Während die aktive Kontrolle von Medien, wie E-Mail und Telefon am Arbeitsplatz schon längere Zeit praktiziert werden, ist die Überwachung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern durch Kameras ein sensibles Thema, das tief in die Persönlichkeitsrechte eingreift. Arbeitgeber berufen sich häufig auf Sicherheitsinteressen oder betriebliche Notwendigkeiten, doch Arbeitnehmerrechte dürfen dabei nicht übergangen werden. In Österreich – ebenso wie in vielen anderen europäischen Ländern – unterliegt die Videoüberwachung am Arbeitsplatz klaren gesetzlichen Regeln. Wer überwachen will, muss bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Dieser Artikel beleuchtet die rechtlichen Rahmenbedingungen, die praktische Umsetzung sowie den Schutz der Privatsphäre am Arbeitsplatz im Kontext der Kameraüberwachung.
Rechtlicher Rahmen für Kameraüberwachung am Arbeitsplatz
Die rechtliche Zulässigkeit der Überwachung durch Kameras ist im Wesentlichen durch das Datenschutzrecht, das Arbeitsrecht sowie die Rechtsprechung geregelt. In Deutschland spielen dabei insbesondere die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und das Datenschutzgesetz (DSG) eine zentrale Rolle. Auch das Arbeitsverfassungsgesetz (ArbVG) enthält relevante Bestimmungen.
Datenschutzrechtliche Grundlage
Jede Form der Videoüberwachung fällt unter die DSGVO, wenn personenbezogene Daten verarbeitet werden – das ist bei Aufzeichnungen von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in der Regel gegeben. Demnach ist eine Überwachung nur zulässig, wenn ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers besteht und dieses Interesse nicht durch die Rechte und Freiheiten der betroffenen Personen überwogen wird. Zudem müssen Zweck, Dauer und Umfang der Überwachung klar definiert sein.
Beteiligung des Betriebsrats
In Betrieben mit Betriebsrat ist eine Kameraüberwachung ohne dessen Zustimmung unzulässig. Gemäß § 96 Abs. 1 Z 3 ArbVG handelt es sich bei einer Überwachung durch technische Einrichtungen, die das Verhalten oder die Leistung von Arbeitnehmern kontrollieren können, um eine zustimmungspflichtige Maßnahme. Ein Verstoß kann zur Unwirksamkeit der Maßnahme und zu arbeitsrechtlichen Konsequenzen für den Arbeitgeber führen.
Zulässige Gründe für eine Kameraüberwachung
Eine Überwachung durch Kameras ist nur dann rechtlich zulässig, wenn ein konkretes, legitimes Ziel verfolgt wird. Reine Neugier oder generelles Misstrauen, ob zum Beispiel die Arbeitszeit eingehalten wird, rechtfertigen keine Maßnahmen, die in die Privatsphäre eingreifen. Darüber hinaus sollten Arbeitgeber stets darüber nachdenken, dass eine solche Art der Überwachung einen starken Eingriff in den Arbeitsalltag darstellt und sich auf das Arbeitsklima und die Gesundheit der Mitarbeiter auswirken kann. Die Arbeit kann als unangenehm und kontrollierend wahrgenommen werden, was zu einer Arbeitnehmmerflucht führen kann.
Schutz vor Diebstahl und Vandalismus
Ein häufig genanntes Argument für Kameraüberwachung ist der Schutz vor Diebstahl oder Sachbeschädigung. In Bereichen mit erhöhtem Sicherheitsrisiko – etwa bei Bargeldverarbeitung, sensiblen Waren oder öffentlichen Zugängen – kann eine Überwachung zulässig sein, sofern sie verhältnismäßig ist. Wichtig ist dabei, dass die Kameras tatsächlich nur auf gefährdete Zonen ausgerichtet sind.
Zugangskontrolle und Sicherheit
In sicherheitsrelevanten Bereichen wie Rechenzentren, Labors oder Kontrollräumen kann eine Videoüberwachung zur Zugangskontrolle gerechtfertigt sein. Auch hier gilt das Prinzip der Verhältnismäßigkeit: Es darf nur überwacht werden, was unbedingt notwendig ist, und die Mitarbeitenden müssen darüber informiert sein.
Unzulässige Kameraüberwachung
Nicht jede Kamera am Arbeitsplatz ist automatisch zulässig – im Gegenteil: In vielen Fällen stellt die Überwachung einen klaren Verstoß gegen geltendes Recht dar. Besonders kritisch sind heimliche oder dauerhafte Überwachungen.
