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Jamin-Kolumne: Hotspot Instagram-Stammtisch – Im Neuen Jahr 2024 so viel heiße Luft wie im Alten Jahr

Auf einen Cappuccino: Die Jamin-Kolumne

Wenig schmeichelhaft geht die Künstliche Intelligenz mit den Frauen auf Instagram um. Der Auftrag an die KI war, eine Collage aus vielen Instagram-Posts mit gut aussehenden Influencerinnen zu entwickeln. Das Foto oben ist dabei herausgekommen: Die meisten der dargestellten jungen Frauen sehen aus wie Hexen oder Zombies von einem anderen Stern – was will uns die KI damit sagen? ©KI Dalle-E

Heute war ich auf Instagram. Weirdspace veröffentlichte ein Foto mit zwei Männern und einer Frau. Sie aßen Pizza. Mit bloßen Händen. Offensichtlich war das Foto im Sommer aufgenommen. 393 Personen gefiel dieses Foto, obwohl es kein außergewöhnliches Motiv war und aus der Archivkiste stammte. Neun schrieben sogar einen Kommentar dazu.

Auch in diesem Neuen Jahr 2024 scheint sich im Social Media nichts geändert zu haben – viel heiße Luft, wenig Anspruch der User an die Qualität der Posts. Die Leute bejubeln offensichtlich gerne – schöne Beine ebenso wie dumme Sprüche. Sie folgen den Rattenfängern der AfD, liken neue Cremes und Kleider ihrer Influencer*innen oder komische Bewegungen zu Musikschnipseln.

Viel heiße Luft zirkuliert

Auch in der intelligenteren Zone des Social Media werden die Botschaften mit viel heißer Luft durchs Internet getrieben. Das SZ Magazin zeigte uns Texttafeln. Sie werben für einen Essay einer Autorin, die auf Partys nur noch Leuten begegnet, die stundenlang von sich erzählen, ohne eine einzige Gegenfrage zu stellen.

Was ist da los, fragt die SZ. 152 Leserinnen und Leser gaben dazu ihren Kommentar ab. Originalton: „Ich stelle auch selten Fragen, weil ich Fragen oft unangenehm finde. Ich finde es besser, wenn jeder von sich erzählt, was er erzählen möchte und nicht, was er gefragt wird“.

Fragen oft unangenehm

Ein anderer User schrieb: „Genau solche Menschen erlebe ich täglich! Und warum? Weil ich eine aufmerksame und interessierte Zuhörerin bin. Dies heißt aber nicht, dass ich auch automatisch seelischer Mülleimer für all die Leute sein muss. Das nervt mich hart und im neuen Jahr werde ich mich bei solchen Menschen höflichst entschuldigen und mich dann davon distanzieren“.

Noch größer war der Erfolg bei den Likes. 7.859 Leserinnen und Leser gefiel dieser Hinweis auf die Geschichte. Es ist doch ganz erstaunlich: Da haben die Leute eine Geschichte noch nicht gelesen – aber sie gefällt Ihnen.

Geschichten überflüssig

Ein Magazin muss also gar keine langen Geschichten mehr veröffentlichen. Trotzdem reagieren die Menschen darauf und veröffentlichen ihre ganz persönlichen Ansichten dazu. Das bedeutet im Umkehrschluss: Eigentlich müssen in den Medien keine Geschichten mehr veröffentlicht werden, sondern nur noch Hinweise darauf, worüber man geschrieben haben könnte.

Wenn der Hinweis einigermaßen gut formuliert ist und die Leute berührt, werden sie zu tausenden diese wenigen Zeilen liken und den Absender lieben. So kann man also auf Instagram viele Freunde finden, ohne sich viel Arbeit damit machen zu müssen.

