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Jamin-Kolumne: Ruhig mal hinschauen, wenn der Müllmann mit der Tonne über die Straße springt

Auf einen Cappuccino: Die Jamin-Kolumne

©Awista; aus der Kampagne Historie/Entsorgung

Einmal blockierte ein Müllwagen die Straße vor mir. Ich stieg also vom Fahrrad ab und beobachtete die Szene. Die beiden Müllmänner arbeiteten im Akkord. Sie schoben die Müllbehälter zum Müllwagen, rasteten die Henkel der Behälter in die Vorrichtung ein, leerten den Müll und schoben die Müllbehälter wieder zurück zur Haustür oder auf den Bürgersteig.

Das alles funktionierte in einem enormen Tempo. Ich staunte, wie schnell die Männer arbeiteten und bedauerte sie gleichzeitig. Vermutlich arbeiteten sie mehr oder weniger sieben Stunden hintereinander in dieser Geschwindigkeit. Was für Leistungs- und Kraftakte.

Im Akkord Fischmehl geschleppt

Ich erinnerte mich, dass ich als Schüler während der Ferien im Hafen gearbeitet hatte. Im Akkord Säcke mit Fischmehl aus einem Schiffsrumpf entladen. Echte Knochenarbeit. Morgens um fünf Uhr begann die Arbeit, sie endete um 12 Uhr mittags.

So vermied man, dass die Hitze der Mittagssonne das Säckeschleppen zusätzlich erschwerte. Ich habe als kleiner Junge nie Milch trinken mögen. Aber während der wenigen Wochen, in denen ich als Schiffspacker tätig war, trank ich während jeder Schicht 2 Liter davon.

Arbeiten bis zur Rente ab 70?

Mit diesen Bildern im Kopf, von den Akkordarbeitern in Hafen und der Schwerstarbeit beim Mülltransport, las ich jüngst wieder einmal von Forderungen, dass die arbeitende Bevölkerung erst mit 70 Jahren in Rente gehen soll.

Gelegentlich erzähle ich im Freundeskreis, dass ich bis zum 98. Lebensjahr gerne arbeiten wolle. Ich kann das locker sagen, denn als freiberuflicher Autor muss ich nicht den Müll der Mitmenschen schleppen, sondern kann mir meine Zeit am Schreibtisch und meine langen Pausen einteilen, wie ich will.

Fünf Gründe der Gewerkschaft

Arbeiter im Stahlwerk, Müllmänner auf der Straße oder Krankenschwestern und Pfleger im Krankenhaus können sich nicht aussuchen, wie lange am Tag sie arbeiten möchten. Sie sind eingebunden in einen Arbeitsrhythmus und in Schichtdienste.

Viele leisten Schwerstarbeit. Wir sollten uns also nicht der Illusion hingeben, dass diese Leistungen noch mit 70 erbracht werden können. Der Deutsche Gewerkschaftsbund hat hier die fünf Gründe gegen ein spätes Renteneintrittsalter aufgeschrieben. Ruhig mal lesen – und vielleicht bleiben Sie beim nächsten Mal ein paar Minuten stehen, wenn Sie die Müllmänner sehen …

Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino …

Ihr Peter Jamin

Bildquelle: ©Awista; aus der Kampagne Historie/Entsorgung

 

Peter Jamin (© Michael Seelbach)

Peter Jamin arbeitet als Schriftsteller und Journalist. Er veröffentlichte – neben Kolumnen und Artikeln – mehr als 30 Bücher zu gesellschaftlich relevanten wie unterhaltsamen Themen. Darüber hinaus arbeitete er als Autor und Regisseur von Fernsehdokumentationen und -serien. Etliche Bücher schrieb er als Ghostwriter prominenter Zeitgenossen. Mit seinem Schwerpunktthema „Vermisst“ befasst er sich seit rund 30 Jahren; unterhält auch ein „Vermisstentelefon“ zur Beratung von Angehörigen Verschwundener. Ausgezeichnet wurde Jamins Arbeit u.a. mit dem „GdP-Stern“ der Gewerkschaft der Polizei „in besonderer Würdigung seiner herausragenden journalistischen Leistungen“. Infos zum Autor unter jamin.de.

Bildquellen

  • Peter Jamin: Michael Seelbach
  • Müllmänner ©Awista: Awista
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