Connect with us

Hi, what are you looking for?

Aktuell

Gebäudesanierung: 40.900 Düsseldorfer Wohnhäuser sind Asbest-Fallen

Tonnen von Baumaterial mit Asbest stecken in Düsseldorf in Altbauten: „Von 1950 bis 1989 kamen Asbest-Baustoffe intensiv zum Einsatz. Es ist davon auszugehen, dass es in jedem Gebäude, das in dieser Zeit gebaut, modernisiert oder umgebaut wurde, Asbest gibt. Mal mehr, mal weniger“, sagt Tino Brüning von der IG Bauen-Agrar-Umwelt. Er spricht von „Asbest-Fallen“ und nennt Zahlen: „In den vier ‚Asbest-Jahrzehnten‘ wurden in Düsseldorf rund 40.900 Wohnhäuser mit 215.300 Wohnungen neu gebaut. Das sind immerhin 57 Prozent aller Wohngebäude, die es heute in der Stadt gibt. Dazu kommen noch Gewerbegebäude, Garagen, Ställe und Scheunen in der Landwirtschaft.“ Der stellvertretende Bezirksvorsitzende der IG BAU Düsseldorf verweist dabei auf die „Situationsanalyse Asbest“, die die Bau-Gewerkschaft beim Pestel-Institut Hannover in Auftrag gegeben hat.

„Asbest ist ein krebserregender Stoff. Wer in einem asbestbelasteten Haus wohnt, muss sich trotzdem erst einmal keine Sorgen machen. Erst bei Sanierungsarbeiten wird es kritisch. Dann kann Asbest freigesetzt und damit zu einem ernsten Problem werden“, so Tino Brüning. Er warnt vor einer „unsichtbaren Gefahr“, wenn Altbauten zu Baustellen werden: „Alles fängt mit Baustaub und dem Einatmen von Asbestfasern an. Bauarbeiter und Heimwerker haben kaum eine Chance, diese Gefahr zu erkennen.“ Bis zu 30 Jahre dauere es, ehe es zur tragischen Diagnose komme: Asbestose – mit Lungen-, Bauchfell- oder Kehlkopfkrebs. Zum Komplett-Schutz bei einer Sanierung mit Asbest-Gefahr gehöre daher immer mindestens eine FFP3-Atemschutzmaske. Ebenso ein Muss: Overall, Schutzbrille und Handschuhe.

„Altbauten in Düsseldorf sind ein tonnenschweres Asbest-Lager. Die krebserregende Mineralfaser steckt in vielen Baustoffen. Die Asbest-Fallen lauern überall: Asbest ist oft im Putz und sogar in Spachtelmassen und Fliesenklebern. Vor allem aber im Asbest-Zement. Daraus wurden vorwiegend Rohre, Fassadenverkleidungen und Dacheindeckungen gemacht. Eternit war typisch für den Westen, Baufanit für den Osten“, sagt Tino Brüning. Ein großes Problem sei Spritz-Asbest: „Hier sind die Asbestfasern schwächer gebunden. Sie können deshalb leichter freigesetzt werden. Vor allem Aufzugsschächte sowie Schächte mit Versorgungs- und Entsorgungsleitungen wurden früher intensiv mit Spritzasbest verkleidet“, erklärt Brüning.

„Wir stehen am Anfang von zwei Sanierungsjahrzehnten. Die energetische Gebäudesanierung wird enorm an Fahrt aufnehmen. Um die Klimaschutzziele zu erreichen, wird auch in Düsseldorf in den nächsten Jahren ein Großteil der Altbauten angefasst.“ Dabei bleibe es in den meisten Fällen nicht bei einer reinen Energiespar-Sanierung: „Wohnhäuser werden modernisiert, senioren- und familiengerecht umgebaut. Es wird angebaut und aufgestockt, um mehr Wohnraum zu bekommen“, so Brüning.

Mit der Sanierungswelle drohe deshalb jetzt auch eine ‚Asbest-Welle‘ auf dem Bau. „Sie ist eine Gefahr – für Bauarbeiter genauso wie für Heimwerker“, sagt der stellvertretende Bezirksvorsitzende der Bau-Gewerkschaft. Aber IG BAU und Pestel-Institut geben auch Entwarnung. Für die Menschen, die in Wohngebäuden leben, die mit asbesthaltigen Baustoffen gebaut wurden, haben sie eine klare Botschaft: „Eine unmittelbare Gefährdung für die Gesundheit gibt es nicht.“ Bei einer Sanierung im bewohnten Zustand sei es allerdings wichtig, mit „allergrößter Sorgfalt professionell vorzugehen“, mahnen Tino Brüning und der Leiter des Pestel-Instituts, Matthias Günther.