Versteckte Kameras
Die verdeckte Überwachung von Mitarbeitern ist in der Regel unzulässig. Nur unter außergewöhnlichen Umständen, etwa bei schwerwiegendem Verdacht auf strafbare Handlungen und nach sorgfältiger Abwägung aller Interessen, kann eine verdeckte Kameraüberwachung erlaubt sein – meist nur unter Einschaltung der Datenschutzbehörde oder mit gerichtlicher Genehmigung.
Überwachung von Pausen- und Sanitärbereichen
Die Kameraüberwachung in Umkleiden, Pausenräumen, Toiletten oder Duschen ist kategorisch verboten. Diese Bereiche unterliegen dem besonderen Schutz der Privatsphäre. Selbst eine vermeintlich präventive Maßnahme ist hier nicht zu rechtfertigen, da die Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden klar überwiegen.
Informationspflichten und Transparenz
Transparenz ist ein zentrales Prinzip der DSGVO. Arbeitgeber müssen klar kommunizieren, wenn und wo Mitarbeiterüberwachung stattfindet – und welche Daten dabei erhoben und verarbeitet werden.
Kennzeichnungspflicht
Überwachte Bereiche müssen deutlich und sichtbar gekennzeichnet sein. Schilder mit Kamerasymbol und einem Hinweis auf die Überwachung sind verpflichtend. Zusätzlich müssen Informationen zur verantwortlichen Stelle, zum Zweck der Überwachung und zur Datenverarbeitung bereitgestellt werden, etwa in Form eines Aushangs oder einer Datenschutzerklärung.
Aufklärung der Beschäftigten
Die Mitarbeiter müssen nicht nur durch Schilder informiert, sondern auch individuell über die Videoüberwachung aufgeklärt werden. Das umfasst insbesondere Informationen über den Zweck, die Speicherdauer der Aufnahmen sowie die Rechte der betroffenen Personen (z. B. Auskunft, Löschung, Widerspruch). Nur eine gut dokumentierte Aufklärung erfüllt die Anforderungen der DSGVO.
Speicherdauer und Zugriff auf Videoaufnahmen
Die Frage, wie lange Überwachungsdaten gespeichert werden dürfen, ist ein weiterer kritischer Punkt. Auch der Kreis der Personen, die Zugriff auf die Aufnahmen haben, muss begrenzt und dokumentiert sein.
Zulässige Speicherdauer
Videoaufnahmen dürfen nicht unbegrenzt gespeichert werden. In der Regel ist eine Speicherdauer von maximal 72 Stunden zulässig – es sei denn, es liegt ein besonderer Grund für eine längere Speicherung vor (z. B. bei strafrechtlich relevanten Vorfällen). Nach Ablauf dieser Frist müssen die Daten gelöscht werden, sofern sie nicht mehr benötigt werden.
Zugriff nur für autorisierte Personen
Nur klar definierte, autorisierte Personen dürfen Zugriff auf die Videoaufnahmen haben – etwa die Geschäftsführung, IT-Administrator:innen oder Sicherheitsbeauftragte. Eine Weitergabe der Daten an Dritte (z. B. an Versicherungen oder Ermittlungsbehörden) ist nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt und muss ebenfalls dokumentiert werden.
Rechte der Beschäftigten im Überwachungsfall
Wenn Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer den Eindruck haben, überwacht zu werden, stehen ihnen verschiedene Rechte und Handlungsmöglichkeiten zu.
Auskunftsrecht nach DSGVO
Beschäftigte haben das Recht zu erfahren, ob sie überwacht werden, welche Daten dabei erfasst werden, wie lange diese gespeichert werden und zu welchem Zweck. Auf Anfrage muss der Arbeitgeber eine vollständige Auskunft darüber erteilen. Dieses Auskunftsrecht kann bei Bedarf mit Unterstützung des Betriebsrats oder der Datenschutzbehörde durchgesetzt werden.
Beschwerde bei der Datenschutzbehörde
Wenn der Verdacht besteht, dass eine unzulässige Kameraüberwachung erfolgt, kann eine Beschwerde bei der Datenschutzbehörde eingebracht werden. Diese prüft den Fall und kann bei einem Verstoß gegen die DSGVO Maßnahmen bis hin zu Geldbußen verhängen. Auch eine Unterlassung der Überwachung kann angeordnet werden.