Likes für Auto-Foto

Mein Düsseldorf, eine Plattform in meiner Lieblingswohnstadt Düsseldorf, hat ein recht langweiliges Foto veröffentlicht. Es zeigt einen geraden Weg, der irgendwo im Ungewissen endet. Beidseitig sind Bäume, in einer nächsten Reihe zu beiden Seiten stehen Autos und dahinter befinden sich Häuserreihen. 183 mal erhielt dieses Foto ein Herzchen von den Followern.

Brollyregenschirm veröffentlichte eine Anzeige mit dem Hinweis, das wäre der letzte Regenschirm, den man braucht. Angeblich sei er wasserdicht und hält jedem Unwetter stand. Außerdem gebe es einen Lichtring, so dass einen die Leute in der Dunkelheit schon von weitem sehen können. Sehr schade, dass die Menschen diese Anzeige nicht liken können. Wer möchte nicht einen wasserdichten Regenschirm liken?!

Preiserhöhung gefällt

Die allgemeinezeitung schreibt eine Textnachricht auf einem Foto, dessen Darstellung man nicht so genau erkennt: „Ich werde die Preise auf jeden Fall erhöhen müssen. Anders geht es nicht. Ich bin gespannt, wie viele Kunden wir nächstes Jahr verlieren“.

Das meint der Geschäftsführer eines Cafés in Mainz. Diese Feststellung gefällt immerhin 381 mal. Es geht übrigens bei dem Post darum, dass ab Januar die Mehrwertsteuer auf Speisen für die Gastronomie von sieben wieder auf 19 % steigt.

Schulterfrei auf Bali

Klar gibt es dazu auch Kommentare. 47 haben sich sofort gemeldet. Eine Frau schreibt: „Wir wurden gestern in drei Lokalen in Mainz mit der Aussage weggeschickt: Wir haben keinen Platz für Kinderwagen. Die Hälfte der Tische war leer und es stand kein Reserviert-Schild drauf! Davon abgesehen, dass die Aussage eine Frechheit ist. Können es die Lokalitäten gar nicht so nötig haben“.

Ja, heute ist es am Instagram-Stammtisch wieder richtig anregend. Eine Jessyhartel zeigt sich auf Bali in einem sehr offenherzigen Kleid. Schulterfrei. Beinfrei. 7.235 Personen gefällt dieses Foto. 40 Follower haben sogar etwas dazu geschrieben. Sowas in der Art wie auch mr.roloff: „Wow i love!“. Dazu gibts noch drei Herzchen.“

Neues Jahr wird super

Ja, das Jahr am Instagram-Stammtisch fängt an wie es im vergangenen Jahr endete. Gute Aussichten also? Eher nicht. Wer wirklich interessante, kreative Posts erwartet muss suchen wie ein Trüffelschwein.

Na dann, bleiben wir weiterhin so anspruchslos, wie es schon seit den Anfängen der sogenannten Sozialen Medien von uns erwartet wird …

Bleiben Sie fröhlich. Bis nächsten Freitag. Auf einen Cappuccino…

Ihr Peter Jamin

Bildquelle: ©KI Dalle-E

 

Peter Jamin (© Michael Seelbach)

Peter Jamin arbeitet als Schriftsteller und Journalist. Er veröffentlichte – neben Kolumnen und Artikeln – mehr als 30 Bücher zu gesellschaftlich relevanten wie unterhaltsamen Themen. Darüber hinaus arbeitete er als Autor und Regisseur von Fernsehdokumentationen und -serien. Etliche Bücher schrieb er als Ghostwriter prominenter Zeitgenossen. Mit seinem Schwerpunktthema „Vermisst“ befasst er sich seit rund 30 Jahren; unterhält auch ein „Vermisstentelefon“ zur Beratung von Angehörigen Verschwundener. Ausgezeichnet wurde Jamins Arbeit u.a. mit dem „GdP-Stern“ der Gewerkschaft der Polizei „in besonderer Würdigung seiner herausragenden journalistischen Leistungen“. Infos zum Autor unter jamin.de.

Bildquellen

  • Peter Jamin: Michael Seelbach
  • Influencerinnen ©KI Dalle-E: KI Dalle-E
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