert haben.

Tim Böker, Director Retail

Tim Böker, Director Retail

Die Fusion zwischen Kommerz und Rose hat neue Karrierewege und Perspektiven freigesetzt

Sebastian Bomm: Das ist angesichts der krassen Neuausrichtung beider Unternehmen auch nachvollziehbar. Anders als bei anderen Übernahmen, wo es Teil-Verschmelzungen gibt, aber viele Bereiche autark weiterbestehen, haben wir beide Organisationen komplett neu zusammengeführt. Dadurch ist eine ganz neue Organisation entstanden, welches beide Teams in den jeweiligen Abteilungen und Aufgabenbereichen zu einem zusammengeschlossen hat. Natürlich gibt es Bereiche, die nicht betroffen sind, wie beispielsweise die Logistik. Andere sind aber neu hinzugekommen. Beispielsweise User Experience oder Customer Intelligence gab es vorher bei Rose in der Form nicht. Auch die Retail Steuerung oder das operative E-Commerce Management wurden neu aufgestellt. Das bietet neue Karrierewege und neue Sichtweisen für jede(n). Denn im Prinzip kannst Du als Mitarbeiter:in immer nur so gut sein, wie dich dein Unternehmen lässt. Die Fusion vor zwei Jahren hat neue Wege und Möglichkeiten aufgezeigt.

business-on.de: Betrifft dies auch die Standorte? Kommerz hatte seinen Sitz in Essen.

Tim Böker: Der Standort bleibt und wird sogar noch weiter ausgebaut, hauptsächlich zur Akquirierung und Ausbildung neuer Fachkräfte im IT-Bereich. Aktuell sind in Essen 30 Mitarbeiter stationiert, aber es wird weiter anwachsen. Essen als Standort ist sehr attraktiv. Wir waren und sind dort eng vernetzt und pflegen einen guten Draht zur hiesigen Wirtschaftsförderung. Kommerz ist mittlerweile als Rose Digital gut aufgestellt.

Sebastian Bomm: Wichtig ist: Kommerz war keine Unit, die von Rose an den Rand geparkt wurde. Unser Unternehmensgeist wurde beibehalten und entsprechend von Rose wertgeschätzt. Integration wurde groß geschrieben und hat gut funktioniert. Viele Mitarbeiter:innen arbeiten teilweise an beiden Standorten und wir legen großen Wert auf diese Flexibilität.

business-on.de: Zusammengefasst eine gewaltige Erfolgsgeschichte. Gab es in den vergangenen zwei Jahren jemals einen Moment der Reue?

Sebastian Bomm: Das wurden wir schon mehrmals gefragt. Ob wir was bereuen? Nein. Wir konnten das Beste aus beiden Welten mitnehmen. Das allgemeine Vorurteil bei Übernahmen ist meist, dass Freiheiten eingebüßt werden. Vor allem, wenn eine Agentur in ein klassisches Unternehmen eintaucht. Aber wir haben hingegen eher Freiheiten hinzugewonnen. Das Lob gebührt in diesem Zusammenhang allen Mitarbeiter:innen aus den ehemals zwei Unternehmen und der Familie, die uns von Anfang an als Mehrwert angesehen haben und die so mutig waren, das Unternehmen kontinuierlich neu aufzustellen, um sich hinsichtlich der digitalen Veränderungen und Herausforderungen, weiter entwickeln zu können. Dieser Mut fehlt vielen Traditionsunternehmen.

business-on.de: Habt ihr einen Tipp für andere Start-Ups, die vor der Entscheidung stehen, mit einem anderen Unternehmen zu fusionieren?

Sebastian Bomm: Hört auf euer Bauchgefühl. Stellt euch die Frage, ob ein kultureller Match wirklich realistisch ist . Fordert und lebt die Integration, und lasst euch nicht als außenstehende Unit abkapseln. Vor allem gilt es, Pläne, Ziele und Entscheidungen transparent und ehrlich auf Seiten der Mitarbeiter:innen zu moderieren. Nur so kann es funktionieren.

Homestory mit Marcus Diekmann, Geschäftsführer Rose Bikes GmbH: „Wir brauchen viel mehr Mut“

Bildquellen:

  • Tim Böker: Simon Thon
  • Sebastian Bomm: Simon Thon

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