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Trendwende bei Unternehmensinsolvenzen

Die hohen Energiekosten haben die Zahl der Unternehmensinsolvenzen in Deutschland erstmals seit der Weltfinanzkrise 2009 wieder steigen lassen. Der Anstieg war mit 4,0 Prozent gegenüber dem Vorjahr noch moderat, dürfte aber erst der Auftakt für eine weitere Beschleunigung des Insolvenzgeschehens sein. „Die anhaltende Inflation, die steigenden Zinsen und Energiekosten sowie eine zunehmend verschärfte Wettbewerbssituation gehen bei vielen Unternehmen an die Substanz“, so Patrik Ludwig Hantzsch, Leiter der Creditreform Wirtschaftsforschung. Die Vielzahl von sich überlagernden Krisen haben im Jahresverlauf bundesweit zu insgesamt 14.700 Unternehmensinsolvenzen geführt (2021: 14.130). Das Insolvenzaufkommen blieb trotz des Anstiegs aber auf niedrigem Niveau. Zum Vergleich: Vor zehn Jahren (2012) wurden noch 28.720 Unternehmensinsolvenzen registriert. Von der Insolvenz betroffen waren in diesem Jahr schätzungsweise 175.000 Arbeitnehmer; ein spürbares Plus gegenüber dem Vorjahr (2021: 141.000). Ursächlich hierfür sind zahlreiche große Insolvenzfälle wie GALERIA Karstadt Kaufhof. Die Schäden für die Insolvenzgläubiger summierten sich auf offene Forderungen in Höhe von 36 Mrd. Euro – nach dem Rekordwert von 51 Mrd. Euro im Vorjahr.

Mehr Großinsolvenzen

Die Trendwende im Insolvenzgeschehen spiegelt sich in den meisten Hauptwirtschaftsbereichen. Deutlich erhöht haben sich die Fallzahlen in Prozent im Baugewerbe (plus 17,3 Prozent) und im Verarbeitenden Gewerbe (plus 15,2 Prozent). Bundesweit waren im Verarbeitenden Gewerbe 1.060 Insolvenzen zu verzeichnen, im Baugewerbe waren es 2.440. Das Gros des Insolvenzgeschehens in Deutschland entfällt weiterhin auf den Dienstleistungssektor (8.450 Insolvenzen). Gegenüber dem Vorjahr war ein leichtes Plus zu registrieren (plus 2,9 Prozent). Rückläufig waren die Insolvenzzahlen allein im Handel (minus 5,8 Prozent). Spürbare Zuwächse bei den Insolvenzen gab es 2022 bei sehr großen Unternehmen mit mehr als 250 Beschäftigten (plus 25,0 Prozent). Prominente Beispiele sind GALERIA Karstadt Kaufhof oder der Schuh-Filialist „Görtz“. Mit einem Anteil von über 85 Prozent machen allerdings Kleinstunternehmen (bis 10 Mitarbeiter) nach wie vor den Großteil des Insolvenzgeschehens in Deutschland aus. Zuletzt war in dieser Größenklasse nur ein leichter Anstieg der Fallzahlen zu verzeichnen. Anders im Vorjahr: Bedingt durch die Corona-Krise kam es damals vor allem bei Kleinstfirmen zu vermehrten Ausfällen. Patrik Ludwig Hantzsch: „Die mangelnde Planungssicherheit und die schwierige Wirtschaftslage treffen vor allem kleine und mittelständischen Unternehmen“. Junge Unternehmen (bis 10 Jahre alt) waren in der Insolvenzstatistik häufiger vertreten als im Vorjahr. 56,9 Prozent der insolventen Unternehmen waren jünger als 10 Jahre (2021: 49,7 Prozent). Auf die Altersklasse der über 20 Jahre alten Unternehmen entfielen dagegen nur noch 17,1 Prozent aller Insolvenzfälle (2021: 22,4 Prozent).

Verbraucherinsolvenzen: Nachholeffekt abgeebbt

Das Insolvenzgeschehen bei den privaten Verbrauchern war nach dem steilen Anstieg im Vorjahr diesmal deutlich rückläufig. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen verringerte sich um 17,3 Prozent (2021: plus 86,6 Prozent). So wurden im Jahresverlauf 2022 65.300 Verbraucherinsolvenzen registriert (2021: 78.920). Im Vorjahr hatte ein Nachholeffekt aufgrund der Verkürzung des Restschuldbefreiungsverfahrens für überschuldete Verbraucher die Insolvenzzahlen in die Höhe getrieben. Gleichzeitig hat die Energiekrise bisher nicht zu einer Insolvenzwelle bei Privatpersonen geführt. Mit zunehmender Dauer der Belastungen und einer sich verschlechternden Konjunktur drohen allerdings auch bei den privaten Verbrauchern mehr Zahlungsausfälle. Bei den sonstigen Insolvenzen, wo sich auch viele kleine Selbstständige wiederfinden, war ebenfalls ein Rückgang zu verzeichnen (minus 11,9 Prozent auf 24.800 Fälle), so dass 2022 insgesamt 104.800 Insolvenzfälle registriert wurden (2021: 121.190 Fälle).

Zinsen steigen, Erträge schwinden: Ausfälle zeichnen sich ab

Infolge der restriktiveren Geldpolitik der europäischen Zentralbank (EZB) müssen fremdfinanzierte Unternehmen mit einem steigenden Zinsaufwand bei der Unternehmensfinanzierung rechnen („Zinswende“). Zusätzlich dürften die Erträge aufgrund multipler Krisen (Energiepreiskrise, Rezession) erodieren. Die Möglichkeit, auch weiterhin die Fremdkapitalzinsen zu stemmen und damit den Schuldendienst zu tragen, dürfte schwinden. „Damit ist ein hohes Potenzial für Zahlungsausfälle erwachsen, dass sich in den kommenden Jahren in der Insolvenzstatistik niederschlagen könnte“, erläutert Hantzsch.

Eine Auswertung der Jahresabschlüsse von rund 6.000 Unternehmen in der Creditreform Wirtschaftsdatenbank ergab: Im Zeitraum 2019 bis 2021 wies ein Fünftel (19,3 Prozent) der fremdfinanzierten Unternehmen in Deutschland keine ausreichende Schuldentragfähigkeit auf. Das heißt, zur Finanzierung der Kreditzinsen reicht der operative Gewinn bei weitem nicht aus. Im Vergleich zur Vorperiode (2014 bis 2016) zeigt sich ein Anstieg der betroffenen Unternehmen (plus 3,9 Prozentpunkte). Die Corona-Krise dürfte mit Ertragseinbußen zu einer verminderten Schuldentragfähigkeit vieler Unternehmen beigetragen haben.

Bildquellen

  • Unternehmensinsolvenzen 2022: Creditreform Wirtschaftsforschung
  • Insolvenzen Hauptwirtschaftsbereiche 2022: Creditreform Wirtschaftsforschung
  • Insolvenzentwicklung 2022: Creditreform Wirtschaftsforschung
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