Rolle des Betriebsrats und der Kollektivverträge
Der Betriebsrat spielt bei Überwachungsmaßnahmen eine zentrale Rolle. Ohne seine Zustimmung sind viele Maßnahmen rechtswidrig – selbst wenn sie mit scheinbar guten Argumenten begründet sind.
Mitbestimmungsrecht und Kontrollfunktion
Der Betriebsrat hat ein gesetzlich verankertes Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von Überwachungseinrichtungen. In der Praxis bedeutet das, dass jede Kameraüberwachung mit dem Betriebsrat abgestimmt und schriftlich festgehalten werden muss. Dieses Verfahren schützt nicht nur die Mitarbeitenden, sondern auch den Arbeitgeber vor rechtlichen Risiken.
Kollektivverträge als Schutzmechanismus
Viele Kollektivverträge enthalten spezifische Regelungen zur Überwachung am Arbeitsplatz. Diese Vorgaben können strenger sein als das allgemeine Recht und müssen stets beachtet werden. Arbeitgeber sind verpflichtet, sich mit diesen Regelungen vertraut zu machen und sie umzusetzen.
Technische Aspekte der Überwachung
Auch die verwendete Technik spielt eine Rolle bei der rechtlichen Bewertung der Überwachung. Nicht jede Kamera ist gleich – und nicht jede Speicherung entspricht dem Datenschutz.
Aufzeichnung versus Live-Überwachung
Es ist ein Unterschied, ob Kameras permanent aufzeichnen oder lediglich Livebilder übertragen. Während eine reine Live-Überwachung oft als weniger eingriffsintensiv gilt, stellt die Speicherung der Aufnahmen ein erhebliches Risiko für die Persönlichkeitsrechte dar. Daher sind strengere Voraussetzungen zu erfüllen, wenn Aufnahmen gespeichert oder weiterverarbeitet werden.
Datensicherheit und Schutz vor Missbrauch
Die erhobenen Videodaten müssen technisch gegen Missbrauch geschützt sein. Dazu zählen etwa verschlüsselte Speichersysteme, eingeschränkte Zugriffsrechte, regelmäßige Sicherheitsupdates sowie Dokumentationspflichten. Arbeitgeber tragen die volle Verantwortung für den Schutz dieser sensiblen Daten.
Konsequenzen bei rechtswidriger Überwachung
Eine nicht zulässige Kameraüberwachung kann schwerwiegende rechtliche und arbeitsrechtliche Konsequenzen haben – sowohl für den Arbeitgeber als auch für die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
Sanktionen für Arbeitgeber
Wenn gegen die Datenschutzbestimmungen verstoßen wird, drohen empfindliche Geldbußen durch die Datenschutzbehörde. Darüber hinaus kann der Arbeitgeber zivilrechtlich haftbar gemacht werden – etwa für immaterielle Schäden bei Persönlichkeitsrechtsverletzungen. Auch ein Imageschaden für das Unternehmen ist möglich.
Rechte der Betroffenen
Betroffene Arbeitnehmer können auf Unterlassung klagen, Schadenersatz fordern oder sich mit Unterstützung des Betriebsrats gegen die Maßnahme zur Wehr setzen. Auch arbeitsrechtliche Konsequenzen – etwa die Unwirksamkeit einer Kündigung, wenn diese auf unzulässigen Kameraaufnahmen basiert – sind denkbar.
Fazit: Klare Regeln schaffen Sicherheit für alle Beteiligten
Die Kameraüberwachung am Arbeitsplatz bewegt sich in einem rechtlich sensiblen Spannungsfeld zwischen berechtigtem Interesse des Arbeitgebers und dem Schutz der Persönlichkeitsrechte der Mitarbeitenden. Nur transparente, verhältnismäßige und gut dokumentierte Maßnahmen sind zulässig. Arbeitgeber tun gut daran, sich an die gesetzlichen Vorgaben zu halten und in enger Abstimmung mit dem Betriebsrat zu handeln. Beschäftigte wiederum sollten über ihre Rechte informiert sein und im Zweifel rechtliche Unterstützung in Anspruch nehmen, um unzulässige Überwachungsmaßnahmen zu verhindern. So entsteht ein Arbeitsumfeld, das sowohl Sicherheit als auch Vertrauen gewährleistet.
Bildquellen:
- Chef beobachtet Mitarbeiter über Kamera: Bild auf unsplash von Jakub Żerdzicki
