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Tuchel-Kolumne: Digitaler Nomade oder Deserteur?

QUERGEDACHT: DIE TUCHEL-KOLUMNE

Homeoffice in Todoque auf La Palma

Pläne, den heimischen Inzidenzraum zu verlassen und womöglich gegen einen besseren einzutauschen, sollte man in diesen Zeiten tunlichst nicht an die große Glocke hängen. Zur verinnerlichten Flugscham gesellt sich zunehmend das Gefühl der Fahnenflucht.

Deshalb gestaltete ich meine Ausreise so unauffällig wie nötig und so unbequem wie möglich. Statt in wenigen Minuten zur Immermannstraße zu radeln, fuhr ich für den PCR-Test mit dem Fahrrad zum Düsseldorfer Flughafen. Mit ein paar Finten und einer Querung des Parkhauses kommt man tatsächlich zum Flugsteig C und zum dortigen Testzentrum. Ich würde das Ziel aber niemandem als Sonntagsausflug empfehlen.

Tomatensaft war früher

Fliegen nicht mehr das, was es früher einmal war. Die „Ryanairisierung“ hat mittlerweile auch andere Fluggesellschaften erreicht. Das war schon vor Covid so: Gepäck kostet extra, Tomatensaft gibt es schon längst nicht mehr kostenlos über den Wolken, auch kein eiskaltes Sandwich und nicht einmal mehr einen Sitzplatz bei Buchung. Den braucht man jedoch aus unerfindlichen Gründen für das digitale Einreiseformular der spanischen Gesundheitsbehörde.

Und wer nun denkt, dass freie Reihen wie früher von einem freundlichen Mitglied der Bordcrew (früher hätte ich hier etwas von einer freundlichen Stewardess geschrieben) in Zeiten von Covid und Abstand besetzt würden, irrt. Der eigene Sitzplatz ist unter keinen Umständen zu tauschen wegen vorab gebuchter Snack- oder Lunchpakete.

Einmal auf La Palma gelandet, sind die Dame neben mir mit dem üblen Odem, der auch durch die Maske dringt, und der Unbill des fünfstündigen Fluges vergessen. Ich freue mich, dass ich keinen Chef habe, der gegen die digitale Nomadisierung Einspruch erheben könnte. Für Angestellte soll es regelrechte Ausreiseverbote geben, erzählte mir meine Vermieterin, die mit stabilen Netzverbindungen wirbt und zuletzt ein Professorenpaar für ein paar Wochen beherbergte.

Bananen sind heute

Die Insel ist touristisch gesehen unterbesetzt. Auf Wanderungen ist man meist alleine auf weiter Flur bzw. im Lavageröll. Die Disziplin im Maskentragen (immer und überall außer beim Wandern und Fahrradfahren) und im Abstandhalten ist deutlich höher als in Deutschland. Das milde Klima erlaubt es, in Restaurants im Freien zu speisen. Das Essen ist gut und preiswert.

Für die Insel steht viel auf dem Spiel, auch wenn sie mit den unzähligen Bananenplantagen neben dem Tourismus noch ein zweites Standbein hat. Ich hätte sogar noch eine weitere Idee: Man könnte den Export von Bananenblättern nach Deutschland anregen. Zusammen mit Wildem Ananas und Rattan kann man damit so genannte Eco-Särge anfertigen. Gesehen habe ich ein solches „Banane Casket“ bereits im Schaufenster eines Düsseldorfer Bestattungsunternehmens.

Was ist mit der Risikobewertung?

Im ersten Coronajahr haben es die Kanaren geschafft, bei der Risikobewertung nicht mit Spanien in einen Topf geworfen zu werden, jetzt sind sie wieder einverleibt. Vor Ort leiden fast alle kanarischen Inseln unter der Inzidenz der Schwesterninseln Teneriffa und Gran Canaria.

Warum findet das Robert Koch Institut (RKI) für Inseln keine Insellösung? Ist die Sorge vor der Fahnenflucht so groß, sehen Pessimisten Deutschland leer und das Infektionsgeschehen woanders? Auf La Palma sinkt die Inzidenz momentan von Tag zu Tag. Die 7-Tages-Inzidenz liegt aktuell bei 34,75, die 14-Tages-Inzidenz bei 39,54.

Logisch, dass es einen PCR-Test oder Antigentest braucht, wenn ich nach Deutschland zurückkehre. Das freut dann wenigstens die hiesigen Ärzte und Labore und vielleicht den einen oder anderen derjenigen, die zu Hause geblieben sind.

Susan Tuchel

 

Susan Tuchel

Susan Tuchel, Journalistin, Autorin und PR-Beraterin in Düsseldorf, nimmt gesellschaftliche Trends, politische und wirtschaftliche Entwicklungen ins Visier. Ihre Kolumne, mal sachlich und nüchtern, mal emotional oder scharfzüngig, erscheint exklusiv jeden ersten Montag im Monat bei business-on.

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