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Jamin-Short-Story 1: Frauen schießen sich gegen allen Widerstand in die Männerwelt des Fußballs

Auf einen Cappuccino: Die Jamin-Kolumne

©Blanvalet

Sie haben es wieder einmal geschafft – unsere Fußballfrauen. „Bühl und Schüller schießen DFB-Frauen zu Olympia“, meldete in dieser Woche die ARD-Sportschau voller Begeisterung. Durch einen verdienten Sieg gegen die Niederlande habe die deutsche Frauen-Nationalmannschaft das Spiel um Platz drei der Nations League gewonnen und sich damit für Olympia qualifiziert.

Heute füllen die Frauen große Fußballstadien, gestern gab es auf dem Gebiet des Frauenfußballs nur viele Fehlentscheidungen – der Fußballmännerwelt. Die meisten werden den Schiedsrichtern angelastet, eine der größten traf allerdings der Deutsche Fußball-Bund: »Im Kampf um den Ball verschwindet Anmut, Körper und Seele und erleiden unweigerlich Schaden.«

So lautete die offizielle Begründung des DFB zum Verbot von Frauenfußball im Jahre 1955. Damit versuchte die damals vor Kraft strotzende Männerwelt das sogenannte schwache Geschlecht vom Spielfeld fernzuhalten – und der Männerwitz erfand dazu sogar eine wenig charmante Begründung:

Warum spielen nicht mehr Frauen Fußball? / Sie hassen es, wenn elf Frauen gleichzeitig die gleiche Kleidung tragen.

Ein echtes Foulspiel war der Hinweis des Psychologen F.J.J. Buytendijk in einer Studie: »Im Fußballspiel zeigt sich in spielender Form der Wert der männlichen Welt. Es ist noch nie gelungen, Frauen Fußball spielen zu lassen. Das Treten ist wohl spezifisch männlich. Ob darum getreten werden weiblich ist, lasse ich dahingestellt. Jedenfalls ist das Nichttreten weiblich.«

So kurz nach dem »Wunder von Bern« im Jahr 1954 stolperten die Männer auf dem Terrain des Frauenfußballs von einem Fehlpass zum anderen – jedenfalls was die Argumentation gegen Frauen auf dem Fußballplatz betraf. Der damalige Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, Dr. Peco Bauwens, hielt Damenfußball in Deutschland für völlig indiskutabel: »Wir werden uns mit dieser Angelegenheit nie ernsthaft beschäftigen. Das ist keine Sache für den DFB.«

Die Männerwelt war offensichtlich mehrheitlich der Meinung, dass sich Frauen besser um Familie und Fortpflanzung kümmern sollten – was auch dieser Fußballwitz (Gott sei Dank aus vergangenen Zeiten) belegt:

In die Siegesfeier eines Fußballvereins platzt der Masseur mit der Nachricht: »Unser Mittelstürmer ist soeben Vater von Zwillingen geworden.« / Der Mannschaftskapitän ruft stolz aus: »Donnerwetter! Da ist ihm ja ein schöner Doppelpass gelungen.« / In diesem Augenblick kommt der Trainer in die Kabine: »Moment! Vergessen wir nicht die exzellente Vorarbeit unseres Liberos!«

Fortan entwickelte sich ein regelrechter Kampf zwischen den Geschlechtern auf dem Fußballfeld. Die Herrenmannschaften versuchten die Damenmannschaften aus den Stadien zu vertreiben. Sie intervenierten sogar beim Deutschen Städtetag und forderten die Kommunen auf, die Spielplätze für die Kickerinnen zu sperren. Doch das misslang, und die Frauen spielten, wo immer sich ein Feld anbot, weiter. Ein Witz vom äußersten Spielfeldrand dazu:

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Treffen sich zwei Fußballfans. / Sagt der eine: »Meine Frau will sich scheiden lassen, wenn ich weiterhin auf den Fußballplatz gehe!« / Sagt der andere: »Das ist aber wirklich blöde!«  / Sagt der eine: »Stimmt, ich werde sie wirklich vermissen!«

Glücklicherweise haben sich nicht nur die Damen, sondern später auch die Sportfunktionäre beim DFB nicht an die Vorgaben der Nachkriegszeit gehalten. 1970 hob der DFB das Verbot des Damenfußballs auf, und 60.000 Frauen und Mädchen konnten in Deutschland offiziell dem Ball hinterherrennen. Doch es sollte noch bis 1986 dauern, bis sich der DFB entschloss, eine Bundesliga für Frauen einzuführen.

Seitdem machten die Frauen auf den Fußballfeldern in Deutschland rasant Karriere – und nicht nur dort. Die Damen entwickelten Weltniveau. So war es möglich, dass ein Sportreporter 2013 zur Europameisterschaft der Frauen wenig frauenfreundlich schreiben konnte: »Sie fielen sich in die Arme, rannten wie wild umher und kreischten vor Freude.« Ein Männerwitz dazu:

Die Mittelstürmerin hat sich den Ball erobert. Kurz vor dem Strafraum wird sie durch eine Gegnerin gefoult und gestoppt. »Die Arme«, ruft eine Frau. / »Und erst die Beine«, sagt der Mann neben ihr.

So etwas würden Sportreporter selbstverständlich nicht über Männerfußball schreiben, aber immerhin fand der Sieg der deutschen Frauennationalmannschaft bei beiden Geschlechtern weltweit Beachtung und Beifall. Im Juli 2013 wurden die deutschen Frauen durch einen 1: 0-Finalsieg gegen Norwegen Europameister. Nach den gewonnenen Weltmeistertiteln von 2003 und 2007 war es der achte EM-Titelgewinn der deutschen Mannschaft – unser Frauenfußball ist eben Weltklasse. In diesem Jahr bereits seit 20 Jahren.

Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…

Ihr Peter Jamin

Bildquelle: ©Buchcover Blanvalet

 

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Peter Jamin (© Michael Seelbach)

Peter Jamin arbeitet als Schriftsteller und Journalist. Er veröffentlichte – neben Kolumnen und Artikeln – mehr als 30 Bücher zu gesellschaftlich relevanten wie unterhaltsamen Themen. Darüber hinaus arbeitete er als Autor und Regisseur von Fernsehdokumentationen und -serien. Etliche Bücher schrieb er als Ghostwriter prominenter Zeitgenossen. Mit seinem Schwerpunktthema „Vermisst“ befasst er sich seit rund 30 Jahren; unterhält auch ein „Vermisstentelefon“ zur Beratung von Angehörigen Verschwundener. Ausgezeichnet wurde Jamins Arbeit u.a. mit dem „GdP-Stern“ der Gewerkschaft der Polizei „in besonderer Würdigung seiner herausragenden journalistischen Leistungen“. Infos zum Autor unter jamin.de.

Bildquellen

  • Peter Jamin: Michael Seelbach
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