Die IG BAU will der drohenden Asbest-Welle auf dem Bau jetzt mit einem Maßnahmenpaket entgegentreten. Die Bau-Gewerkschaft hat dazu eine bundesweite „Asbest-Charta“ mit zentralen Forderungen für mehr Schutz vor Asbest vorgelegt. Der 5-Punkte-Katalog kann bei der IG BAU Düsseldorf angefordert werden. „Es geht dabei um bessere Informationen über Asbest-Gefahren bei Gebäuden, um die Förderung von Asbest-Sanierungen und vor allem auch um konsequenten Arbeitsschutz. Denn der bevorstehende Sanierungsboom darf nicht zu einer Krankheitswelle führen“, warnt Tino Brüning. Der Gewerkschafter fordert einen Schadstoff-Gebäudepass mit unterschiedlichen Gefahrenstufen für die jeweilige Asbest-Belastung eines Gebäudes. „Jeder Bauarbeiter und jeder Heimwerker muss wissen, auf was er sich einlässt, wenn er Fliesen abschlägt, Wände einreißt oder Fassaden saniert“, so Tino Brüning.

IG BAU fordert staatliche Sanierungsprämie

Brüning plädiert außerdem für eine staatliche Sanierungsprämie. Dazu müsse der Bund ein KfW-Förderprogramm „Asbest-Sanierung“ schaffen. „Das hilft, Kosten abzufedern, die bei einer – beispielsweise energetischen oder altersgerechten – Gebäudesanierung in asbestbelasteten Wohnhäusern zusätzlich entstehen. Außerdem ließe sich damit auch eine ordnungsgemäße Entsorgung von alten Asbest-Baustoffen sicherstellen.“

Die Gewerkschaft fordert deshalb eine intensive Asbest-Aufklärung: „Bauarbeiter und Heimwerker müssen wissen, wie der optimale Schutz vor Asbest aussieht. Und das muss den Menschen in der Sprache gesagt werden, die sie verstehen – den ausländischen Beschäftigten also auch in ihrer Muttersprache“, so Tino Brüning. Er fordert deshalb eine Informationskampagne des Bundes und der Länder. Die heimischen Bundestagsabgeordneten seien jetzt am Zug, den drohenden Gefahren einer „Asbest-Welle“ rechtzeitig mit einem effektiven Maßnahmenpaket entgegenzutreten.

Die Dimension und damit auch die Gefahr, die vom Asbest ausgehe, sei gewaltig: Insgesamt sind nach Angaben des Pestel-Instituts von 1950 bis 1990 bundesweit rund 4,35 Millionen Tonnen Asbest (Ost- und Westdeutschland) importiert worden. Daraus seien rund 3.500 Produkte hergestellt worden – die meisten davon für den Baubereich: Knapp 44 Millionen Tonnen asbestbelastetes Baumaterial stecken bundesweit im Gebäudebestand. In den vergangenen zehn Jahren sind nach Angaben der IG BAU 3.376 Versicherte der Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft (BG BAU) an den Folgen einer asbestbedingten Berufserkrankung gestorben – darunter allein 320 Baubeschäftigte im vergangenen Jahr.

Bildquelle: ©IG BAU / Alireza Khalili

Bildquellen

  • Asbest-Sanierung ©IG BAU Alireza Khalili: IG BAU / Alireza Khalili
Werbung

Aktuell

Vor 35 Jahren zeigte sie als Meisterschülerin der Düsseldorfer Kunstakademie ihre erste Installation im öffentlichen Raum. Heute stellt die Bildhauerin Alke Reeh ihre Kunst...

Aktuell

Ja, meinte Ulrich Spaan, er könne sich das schon vorstellen, dass eine KI als Berater (oder in) Shopping Queen im gleichnamigen Format beim TV-Sender...

Weitere Beiträge

Aktuell

Wie verbringt ein Schauspieler seinen Tag? Das wollten Josephine Lensing und Giulia Fischer für ihr Filmprojekt bei der Jungen Filmwerkstatt Düsseldorf dokumentieren. „Ich interessierte...

Aktuell

Während der Karnevalstage zieht es viele Menschen in die Düsseldorfer Innenstadt. Veranstaltungen wie der Kinder-Zug, das Kö-Treiben oder der Rosenmontagszug schränken auch die Verfügbarkeit...

Aktuell

Jetzt kommen die lustigen Tage . . . Ja, doch. Es könnte auch Karneval heißen, die tollen Tage mit ihren Sonnen- und Schattenseiten. Gegen...

Aktuell

Auch bei Unternehmen aus China stehen Nordrhein-Westfalen und Düsseldorf weiter hoch im Kurs: Die Zahl der Investitionsprojekte aus China ist stabil geblieben und eine...

Aktuell

Im Sommer kommen europäische Top-Mannschaften zur UEFA EURO 2024 in die Landeshauptstadt – und die Vorfreude auf das Sportgroßereignis nimmt nun wortwörtlich Fahrt auf,...

Aktuell

Der Ordnungs- und Verkehrsausschuss der Landeshauptstadt hat die Weichen für die Ausweitung des E-Scooter-Managements gestellt: Bis Ende des Jahres sollen in allen Stadtbezirken Sharingstationen...

Aktuell

Die Landeshauptstadt macht bei der ÖPNV-Beschleunigung durch die Optimierung von Ampeln Tempo. In Düsseldorf wurden in den letzten Jahren rund zwei Drittel (370) der...

Werbung